Freyung-Grafenau
Zu viel zum Sterben, zu wenig zum Leben

Viele Rentner haben Probleme, sich ihr Leben zu leisten − Rentenarmut trifft auch Landkreisbewohner hart

30.11.2022 | Stand 18.09.2023, 22:28 Uhr

Gerade die Älteren müssen häufig jeden Cent umdrehen. Bundesweit hat Bayern die höchste Altersarmut. −Symbolbild: dpa-bildfunk

Von Franziska Königseder

Die Anschaffung einer neuen Brille, das Bezahlen des Heizöls oder der Stromrechnung. Nirgendwo in Deutschland sind ältere Menschen derart gefährdet, im Alter arm zu sein, als in Niederbayern. Laut der Seniorenhilfe LichtBlick in Niederbayern bekommen Menschen in der Region rund 85 Euro weniger Rente als anderswo im Freistaat.

So auch die 81-jährige Ida (Name von der Redaktion geändert). 600 Euro Rente bekommt sie. Laut dem Statistischen Bundesamt lag die durschnittliche monatliche Rente einer Frau im vergangenen Jahr im Übrigen bei 773 Euro im Freistaat. Also knappe 173 mehr, als Ida bekommt. Die jährliche Rechnung der Heizkosten von zweieinhalb Tausend Euro kann sie nur stemmen, wenn sie monatlich 100 Euro zur Seite legt – und auch dann kann sich Ida die Zahlung nicht auf einmal leisten, wie sie im Gespräch mit der Heimatzeitung erklärt.

Ida hat aber noch „Glück“, denn sie wohnt in einer Sozialwohnung. Miete zahlt sie hier für die geräumige Wohnung „nur“ knapp 150 Euro. Bei 600 Euro, die monatlich auf ihr Konto kommen, drückt aber auch die niedrige Miete auf den Geldbeutel. „Die Heizkosten werden wieder steigen“, ist sich Ida sicher. Wie sie das dann noch bezahlen soll, weiß sie nicht. „Ich hätte es eigentlich schon gerne ein paar Grad wärmer in der Wohnung, kann es mir aber nicht leisten, tagsüber die Heizung anzumachen.“ Lieber deckt sie sich mit mehreren Decken zu, zieht warme Kleidung an. Gekocht wird bei Ida nicht auf dem Elektroofen, den ihr der LichtBlick-Verein gekauft hat. Nein. Ida kocht – wenn überhaupt – auf dem Ölofen im Wohnzimmer. „So spare ich Strom.“

Auch beim wöchentlichen Einkauf achtet sie penibel aufs Geld – sonst würde sie nicht über die Runden kommen. Tomaten beispielsweise, die sie eigentlich gerne mag, kauft sie sich derzeit nicht. Zu teuer sind ihr diese.

Neben einem kleinen Heizkostenzuschlag des Landratsamts erhält Ida viel Hilfe von der Seniorenhilfe LichtBlick. 35 Euro bekommt sie vom Verein monatlich. „Das ist eine Patenschaft.“ Eigentlich wollte sie damit mal ins Kaffee im Ort gehen. „Das kann ich mir aber nicht leisten. Ich brauche das Geld fürs Leben.“ Oder besser gesagt: fürs Überleben.

Sorge bereitet ihr bei dem Gespräch nämlich auch eine kommende Zahnarztrechnung. „Die Krankenkasse übernimmt nur einen Teil davon.“ Familie hat Ida im Übrigen nicht, die sie um Hilfe bitten könnte. Einen Führerschein besitzt sie auch nicht. Eine Freundin im Dorf fährt sie zu Arztterminen und Co. „Die macht das aber auch nicht umsonst – nicht bei diesen Spritpreisen.“

Neue Kleidung, wie beispielsweise eine Winterjacke, will sich Ida auch nicht zulegen. Sie legt alles was sie erübrigen kann, für Heiz- und Stromkosten zur Seite. „Unser Pfarrer hat mir im vergangenen Jahr neue Stiefel geschenkt. Seine Schwester hatte sich die gekauft – der waren sie zu klein.“

Trotzdem Ida dankbar für die Hilfe ist, die sie bekommt: Einfach ist es für sie nicht, diese auch anzunehmen. Ihr Leben lang hat sie gearbeitet. „Meine Mutter war mit drei Kindern allein, mein Vater war im Krieg“, erzählt sie. Einen Beruf zu erlernen konnte sie sich nicht leisten. Faul war sie deswegen aber nicht, sondern hat als Hilfsarbeiterin in Wirtshäusern und auf Bauernhöfen gearbeitet. Und trotzdem reicht ihre Rente heute kaum zum Leben.