Spielabbrüche
Niederbayerns Schiri-Chef Fischer: „Zur Zeit sehr viele Beleidigungen und Beschimpfungen“

26.09.2023 | Stand 27.09.2023, 7:57 Uhr

An mehreren Brennpunkten gleichzeitig konnte er nicht sein: Schiedsrichter Korbinian Eßberger aus Wallkofen (Mitte) beim Kreisliga-Spiel zwischen dem SV Auerbach und Türk Gücü Straubing. Nach Tumulten entschied sich Eßberger für den Abbruch. − Foto: Stefan Ritzinger

Die Heimatzeitung sprach mit Bezirks-Schiedsrichterobmann Robert Fischer (Lindberg) über bestürzende Szenen, Referees in Not und was es für Folgen hat, wenn der Fußball zum Spielball von Aggressionen wird.



An Appellen an die Fairness, an Aufrufen zu einem guten, friedlichen Miteinander fehlt es nicht. Wer auf den Fußballplätzen unterwegs ist, erlebt allerdings nicht selten das Gegenteil von Sportsgeist.

Ein Tiefpunkt in dieser Hinsicht waren am vergangenen Wochenende die Vorkommnisse auf zwei niederbayerischen Plätzen, wo die Spiele angesichts von Tumulten nicht beendet werden konnten. Die Situationen waren soweit außer Kontrolle geraten, dass die Schiedsrichter zum letzten Mittel griffen und sich für einen Abbruch entschieden.

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Herr Fischer, liegen Ihnen schon Berichte zu den Vorkommnissen in Hofkirchen und in Auerbach vor?
Fischer: Zu Hofkirchen kann ich nichts sagen, weil ich dazu noch keine Informationen habe. Im Fall von Auerbach liegt mir der Schiedsrichterbericht vor.

Und?
Fischer: Als Ausgangspunkt der Eskalationen wurde beschrieben, dass ein nicht beteiligter Trainer der Heimmannschaft zusammen mit weiteren Personen von einer Position hinterm Straubinger Tor den Türk-Gücü-Torwart verbal angegangen hat. Wohl daraus hat sich dann ein Wortgefecht entwickelt, in dessen Verlauf der Trainer hingefallen ist. In der weiteren Folge entstand ein Tumult, den der Schiedsrichter schlichten wollte. Aber weil dann an mehreren Stellen des Platzes gleichzeitig Brennpunkte entstanden, hat der Schiedsrichter abgebrochen, weil er die Gesamtsituation nicht weiter eskalieren lassen wollte. Er hat einfach befürchtet, dass etwas Schlimmeres passiert. Letztendlich war der Abbruch dem Verhalten von Spielern und Zuschauern geschuldet.

Jetzt liegt die Angelegenheit beim Sportgericht. Bleibt’s beim 2:2 als sportlichem Ergebnis? Immerhin war zum Zeitpunkt des Abbruchs nur noch Nachspielzeit übrig.
Fischer: Es gibt mehrere Optionen. Ich kann und will dem Sportgericht aber natürlich nicht vorgreifen. Neben der von Ihnen genannten Möglichkeit, gibt es auch die, dass das Spiel wiederholt werden muss. Aber auch zwei x:0-Wertungen sind beispielsweise möglich.

Also eine Wertung gegen beide Mannschaften.
Fischer: Ja.

Die beiden Spielabbrüche passen so gar nicht zu all den Aufrufen zu Fairness und Sportsgeist, wie sie auch Fußball-Bezirksvorsitzender Harald Haase vor der neuen Spielzeit formuliert hat. Was passiert denn da gerade auf den Fußballplätzen?
Fischer: Wir sitzen alle in einem Boot. Ein gutes Miteinander lässt sich nicht von oben regeln. Die Vereine müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein. Da muss ich die Fans auch mal einbremsen. Aber wir sprechen ja nicht nur von Fällen wie diesen.

„Sehr viel an Beleidigungen gegen Schiedsrichter“

Sondern?
Fischer: Es ist zur Zeit sehr viel, was an Beleidigungen, Anwürfen und Beschimpfungen auf unsere Schiedsrichter einprasselt. Aus der Anonymität der Zuschauerreihen fühlen sich manche ermutigt, mit Wörtern um sich zu werfen, die sie selbst niemals akzeptieren würden, wenn sie ihnen entgegengeschleudert würden.

Was tun? Die Appelle fruchten ja scheinbar nicht.
Fischer: Nochmal: Wir alle haben als Beteiligte gemeinsam die Verantwortung für den Fußball. Das muss allen klar sein. Wer diese Verantwortung nicht wahrnimmt, muss daran erinnert werden. Vielleicht muss das Sportgericht einmal ein Zeichen setzen und längere Sperren verhängen.


Interview: Martin J. Freund