Lkr. Passau
Breite Allianz gegen Gewalt

13.12.2022 | Stand 17.09.2023, 8:30 Uhr
Bernhard Brunner

Die Teilnehmer am Runden Tisch mit Koordinatorin Melanie Wagner (vorne, 5.v.l.) −Foto: Landratsamt

Der seit 2010 bestehende „Runde Tisch gegen häusliche Gewalt“ erhält immer mehr Unterstützung. So konnten die Leiterin Melanie Wagner (Landratsamt) und Daniela Grimm, Kriminalhauptkommissarin und Beauftragte der Polizei für Kriminalitätsopfer beim Polizeipräsidium Niederbayern, beim letzten Treffen den bislang größten Teilnehmerkreis begrüßen.

Neben Vertretern von Polizeiinspektionen und -stationen in Stadt und Landkreis sowie der Kripo Passau waren auch Familiengericht, Rechtsantragsstelle, Staatsanwaltschaft und Betreuungsgericht vertreten. Zum Teilnehmerkreis zählen auch der Weiße Ring, das Kreisjugendamt, das Stadtjugendamt, die Kinderklinik, die Ehe- und Familienberatung der Caritas, die Diakonie und ProFamilia mit der Fachstelle Täterarbeit. Ebenfalls dabei: Das Frauenhaus, die Interventionsstelle, der Kinderschutzbund in Passau und Vilshofen, das Gesundheitsamt, von der Stadt Passau die Gleichstellungsbeauftragte und die Beauftragte für Chancengleichheit beim Jobcenter Passau.

Mit diesem breiten Unterstützerkreis realisiere sich der größte Vorteil des Runden Tisches, nämlich die breite Vernetzung in alle Bereiche der Gesellschaft, so Melanie Wagner zum Auftakt des Treffens. Gewalt gegen Schwache brauche Aufmerksamkeit und Sensibilisierung sowohl bei Ämtern, Polizei und Justiz als auch bei Beratungsstellen. Als nächstes werde der Runde Tisch noch stärker auf die Schulen zugehen. Wagner: „Unser Credo heißt: Hand in Hand gegen häusliche Gewalt.“

Melanie Wagner informierte auch zur „Istanbul-Konvention“. Die im Europarat zusammengeschlossenen Staaten haben 2011 mit diesem Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt den bisher umfassendsten völkerrechtlichen Vertrag gegen geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt entwickelt. Wagner bezeichnete dabei die Gleichstellung als zentrales Mittel, um häusliche Gewalt zu verhindern. Seit 2018 ist Deutschland mit dabei. Ausgerechnet die Türkei als einer der Gründungsstaaten der Konvention ist 2021 allerdings aus der Vereinbarung ausgetreten. Polen hat bereits seinen Austritt angekündigt, weitere osteuropäische Staaten werden vermutlich folgen. Für die Teilnehmer bedeutete dies, dass der Kampf gegen häusliche Gewalt keineswegs zum kulturellen Allgemeingut zähle. Und: „Nur eine Konvention, die die Menschen kennen, kann auch wirken.“

Vor diesem Hintergrund wurde auch über die Gewaltsituation beziehungsweise das Frauenbild im Zusammenhang mit Migrations- und Flüchtlingsfragen diskutiert. Hier informierte die Regierung von Niederbayern als Betreiberin von Gemeinschaftsunterkünften. Grundsätzlich aber betreffe die Gewalt-Frage alle gesellschaftlichen Gruppen, Kulturkreise, Nationalitäten und mache keinen Unterschied zwischen Stadt und Land. Und: Auch Männer sind von Gewalt im häuslichem Umfeld betroffen. Daher gibt es für beide eine bundesweite Notrufnummer (Frauen: ✆0800/0116016, Männer: ✆0800/1239900).

Insgesamt ging die Zahl der Fälle häuslicher Gewalt in Bayern 2021 um fünf Prozent zurück, allerdings stieg die Zahl in Niederbayern um 4,7 Prozent auf 1773. Hier weist die Statistik des Polizeipräsidiums Niederbayern den Anteil männlicher Tatverdächtiger mit 81,5 Prozent aus, 81 Prozent der Opfer sind Frauen und Mädchen. Besonders alarmierend: Bei fast 40 Prozent der gewalttätigen Vorfälle waren Kinder anwesend.

Besonders wichtig ist dem Runden Tisch der Hinweis auf konkrete Beratungs- und Hilfsangebote. Diese sind in einem Flyer zusammengefasst, anzufordern unter: melanie.wagner@landkreis-passau.de und unter www.landkreis-passau.de. Ebenso hohen Stellenwert haben Aufklärung und Information – eines der zentralen Ziele der Istanbul-Konvention. So plant der Runde Tisch, die Wanderausstellung des Sozialministeriums „Häusliche Gewalt loswerden“ in die Region zu holen.