Deggendorfer Referees erklären
Leistungsschiri im Amateurfußball früher und heute: Was sich für die Unparteiischen geändert hat

21.08.2023 | Stand 12.09.2023, 23:10 Uhr
Franz Nagl

Unterschiedliche Generationen, das gleiche Faible: Rudolf Fürst, der „Mann in Schwarz“, und Tobias Glashauser, der junge Schiedsrichter-Kollege in den Farben lila. −Foto: Franz Nagl

1923 – 2023: Die Schiedsrichtergruppe Deggendorf feiert im September ihr 100-jähriges Jubiläum. Die Redaktion des Heimatsport Deggendorf unternimmt einen Streifzug durch die Jahrzehnte und beleuchtet in einer Serie verschiedene Themenbereiche. Heute Teil 1: Leistungsschiris früher und heute.

Der eine ist ein alter Hase und der andere ein junger Dachs. Rudolf Fürst (73) und Tobias Glashauser (23) haben jedoch eins gemeinsam: Sie waren (Fürst) oder sind (Glashauser) Leistungsschiedsrichter und haben Spiele bis hoch in die Landesliga gepfiffen. Anlässlich unserer Serie „100 Jahre Schiedsrichtergruppe Deggendorf“ hat die Heimatzeitung beide an einen Tisch zusammengebracht. Wie war es früher und was hat sich verändert? Die beiden Top-Schiedsrichter geben einen Einblick ins Innere eines Schiedsrichters.

„Damals hat man später angefangen zu pfeifen, dafür ist man länger dabeigeblieben“, sagt Fürst, der 1979 im Alter von 28 Jahre dazu kam, und weist darauf hin, dass heutzutage viele Jugendliche auf den Plätzen zu sehen sind, aber nicht die Ausdauer haben und früh aufhören. „Die Motivation sinkt bei manchen, die ihr Potenzial ausgeschöpft haben und für die es nicht mehr aufwärts, sondern in die andere Richtung geht“, vermutet Glashauser, der es bis jetzt als Assistent in die U19-Bundesliga geschafft hat, den Trend bei den jüngeren Unparteiischen. Ob das auch an den Beobachtern liegt, die mittlerweile schonungslos auf Fehler hinweisen, glauben beide nicht. „Früher war der Beobachter ‚unsichtbar‘ und die Bewertungen wurden nicht publik gemacht“, erzählt Fürst, der selbst lange Jahre als Beobachter unterwegs war. „Jetzt ist alles viel transparenter“, sagt Glashauser, der diese Entwicklung positiv sieht. „Die Beobachter heißen ja neuerdings Coaches und Bewertungen werden gleich nach dem Spiel. Auch anhand von Videos. Man profitiert davon“, sagt der junge Referee.

Zusammensitzen nach dem Spiel ist nicht mehr üblich



Egal ob die Leistung des Schiedsrichters stimmt oder nicht, er muss sich mit verschiedensten Einflüssen auch abseits des Fußballplatzes auseinandersetzen. Aber wie war damals der Umgang mit Spielern und Trainern auf und neben dem Spielfeld? „Problematische Spieler hat es früher auch schon gegeben. Wenn man sich nicht so gekannt hat, wurde auch auf das ,Du‘ verzichtet. So hat man auch eine gewisse Distanz bewahrt. Man wurde auch kritisiert, und das wurde auch ausdiskutiert, aber nur wenn es nicht unter der Gürtellinie stattfand“, erzählt Fürst, der auch das Zusammensitzen nach dem Spiel als üblich sah. „Das kommt bei uns nicht oft vor“, entgegnet Glashauser und moniert den oft unpersönlichen Umgang miteinander. Auch auf dem Spielfeld spielt das Zwischenmenschliche oft nur eine untergeordnete Rolle. „Die Spieler haben ganz oft keinen Respekt vorm Schiedsrichter, fordern diesen aber ein“, sagt Glashauser. „Da ist der Profifußball – wie er im Fernsehen gezeigt wird – oft ein schlechtes Vorbild“, sieht Fürst einen Grund für diesen Trend. „Banale Sachen werden ausdiskutiert und stacheln die Zuschauer an, die dann, meist in Gruppen, aggressiv auf uns Einwirken“, beklagt Glashauser. „Dazu sollten sich die Vereine Gedanken machen und dem entgegenwirken“, fordert Fürst.

Lange Strecken und viel Freizeit für ein Fußballspiel. Lohnt sich das Schiedsrichtern überhaupt noch? „Da braucht man nicht lange rechnen. Natürlich hat es sich finanziell nicht gelohnt. Es ist ein Hobby und wenn die Familie oder die Frau nicht mitspielt, geht es auch nicht“, sagt Fürst. Tobias Glashauser bläst ins gleiche Horn. „Für das Hobby ist es natürlich ein schönes Geld, aber wenn man rein den Zeitaufwand und das benötigte Equipment betrachtet, gibt es natürlich rentablere Alternativen”, erklärt Glashauser, der neben den einmaligen Kosten für ein Headset (rund 1000 Euro) und Funkfahnen (rund 700 Euro) – zur Kommunikation mit seinen Kollegen während des Spiels – seine jährlichen Ausgaben für Kleidung auf um die 400 Euro schätzt.

Den Mann in Schwarz gibt es längst nicht mehr



Es ist auch ein offenes Geheimnis, dass einige Vereine die Kosten tragen, wenn sich ein Schiedsrichter dafür bereit erklärt zum Verein zu wechseln. In diesem Zusammenhang sollte man wissen das ein Verein in verschiedenster Weise davon profitiert, wenn viele Schiedsrichter zum Mitgliederstamm zählen.

Das Erscheinungsbild des Unparteiischen hat sich in den letzten Jahren ebenfalls grundlegend geändert. Den reinen „Mann in Schwarz“ gibt es längst nicht mehr. „Wir traten nur in schwarzer Kleidung an“, erzählt Fürst und streift sich für das Foto oben ein Trikot aus den 90er Jahren über. „Heutzutage müssen wir uns an den Mannschaften anpassen und haben deswegen Trikots in verschiedenen Farben dabei“, verrät Glashauser, der zu einem lilafarbenen Shirt greift.

„Bei den Leistungstests kommen einige an die Leistungsgrenze“



Aber egal in welchen Klamotten man auf dem Feld steht: Es nützt alles nichts, wenn die nötigen körperlichen Voraussetzungen nicht geschaffen sind. So hat sich in Sachen Fitness damals wie heute nicht viel verändert. Auch früher brauchte ein Leistungsschiedsrichter die notwendige Ausdauer. „Da haben wir in der Sportschule in Grünwald unsere Läufe gemacht“, erzählt Fürst. Heutzutage trifft man sich in Osterhofen zum Leistungstest, der nicht minder schweißtreibend ist. „Da kommen einige bei den Sprints und Intervallläufen oft an die Leistungsgrenze“, sagt Glashauser mit einem Schmunzeln.

Das Schiedsrichterwesen hat sich im Laufe der Jahrzehnte der Zeit angepasst. Aber eines hat sich nicht verändert. Die gelbe und rote Karte sitzt nach wie vor am Körper des Schiedsrichters und ist der Ball drin oder nicht: Tor ist, wenn der Schiedsrichter pfeift!