Landau
„Das Märchen mit der Flasche“ und Racheakt

Zwei heranwachsende Dingolfinger mit „hoher krimineller Energie“ müssen in Dauerarrest

21.12.2023 | Stand 21.12.2023, 11:00 Uhr

Zwei Fälle mit zwei Angeklagten hatte das Landauer Amtsgericht zu verhandeln. − Foto: Archiv/Birgmann

Mit Häftlingskleidung und Fußfesseln spaziert er in den Gerichtssaal. Der junge Mann soll Licht ins Dunkle bringen. Er ist der Dritte im Bunde und Freund der beiden Angeklagten. Als Zeuge sagt er am gestrigen Mittwoch vor dem Landauer Amtsgericht aus. Momentan ist er in der JVA Landshut. Der 20-Jährige war bei beiden Taten mit gefährlicher Körperverletzung dabei.

Bei der ersten Tat, die seit November am Gericht verhandelt wurde, rächte sich das Trio an einem Bekannten. Der 19-jährige Angeklagte hatte Anfang vergangen Jahres eine Rippenprellung erlitten. Kurz nach seiner Genesung machten sich die drei maskierten Dingolfinger auf den Weg. Sie revanchierten sich an dem Mann mit Schlägen sowie Tritten.

Zu Hilfe geeilt oder „Schutzbehauptung“?

Bei einer zweiten Tat, die ebenfalls in Landau verhandelt wurde, waren der Zeuge und der andere Beschuldigte nach einem Clubbesuch in Dingolfing in eine Auseinandersetzung mit einem ehemaligen Mitschüler verwickelt. Der Zeuge habe sich einen „Bodenkampf“ geliefert. Als laut dem 18-jährigen Angeklagten eine Flasche im Spiel war, eilte er zu Hilfe. „Er hat mich am Kopf getroffen. Ich hatte Glassplitter im Nacken“, sagt der Zeuge.

Staatsanwältin Kiss betitelt die Aussage als „Schutzbehauptung“. Der Zeuge gibt zu, nicht um Hilfe gebeten zu haben. Darüber hinaus stellt sie infrage, ob eine Flasche im Spiel war. Sie meint, dass der 18-Jährige in beiden Fällen Mittäter ist. Kiss fordert im Plädoyer vier Wochen Dauerarrest, einen sozialen Trainingskurs und 180 soziale Stunden für den Angeklagten.

In Bezug auf die Tat im Januar vergleicht Kiss die Vorfälle mit einem Film: „Wir sind hier nicht bei the Purge.“ Maskiert und überfallartig zu dritt eine Person zu attackieren, sei ein Unding. Dazu komme, dass die Schläge auf den Kopf „höchst gefährlich“ sind. Für den anderen Angeklagten plädiert Kiss für einen Dauerarrest von zwei Wochen, 500 Euro Geldstrafe und auch einen sozialen Trainingskurs. Generell ist sie davon überzeugt, dass die beiden Heranwachsenden eine „sehr hohe kriminelle Energie“ haben.

Rechtsanwalt Robert Späth zitiert eine Zeugin: „Er hat Faust gegeben.“ Daher schließt er Tritte von seinem 19-jährigen Mandaten aus und meint, es handele sich um eine einfache Körperverletzung. Außerdem habe er für seinen Mandanten bereits zu Beginn der Verhandlung seine Schuld eingeräumt. Der 19-Jährige habe sich entschuldigt und war betrunken. Hinzu komme, dass es keine „Bock auf Stress“-Aktion war, sondern es gab ein Motiv. Er plädiert auf einen Freizeitarrest.

Sein Rechtsbeistandskollege Christian Ginzel vertritt den jüngeren Angeklagten, der sich für beide Taten verantworten muss. Ginzel ist davon überzeugt, dass sein Mandant in keinen der beiden Fällen als Mittäter gelten dürfe. „Einer stand abseits, haben wir von Zeugen gehört“, sagt Ginzel bezüglich des ersten Vorwurfes. Und weiter: „Da die anderen beiden ihre Schuld zugegeben haben, ist die logische Schlussfolgerung, dass es mein Mandant war.“ Bei dem zweiten Anklagepunkt spricht er von einer „Hilfe“. Somit ist er der Meinung, dass das auch „nicht strafbar“ sei.

Das sieht Richter Florian Grotz anders. Als „Blödsinn“ bezeichnet er die Behauptung, dass der Angeklagte an dem Racheakt nicht teilgenommen habe. Die Erklärungen des 18-Jährigen glaube er in Bezug auf den zweiten Vorwurf ebenso nicht. Der Richter bezeichnet es als „Märchen mit der Flasche“. Generell seien die Aussagen bezüglich des zweiten Tatvorwurfes „konträr“ zu der Anklageschrift und den Zeugen. Es sei unglaubwürdig und würde nicht zusammen passen.

Dauerarrest und gemeinnützige Arbeit

Er verurteilt den 18-Jährigen zu vier Wochen Dauerarrest und 120 Stunden gemeinnützige Arbeit wegen gefährlicher Körperverletzung. Außerdem muss er einen sozialen Trainingskurs besuchen. „Das ist genau das, was sie brauchen“, sagt Richter Grotz.

Der andere Angeklagte wird auch wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Sein Geständnis wird ihm dabei erheblich angerechnet. Die Entschuldigung sowie der Alkoholeinfluss werden ihm auch zugutegehalten. Hinzu kommt, dass die Tat „nicht aus heiteren Himmel kommt“. Richter Grotz gibt ihm eine Woche in Dauerarrest. Obendrein muss er 500 Euro Auflage in Raten à 100 Euro und die Verfahrenskosten zahlen.