Serie, Teil 5: 100 Jahre SRG Deggendorf
Laubfrosch im Schuh, kein Strom im E-Auto: Die lustigsten Ankedoten der Schiedsrichtergruppe Deggendorf

14.11.2023 | Stand 15.11.2023, 20:14 Uhr

Er war der unterhaltsamste Schiedsrichter aller Zeiten: Wolf-Dieter Ahlenfelder, hier im Dialog mit Bayern-Legende Paul Breitner – hatte so manch nette Begegnung. Auf dem Spielfeld und auch abseits des grünen Rasens. − Foto: imago images

1923 – 2023: Die Schiedsrichtergruppe Deggendorf feiert im September ihr 100-jähriges Jubiläum. Der Heimatsport unternimmt einen Streifzug durch die Jahrzehnte und beleuchtet in einer Serie verschiedene Themenbereiche. Heute der 5. und letzte Teil: Die lustigsten Anekdoten der SR-Gruppe Deggendorf.

8. November 1975, bei der Bundesliga-Partie zwischen Werder Bremen und Hannover 96 läuft die 32. Spielminute, als ein Pfiff ertönt. Der Schiedsrichter, Wolf-Dieter Ahlenfelder, hatte wohl schon genug vom Match und bat zum Pausentee. Als er auf seinen Irrtum aufmerksam gemacht wurde, ließ er die fehlende Zeit nachspielen. Im Nachgang an das Match wurde bekannt, dass der spätere Kult-Referee wohl vor dem Spiel etwas zu fettig gegessen hatte und deshalb einen Verdauungsschnaps benötigte – der ihm wohl nicht so gut bekam. Wie viel Alkohol am Tag und am Vortag der Bundesliga-Matches nun wirklich im Spiel war, wurde wohl nie zu 100 Prozent aufgeklärt. Aber bis zum heutigen Tag gibt es in der Bremer Vereinsgaststätte einen „Ahlenfelder“ zu bestellen – ein Gedeck aus Bier und einem Maltester-Schnaps.

In der 100-jährigen Geschichte der Schiedsrichtergruppe Deggendorf ist (leider?) nirgends die Rede von einem Getränk oder einer Getränkekombination, die nach einem ihrer Unparteiischen benannt worden wäre. Trotzdem ist auch den hiesigen Unparteiischen schon das ein oder andere Missgeschick passiert – Referees sind halt doch auch nur normale Menschen! Und die nehmen sich glücklicherweise selbst nicht zu ernst und erzählen uns von ihren lustigsten Begebenheiten bei ihren Spielen – nachfolgend die lustigsten Anekdoten der SR-Gruppe Deggendorf:

• Normalerweise packt ein Unparteiischer seine Tasche ganz gewissenhaft und korrekt mit genügend Vorlauf zum Spiel. Aber wie es manchmal halt so ist, beginnt der Tag plötzlich stressiger als erwartet. Plötzlich ist man in Eile und sucht in aller Schnelle seine sieben Sachen zusammen. So ist es auch der ersten Schiedsrichterin in der Gruppe Deggendorf passiert. Martha Scheungraber berichtet von einem Spiel in Pankofen. Beim Auspacken ihrer Tasche musste sie erschreckt feststellen, dass ihre Fußballschuhe noch zuhause stehen. Die stets bestens vorbereitete Schiedsrichterin war perplex – brauchte aber dringend eine passende „Bereifung“. Nach einigem Hin und Her zauberte die Vereinswirtin dann Schuhe für Martha herbei. Diese waren zwar eine Nummer zu groß – das Spiel konnte aber stattfinden.

• Ähnliches soll einem gestandenen Schiedsrichter auch schon mal passiert sein – er lieh sich dann die Schuhe eines Spielers aus. Scheinbar lief die erste Halbzeit aber – zumindest aus Hausherrensicht – nicht all zu prickelnd, so dass der Spieler mit der Schiedsrichterleistung unzufrieden war und in der Pause seine Schuhe zurückforderte. Dem Referee blieb nichts anderes über, als das Spiel in Sandalen zu beenden.

• Otto Kufner ist ebenfalls für seine Zuverlässigkeit bekannt – trotzdem ist auch ihm schon ein Malheur passiert. Zum Austauschsspiel bei der Spvgg Brandten machte sich Kufner rechtzeitig auf den Weg. Als er in der Garage an seinem Auto stand, bemerkte er, dass er seinen Autoschlüssel in der Wohnung vergessen hatte. Tasche abgestellt, schnell nochmal in die Wohnung geflitzt, Schlüssel geholt, in den Wagen gesprungen und losgefahren. Während der Fahrt kam ihm langsam aber sicher die Erkenntnis, dass er irgendetwas vergessen haben musste. Schnell steuerte er den nächsten Parkplatz an und warf einen Blick in den Kofferraum. Und tatsächlich: Seine Sporttasche stand noch genau da, wo er sie zuvor abgestellt hatte: in der heimischen Garage. Nach kurzem Anruf beim Spielgruppenleiter kehrte er wieder um, holte das Sportzeug und tauchte letztendlich 15 Minuten vor Anpfiff am Platz auf.

• Materielle Hilfe benötigte auch Daniel Hühmer. Der heutige Junioren-Einteiler der Gruppe ist bekennender Tattoo-Fan. Vor einer Kreisliga-Partie ließ er sich ein neues Tattoo am Arm stechen – kein Grund für ihn, einen Spieltag lang auszusetzen. Um das neue Körperbild zu schützen und insbesondere die Haut zu schonen, benötigte er aber Frischhaltefolie. Da er diese zuhause vergessen hatte, musste ihm sein Assistent Tobias Glashauser eine Rolle beim Heimverein besorgen. Die verdutzten Blicke der Kiosk-Damen möge man sich nur vorstellen! Dass ihm beim Abgang vom Spielfeld ein Akteur lobend auf den Arm klopfte, war sicher nett gemeint – die Tränen in Hühmers Augen kamen aber nicht von der Rührung über das Lob, der Spieler hatte genau auf das frisch-gestochene Tattoo geschlagen.

• Von ungebetenem Besuch in der Kabine kann Markus Eglseder berichten. Der Deggendorfer Lehrwart war gemeinsam mit Florian Garr und Felix Grund aus der Gruppe Isar-Rott als Assistent in der Landesliga beim SB Chiemgau Traunstein unterwegs. In der hochmodernen Kabine packten die drei Referees aus und zogen sich fürs Spiel an. Als Felix Grund in seine Fußballschuhe schlüpfen wollte, merkte er, dass da noch irgendwas im Weg war. Als er sein Schuhwerk ausschüttelte, saß plötzlich ein Laubfrosch in der Kabine, der sich wohl im heimischen Keller einen warmen Zufluchtsort gesucht hatte. Fachmännisch wurde der Hüpfer mit Hilfe einer Müsliriegel-Verpackung dann in die Freiheit entlassen.

• Die Tücken moderner Technik mussten Jonas Daiser und Josef Kainer am diesjährigen Ostermontag erfahren. Die beiden waren als Assistenten bei Kenan Kero eingeteilt. Aufgrund der entgegengesetzt gelegenen Wohnorte wurde vereinbart, dass sich das Team direkt am Spielort trifft. Josef Kainer sollte dabei seinen noch nicht volljährigen Linienrichter-Kollegen zuhause abholen. Auf dem Weg leistete er noch einen Freundschaftsdienst und lieferte einen unbeteiligten Freund zuhause ab. Bei Daiser angekommen, stellte Josef Kainer dann entsetzt fest, dass die Reichweite seines E-Autos nicht mehr ausreichen würde und ein Ladevorgang notwendig war. Also war nochmal ein Umweg zu Kainers zuhause notwendig, um das Auto zu tauschen – die Linienrichter kamen dann mit etwa 45 Minuten Verspätung und erst eine halbe Stunde vor Spielbeginn an. Der eingeteilte Beobachter, Bezirksschiedsrichterobmann Robert Fischer, war darüber alles andere als erfreut…

• Alexander Scheingraber, Jörg Sailer und Markus Eglseder waren am 9. August 2008 bei der Kreisliga-Partie SV Mengkofen gegen den ASV Steinach eingesetzt. Die erste Halbzeit lief gut, nach der Halbzeitpause bezog das SR-Team wieder seine Position. Wie gewohnt suchte Referee Scheingraber noch einmal den Blickkontakt zu seinen Linesmen. Dabei machte er sich vergeblich auf die Suche nach Jörg Sailer, der nicht auf seinem Stammplatz angekommen war, obwohl er eben noch gemeinsam mit den beiden anderen den Mengkofener Berg zum grünen Rasen erklommen hatte. Nach kurzer Suche stellte er fest, dass Sailer sich genau in der falschen Spielfeldhälfte und damit gegenüber von Eglseder aufhielt. Tandem-Einsätze in ihrer frühen Form? Durch nonverbale Gesten versuchte der Referee, seinen Helfer an der Seitenlinie dahin zu lotsen, wo er hingehörte. Vergeblich. Sailer reckte mehrfach den Daumen nach oben und wartete auf den Anpfiff. Nachdem Alex Scheingraber quer über den Platz rief: „Jörg, du stehst auf der falschen Seite!“, konnte man ein vorher ungeahntes Sprintvermögen bei Sailer beobachten.

• Doch auch nach dem Spiel war für die drei noch nicht Schluss. Da die Teams nach den 90 Minuten jeweils einen Bus zum am Vortag begonnenen Gäuboden-Volksfest nach Straubing gechartert hatten, waren natürlich alle in Eile, schließlich musste der Dehydration entgegengewirkt werden. Dass die drei Unparteiischen noch in ihrer Kabine waren, blieb unbemerkt und die Tür wurde von außen verschlossen. Das fiel den drei Deggendorfern allerdings erst auf, als sich die Busse schon Richtung Straubing in Bewegung gesetzt hatten. Durch ein kleines, hochgelegenes Fenster erblickte Scheingraber, auf einem Stuhl stehend, glücklicherweise am benachbarten Tennisplatz zwei Spielerinnen, die er um Hilfe bat. Nach einigen Telefonaten hin und her kam dann die Erlösung und die Schiedsrichterkabine wurde wieder aufgesperrt. Insbesondere Markus Eglseder hat sich mittlerweile daran gewöhnt, eingeschlossen zu werden. Ihm ist das noch zwei weitere Male, immer bei der Spvgg Stephansposching, passiert. Einmal während der Halbzeitpause, einmal nach dem Spiel.

• Davon kann auch Walter Kammerer ein Lied singen: Mitte Februar ging es nach Dingolfing zu einem Vorbereitungsspiel. Aufgrund des Nebels war das Spielfeld nicht mal mehr zu überblicken – trotzdem wurde das Freundschaftsspiel über die Bühne gebracht. Vor lauter Nebel wurden dann aber wohl auch die Unparteiischen vergessen und blieben allein im großen Gebäude am Isar-Wald-Stadion zurück, mussten ihre Reise letztendlich ohne Spesen nach Hause antreten.

• In der Saison 2012/2013 waren Franz Hartmann vom FC Gergweis und seine Assistenten Matthias Braun und Walter Kammerer beim Bezirksliga-Duell in Hutthurm eingeteilt. Routiniert erledigten die Drei alle nötigen organisatorischen Anforderungen vor dem Spiel und pfiffen die Partie an. Erst als ein Stürmer von der Außenlinie in den Strafraum zog, fiel dem Gespann ihr Missgeschick auf: Die parallel zur Seitenauslinie verlaufende Strafraumlinie fehlte, es waren nur drei der vier Begrenzungslinien des Elferraums aufgestreut. Glücklicherweise bemerkte sonst niemand das Fehlen und es entstanden dadurch auch keine Probleme – nicht mal der eingeteilte Beobachter hatte etwas gesehen.

• Auch während des Spiels gibt es immer mal wieder lustige Begebenheiten. Daniel Linsmeier pfiff eine Landesliga-Partie bei der Spvgg Kirchdorf-Eppenschlag. Eine Auswechslung der Heimelf misslang völlig, Linsmeier übersah das Fahnenzeichen seines Assistenten Walter Kammerer. Er ließ das Spiel weiterlaufen. Stürmer samt Ball befanden sich bereits im Strafraum, Kammerer wartete mit dem einzuwechselnden Spieler auf Höhe der Mittellinie. Zum Glück passierte auch hier nichts und die Situation verlief glimpflich und ohne weitere Konsequenzen.

− red


Zum Thema:

Teil 1 – Leistungsschiri im Amateurfußball früher und heute: Was sich für die Unparteiischen geändert hat

Teil 2 – Wie sich die Ausbildung der Fußball-Schiedsrichter verändert (hat) – und warum es immer weniger gibt

Teil 3 – Martha Scheungraber und Katharina Schwitz: Wie zwei taffe Frauen eine Männerdomäne erleben – und verändern

Teil 4 – Obmann mit 24: Florian Steininger über Nachwuchssorgen, Profiverhalten, Anfeindungen – und warum er nie den Clasico pfeifen würde