Premiere am 27. Januar
„Es könnte auch in Berlin spielen“ – Landestheater Niederbayern bringt „La Bohème“ ind Heute

24.01.2024 | Stand 24.01.2024, 5:00 Uhr

Regisseur Markus Bartl (Bild) und Ausstatter Philipp Kiefer nehmen in ihrer Inszenierung von „La Bohème“ Abschied vom Paris um 1830. − Fotos: pr

„La Bohème“ ist neben „Aida“ und „Carmen“ eine der meistgehörten Opern weltweit. Für die Puccini-Neuinszenierung am Landestheater Niederbayern in Passau, die am Samstag, 27. Januar, um 19.30 Uhr Premiere feiert, hat sich Generalmusikdirektor Basil Coleman ausdrücklich Regisseur Markus Bartl gewünscht, der für seine innovativen Regieansätze bekannt ist.

Das Konzept des Regisseurs: „Die Türen zum Ursprung der Idee öffnen“ – das heißt, er geht für seine Inszenierung von Henri Mugers Roman „Scènes de la vie de Bohème“ aus, der dem Libretto von Luigi Iliac und Giuseppe Giacosa zugrunde liegt. Auf diese Weise will der Regisseur den Ursprung der Charaktere und der Geschichte ergründen.

Eine Gruppe junger Männer, die sich für Künstler hält, genießt die Freuden des Lebens, um ihren armseligen Alltag zu überstehen. Dichter Rodolfo verliebt sich leidenschaftlich in seine Nachbarin Mimi, die schließlich an einer Krankheit in seinen Armen stirbt.

Schon beim Lesen des Romans stellten Bartl und Ausstatter Phillip Kiefer, die seit einigen Jahren ein Regieteam bilden, fest, wie modern und zeitlos die Konflikte und Probleme der Charaktere der Oper heute noch sind. Darum sehen es Bartl und Kiefer für ihre Inszenierung als irrelevant an, dass die Handlung um 1830 in Paris angesiedelt ist. Ihre Version behält zwar, wie im Libretto vorgesehen, die Spielorte Mansarde, Café und an der Stadtgrenze bei, spielt aber losgelöst von Zeit und Raum. „Es könnte auch in Berlin spielen oder New York“, sagt Regisseur Markus Bartl. Bühnenbild, Requisiten und Kostüme sind entsprechen in der Jetztzeit verortet, wobei die gut situierten Bürger auch in ihrer Kleidung als Repräsentanten der Konsumgesellschaft erkennbar sind.

„La Bohème“ erzählt eine ergreifende Geschichte über Liebe, Verlust und das Leben in schwierigen Zeiten. Markus Bartl fasst die Bohèmiens als „Als-ob-Persönlichkeit-Charaktere“ auf: Sie geben vor, Künstler zu sein, leben jedoch auf Kosten der gut Situierten und flüchten vor der Realität. Sie überspielen nicht nur ihre eigene Existenz, sondern auch Mimis Erkrankung mit kindlich-humorvoll Naivität – den tiefen Ernst der Situation erfassen sie nicht. In seiner Regie will Bartl daher zeigen, „wie wichtig es ist, ehrlich zu sich selbst und zu den anderen Menschen zu sein“. Ausstatter Philipp Kiefer sieht als zentrales Thema der Oper, „im Leben nicht den Tod aus den Augen zu verlieren“ – ein Bewusstsein für die Sterblichkeit.

So tragisch der Tod Mimis auch ist: Die große Tragik im Finale der Oper besteht für das Passauer Regieteam darin, dass die Bohèmiens hier erstmals den tödlichen Ernst des Lebens – und die Lüge ihres bisherigen Schein-Dasein – begreifen. Das Publikum soll nicht opernhaft zu Tränen gerührt werden, sondern zu echter Empathie mit den menschlichen Charakteren geführt werden – wie der Roman sie erzählt.

Stella Kempf


•Ab Samstag, 27. Januar, weitere Vorstellungen am 28.1., 2./3.2., 24./30.3, 1./7.4., 7./8.6., Karten: landestheater-niederbayern.de

•Mit Vicent Romero (Rodolfo), Peter Tilch (Schaunard), Kyung Chun Kim (Marcello), Heeyun Choi (Colline), Miroslav Stričevic (Colline), Wolfgang Gebauer (Benoit), Yitian Luan (Mimi), Emily Fultz (Musette), Claudia Bauer (Musette), Gabriel Bittner (Parpignol), Fritz Schneebauer (Alcindor)