„Musiklabor Pokrova“
Konzert zum ukrainischen Weihnachtsfeiertag am Samstag in Osterhofen

03.01.2023 | Stand 17.09.2023, 6:17 Uhr

Mit dem „Musiklabor Pokrova“ soll ukrainische Musik und Kultur gezeigt werden: In ähnlicher Besetzung wie in der Himmelfahrtskirche in Deggendorf werden ukrainische und deutsche Sänger und Musiker am Samstag in der Asambasilika auftreten. −Foto: Krümmel

Ein Konzert zum ukrainischen Weihnachtsfeiertag findet am Samstag, 7. Januar, in der Altenmarkter Asambasilika (Stadt Osterhofen) statt.

Sie nennen sich „Ukrainisches Musiklabor Pokrova“. Wobei man „Labor“ im Deutschen wohl auch mit „Projekt“ übersetzen könnte. Und es ist wahrlich ein ungewöhnliches Projekt, das Kultur, Politik und Religion umfasst: Am Samstag, 7. Januar, um 17 Uhr sind ukrainische und deutsche Sänger und Musiker in der Asambasilika zu hören.

Während für römisch-katholische Christen das Weihnachtsfest dann bereits zwei Wochen zurückliegt, wird es im orthodoxen Glauben erst am kommenden Wochenende gefeiert. 6. Januar ist Heiligabend, der 7. Januar der 1. Weihnachtsfeiertag. Deshalb haben die Musiker für ihren Auftritt ein Weihnachtsprogramm vorbereitet und sich dafür die größte Kirche ausgesucht: die Asambasilika.

„Eine große Berufung der Seele“

Projektleiterin ist Marina Zadera aus der Nähe von Kiew. Sie ist wie so viele Ukrainerinnen 2022 mit ihren drei Kindern, Mutter und Großvater geflüchtet. Die professionelle Chorleiterin und Absolventin des Konservatoriums gelangte mit Hilfe von Olessia Blashchuk, die seit fünf Jahren in Deggendorf lebt, ebenfalls hierher – und startet ihr Projekt.

„Die Idee, das ukrainische Pokrova-Musiklabor zu gründen, entstand aus einer großen Berufung der Seele: Liebe zur Ukraine und zur Musik“, schildert Marina Zadera. Dabei verfolgt sie gleichzeitig zwei Ziele: der leidenden Ukraine im Krieg zu helfen und die Deutschen auf die „unglaublich schöne und reiche Kultur der Ukraine“, vor allem die musikalische, aufmerksam zu machen. Gleichzeitig sei sie den Deutschen dankbar für all ihre Unterstützung.

Viele ukrainische Komponisten in Deutschland unbekannt

„Wir wollen zeigen, wer wir sind“, ergänzt Olessia Blashchuk.Ukrainische Kultur sei lange verboten gewesen. Viele ukrainische Komponisten seien zudem in Deutschland unbekannt oder würden fälschlich als russisch betrachtet. Kultur und gerade Musik sei für sie nicht selbstverständlich. Vermutlich gerade auch wegen des Krieges spielt sie eine große Rolle. Weil viele junge Frauen ihre Männer verloren haben, wollen die Musikerinnen in ihrer Heimat helfen. Neben Deggendorf ist das „Musiklabor Pokrova“ bereits in Kallmünz aufgetreten. Der dortige Erlös von mehr als 800 Euro wurde damals jungen Witwen übermittelt.

Auch das Weihnachtskonzert in der Asambasilika dient einem guten Zweck: In Charkiw, einer großen Stadt zwischen Kiew und Russland, die inzwischen stark zerstört ist, kennt Marina Zadera einen Priester. Er fährt mit seinem Auto direkt zu bedürftigen Leuten und wird den Erlös des Konzerts an diejenigen verteilen, die die Hilfe am meisten benötigen.

Kulturelle Heimat weiterleben lassen

Dabei ist das Leben auch für die beteiligten Musiker selbst nicht einfach. Olga Anpilogova zum Beispiel wird bei den sechststimmigen Liedern mitsingen. Die Musiklehrerin stammt aus Donezk, das bereits 2014 von Russland eingenommen wurde. 2015 floh sie nach Lwiw (ehemals Lemberg), baute sich ein neues Leben auf und arbeitete in einem Süßigkeiten-Betrieb. Vergangenes Jahr erfolgte die zweite Flucht, die sie mit Tochter und Mutter nach Deutschland führte.

Bis 2015 war sie nicht politisch aktiv, schildert die junge Ukrainerin. Doch als die Panzer neben ihrem Zuhause auffuhren, wurde Olga Anpilogova klar, dass die russischen Medien, die sie bis dahin geschaut hatte, lügen. „Es war ein Schock“, sagt sie, alles was bis dahin gegolten hatte, sei in Realität ganz anders. „Es ist nicht wahr, dass die russische Sprache verboten oder verfolgt war“, betont sie. Erst mit dem Krieg habe sie die ganze Ukraine für sich entdeckt und die Einheit, den Zusammenhalt erlebt. Auch sie ist sehr froh, dass mit dem Musikprojekt ihre kulturelle Heimat weiterleben kann.

Konzertprogramm mit beiden Kulturen

Die Musik ist ihre Heimat, das Projekt ist zudem politisch und religiös, erläutert die Osterhofenerin Bettina Krümmel, eine der beteiligten deutschen Musikerinnen und Sängerinnen. Projektleiterin Marina Zadera ist jedem Teilnehmer dankbar. Denn das Labor ist „ein Joint Venture von professionellen Musikern und talentierten Amateuren, die Musik lieben“, schildert sie: „Jeder von ihnen ist unglaublich und sehr wertvoll für mich, Ukrainer und Deutsche.“

Entsprechend setzt sich das Konzertprogramm aus beiden Kulturen zusammen. So werden viele, sehr alte ukrainische Weihnachtslieder in verschiedenen Bearbeitungen aufgeführt werden. Dazu kommen Lieder von Rheinberger oder die Bearbeitung eines Mozart-Klavierkonzerts für kleine Besetzung, aber auch klassische Kompositionen aus der Ukraine für Klarinette und Klavier. Mitwirkende sind Marina Zadera, Olga Anpilogova, Olessia Blashchuk, Viktoria Vlichinis (Klavier), Iryna Pravytska (als Solistin), Yurii Kharchevnikov (Gitarre und Gesang) sowie Prof. Dr. Stefan Götze, Sandro Pfeiffer, Bettina Krümmel, Stefan Denk, Ruth Gallenkamp und Ursula Zeitzler. Zudem werden vielleicht einige der ukrainischen Kinder auftreten und traditionelle Lieder singen.

Sie alle sind Teil des Projekts „Musiklabor Pokrova“, benannt nach dem orthodoxen Feiertag „Mariä Schutz und Fürbitte“. Dieser wird zwar am 1. Oktober begangen, doch auch das Weihnachtskonzert zum 7. Januar soll für Hoffnung auf Frieden sorgen und ein Stück Heimat in der Fremde geben.

− gs