Pilsting
Ausstellungseröffnung im Bürgerhaus Pilsting: „2 Systeme – 1 Land“

28.05.2023 | Stand 16.09.2023, 21:23 Uhr |
Sabrina Melissa Melis

Die für Werner Petschko „schönste Fortsetzungsfolge“ ist die vom letzten Pferd: aufgenommen von Bruno Mooser 1958, in der Zeit, in der gerade Pferde von Traktoren in der Landwirtschaft ersetzt wurden. Auf dem Foto, so Petschko, erkenne man: „Der Mensch ist eher zum Tier hingezogen als zur Technik.“ Das zweite Foto (von Gerhard Weber) zeigt wie ein Pferd über eine Wiese einem jungen Mädchen hinterherläuft.

Am Donnerstagabend wurde im Bürgerhaus Pilsting die Ausstellung „2 Systeme – 1 Land“ aus der Kooperation der Interessensgemeinschaft für Heimatgeschichte sowie dem Stadtarchiv Straubing eröffnet. „Ein Foto sagt mehr als tausend Worte, sagt man“, unterstrich Fotograf Gerhard Weber. „Wenn Sie die Bilder anschauen, werden Sie vieles entdecken, vieles erleben, denn das Foto ist auch angehaltene Zeit – und diese Zeit kommt nie wieder.“

76 Fotos von ihm, Bruno Mooser und der Dorfgemeinschaft Parnkofen sind noch bis zum 31. Juni im Bürgerhaus im Glassaal im Erdgeschoss und im Marktsaal im Obergeschoss zu sehen. Ob in schwarz-weiß gehalten oder farbig, von den 1950er Jahren bis zur „Moderne“, zeigen sie das Landleben sowohl in der Heimat Niederbayern als auch in Sachsen. Bürgermeister Martin Hiergeist freute sich über die erste Ausstellung in den neuen Räumlichkeiten des Bürgerhauses. Ein musikalisches Novum gab es dazu: Sehr zur Freude von Veranstaltern und Gästen als Zuhörer umrahmte die Städtische Musikschule Landau die Eröffnung der Ausstellung.

Entwicklungen im Westen und Osten sehr ähnlich

„Warum ‚2 Systeme – 1 Land‘?“, fragte Franz Günther, Schriftführer des Geschichtsvereins, und fügte hinzu, man möge von ihm keine wissenschaftliche Abhandlung verlangen – er gab einfach seine Gedanken wieder. „Wie Werner Petschko und ich die Fotos vor ein paar Tagen an die Ausstellungswände gemacht haben, da hat Werner gleich am Anfang eine ganz einfache Frage gestellt: Welches Bild ist von uns und welches aus Sachsen?“ Er hätte nicht genau sagen können, welches aus Sachsen und welches aus Niederbayern stammt. „Die beiden Fotografen haben festgehalten – ganz hervorragend – die Entwicklung in der jeweiligen Heimat – Ost- und Westdeutschland.“ Seine Erkenntnis: „Es gibt auf der einen und der anderen Seite des Eisernen Vorhangs, der damals beide Welten getrennt hatte, gar nicht so viel Unterschied.“

Werner Petschko, Vorsitzender der Interessensgemeinschaft, erklärte, wie es überhaupt zu dieser Ausstellung kam: „Der reine Zufall“ stehe dahinter. Vor zwei Jahren hatte er einen Beitrag im Mitteldeutschen Rundfunk MDR über Gerhard Weber und seine Bilder aus Sachsen gezeigt, diese hatte ihn sehr an die Bilder von Bruno Mooser erinnert. „So nahm ich Kontakt mit Herrn Weber auf“, und so entwickelte sich die Idee, zudem man das Stadtarchiv Straubing zur Kooperation und damit die Fotos von Bruno Mooser als Ausstellungsobjekte gewinnen konnte.

Die Fotos sind in drei Sequenzen unterteilt: Sequenz 1 zeigt Fotos aus Sachsen und Niederbayern zur gleichen Thematik. In der 2. Sequenz zeigt das zweite Foto eine Art „Fortsetzung“ des ersten Bildes. Beispielsweise wird in Parnkofen mit einer Sense Getreide gemäht, in Sachsen arbeitet eine alte Müllerin mit Getreide. Die 3. Sequenz sind als unabhängige Bilder voneinander zu betrachten.

Fotografie liegt Gerhard Weber im Blut. Bereits sein Vater, der 1944 bei Leningrad gefallen war, war ein leidenschaftlicher Fotoamateur. Seine Mutter blieb mit drei Kindern verwitwet zurück und musste von Berlin nach Altenburg ziehen. Eine Kamera konnte er sich in seiner Jugend nicht leisten, unterstrich er. Das Geld war schlicht nicht da. „Erst mit 18 kaufte ich mir eine Kamera und mit 20 gab es in der DDR – man höre und staune – eine Preissenkung. Da wurde eine Spiegelreflexkamera von 1000 Ostmark auf 500 Mark heruntergesetzt.“

Gerhard Weber fotografiert bereits seit 60 Jahren

Er kaufte sich einen Apparat und begann zu fotografieren – vor über 60 Jahren. Er hatte nach dem Studium Angebote aus Berlin. Doch blieb er in der Provinz, auch weil er in Berlin fünf bis sechs Jahre auf eine Wohnung hätte warten müssen. „Mein Professor sagte: 'Wenn du Idiot schon zur Zeitung gehst, dann geh‘ unbedingt in die Lokalredaktion, dort bleibst du längere Zeit ein Mensch'.“ In der Hauptstadt hätte er allen SED-Ideologien folgen müssen. „In der Lokalredaktion hast Du mit Menschen zu tun, die ganz normal sind.“ Das bestätigte Weber: „Ich habe Menschen in den Kleinstädten und auf dem Land kennengelernt, bin ihnen mit voller Achtung begegnet und sogar lieben gelernt.“

Die Frauen der DDR-Landwirtschaft hatten die schwerste körperliche Arbeit auf den Feldern. „Einzelbauern gab es seit den 1960er Jahren nicht mehr, es gab nur die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften“, erzählte er. „Teilweise 300 bis 500 Beschäftigte auf Großfeldern, und die Frauen gingen teilweise in Kompaniestärke aufs Feld, um die Gurken zu ernten, die Rüben zu hacken, das Getreide einzufahren – nur die Männer saßen auf den Maschinen.“ Mittags gingen die Frauen nach Hause, kochten für die Männer, kümmerten sich um die Kinder und nachmittags ging es für sie wieder aufs Feld.

Nach der Wende waren die DDR-Fotografen gebrandmarkt, erzählte er. Er und seine Frau haben der lokalen Zeitung angeboten, Reportagen zu machen über jedes Dorf im Südraum Leipzig, das auch nur einen Namen hatte: „das kleinste Dorf ist Ebersbach mit sechs Einwohnern“. In den zwölf Jahren hatten sie 500 Dörfer abgesucht und die einfachen Menschen noch besser kennen gelernt.

2800 Abzüge, 130000 kleine Bildnegative und Dias wurden aus dem Nachlass von Bruno Mooser dem Stadtarchiv Straubing überantwortet. Dr. Dorit Krenn, Leiterin des Stadtarchiv Straubing, sprach voller Bewunderung über den „Meister der Leica“, Bruno Mooser. Zunächst setzte dieser die Kamera in seinem näheren Umfeld ein. „Der Mensch stand hierbei im Vordergrund des fotografischen Augenblicks“, erklärte sie. Ein halbes Jahrhundert dokumentierte er den Wandel in unserer Heimat und unserem Leben.

Die Ausstellung im Bürgerhaus Pilsting ist noch bis 31. Juli zu sehen, geöffnet jeweils sonntags von 14 Uhr bis 17 Uhr. Auch morgen, am Pfingstsonntag, ist die Ausstellung im Rahmen des "Tag der offenen Tür" von 12 Uhr bis 16 Uhr, zu besichtigen.

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