Über 100 Millionen erbeutet
Polizei zerschlägt Callcenter-Bande - Kurier in Niederbayern festgenommen

11.12.2020 | Stand 18.09.2023, 5:06 Uhr

Diese Goldbarren wurden im Zuge der Ermittlungen sichergestellt. −Foto: Polizei

Ermittler konnten erneut ein Callcenter zerschlagen und über 100 Millionen Vermögen beschlagnahmen. Ein Kurierfahrer aus dem Landkreis Deggendorf wurde festgenommen. Die Polizei warnt.

Mehr zum Thema lesen Sie auch auf unserer Sonderseite.

Erst Ende November war es Ermittlern in länderübergreifender Zusammenarbeit gelungen, ein Callcenter zu zerschlagen, dass seine Opfer um Millionen gebracht haben sollen. Die Betreiber des Callcenters konnten im Kosovo festgenommen werden. Die neun Verdächtigen sollen jahrelang im Bereich der "falschen Lotterie-Gewinnversprechen" agiert und vor allem wohlhabende Menschen betrogen haben - auch in der Region.

Bereits in der ersten Dezemberwoche ist Ermittlern der Kripo Niederbayern, dem Polizeipräsidium München und türkischen Behörden nun ein weiterer Schlag gegen "Callcenter"-Betrüger in der Türkei gelungen. Die weitverzweigte Bandenstruktur soll laut Polizei auch Menschen in Niederbayern, Oberbayern und der Oberpfalz geschädigt haben.

Staatsanwaltschaft ermittelt

Bereits Ende Oktober 2020 konnten Ermittler der Kripo Niederbayern einen 33-Jährigen aus Plattling (Landkreis Deggendorf) festnehmen. Der Mann, der im Internet auf eine Annonce als Kurierfahrer gestoßen war, soll laut Polizei seit Mitte September der Abholer in rund zehn Fällen gewesen sein - von zum Teil sechsstelligen Bargeldbeträgen und Gold im Gesamtwert von über einer Million Euro. Die Beute soll der 33-Jährige an einen weiteren Kurierfahrer zum Weitertransport nach Berlin übergeben haben.

Der Plattlinger soll laut Polizei unter anderem im Landkreis Deggendorf, Straubing, Wörth an der Donau (Landkreis Regensburg), Prien am Chiemsee (Landkreis Rosenheim) und Ulm tätig gewesen sein. In Prien am Chiemsee soll der Kurier Ende September einen sechsstelligen Betrag von einem 82-jährigen Mann abgeholt haben. Laut Polizei erhielt der 33-Jährige neben einer Kilometerpauschale einen mittleren vierstelligen Betrag als "Aufwandsentschädigung". Der Mann wurde am 27. Oktober festgenommen und sitzt seitdem in einer Justizvollzugsanstalt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen dringenden Tatverdachts des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs.

Hintermänner kontaktieren erneut Senioren aus Raum Deggendorf

Wie dreist und rücksichtslos die Hintermänner der Betrüger agieren, zeigen laut Polizei auch die weiteren Ermittlungen der Kripo Niederbayern. Nachdem der 33-jährige Kurierfahrer festgenommen wurde, nahmen die Betrüger erneut mit einer Seniorin aus dem Raum Deggendorf telefonisch Kontakt auf. In mehreren Gesprächen haben sich die Anrufer unter anderem als LKA-Beamte ausgegeben bzw. erzählten der Dame, dass die Anrufer der vorausgegangenen Taten zu den Taten gezwungen worden seien. Sie bitten die Seniorin nun darum, "sie aus den Fängen der Kriminellen freizukaufen".

Über 100 Millionen Euro Vermögen beschlagnahmt

Mit Durchsuchung von insgesamt 48 Wohnungs- und Geschäftsräumen und zahlreichen Festnahmen in der Türkei erhoffen sich die niederbayerischen Ermittler Hinweise auf weitere Taten in Niederbayern und auf Tatstrukturen. Bei der Aktion im Zusammenhang mit dem türkischen "Callcenter" konnten die Ermittler über 100 Millionen Euro Vermögen beschlagnahmen. Die sichergestellte Beute besteht aus 1,5 Millionen Euro, 200.000 US-Dollar, fünf Kilogramm Gold und 41 hochwertigen Fahrzeugen. Daneben pfändeten die Ermittler drei Hotels und über 80 Luxuswohnungen und Büroräume.

Inwieweit den Opfern der zum Teil immense Schaden aus den in der Türkei beschlagnahmten Vermögen ersetzt werden kann, wird von den Ermittlern geprüft.

Polizei warnt vor der Masche

Das Polizeipräsidium Niederbayern warnt in diesem Zusammenhang ausdrücklich davor, derartige Jobangebote wie die des 33-Jährigen sorglos und ohne Hinterfragen anzunehmen. Auf einschlägigen Online-Jobbörsen und über Annoncen in den regionalen und überregionalen Zeitungen wird mit "dem schnell verdienten Geld" geworben. Die Angebote wirken auf den ersten Blick seriös, der vermeintliche Arbeitgeber wirbt mit "echt wirkenden Arbeitsverträgen". Der 33-jährige Plattlinger macht sich laut Polizei neben den zivilrechtlichen Forderungen wegen Geldwäsche bzw. des Betrugs oder der Beihilfe zum Betrug strafbar.