Retten kann jeder
Expertin vom Lebenshof Reit gibt Tipps zur Aufzucht von Nestlingen

08.04.2023 | Stand 25.10.2023, 11:18 Uhr

Warmhalten ist das oberste Gebot: Ein etwa eine Woche alter Waldkauz in einem kuscheligen, aus einem Handtuch geformten Nest. Ihn hat Elvira Berger vor zwei Jahren gerettet. −Foto: Berger

Bei Elvira Berger im Lebenshof Reit bei Iggensbach (Lkrs. Deggendorf) geht es zu wie im Taubenschlag: Viele Leute bringen ihr verletzte Jungvögel oder fragen sie um Rat. Unserer Zeitung hat sie Expertin erklärt, wie man Nestlingen helfen kann.



Das könnte Sie auch interessieren: Nach Sendelücken: Wieder GPS-Daten der ausgewilderten Bartgeier im Nationalpark Berchtesgaden verfügbar

Elvira Berger, die eng mit dem Landesbund für Vogelschutz (LBV) zusammenarbeitet und ein Notruftelefon für verletzte Wildvögel im Landkreis betreibt, stellt klar: Jeder kann und sollte helfen.

Wer einen hilflosen Jungvogel findet, sollte sich erst einmal klarmachen, ob es sich um einen Nestling oder einen Ästling handelt. Nestlinge sind anfangs blind, können noch nicht auf ihren Füßen stehen und sind noch flugunfähig. Sie bleiben im Nest und sind stark auf die Fürsorge der Eltern angewiesen, bis sie flügge und bereit zum Trainieren der selbstständigen Nahrungsaufnahme sind. Der Ästling steht auf seinen Füßen, braucht dennoch noch die Unterstützung ihrer Eltern.

Menschlicher Geruch schreckt Elterntiere nicht ab



Unverletzte Ästlinge sollte man auf einen Baum oder Strauch setzten, rät Elvira Berger – auf alle Fälle erhöht, damit sie nicht leichte Beute für andere Tiere werden. Unversehrte Nestlinge kann man wieder ins Nest setzen, sofern das möglich ist. Vögel werden, anders als bei Wildtieren wie dem Reh, nach dem menschlichen Kontakt wieder von ihren Elterntieren aufgenommen und nicht von dem Geruch abgeschreckt. „Vögel haben einen sehr schlechten Geruchssinn“, erklärt Elvira Berger.

Ansonsten oder bei Verletzungen sollte man das Vögelchen mitnehmen und daheim pflegen, bis es in Freiheit entlassen werden kann. Elvira Berger steht mit ihrem Notruftelefon jederzeit bereit und gibt Anweisungen für die richtige Pflege. Oberstes Gebot ist es, die Tiere warmzuhalten. Gut eignen sich dazu Wärmflasche oder Heizkissen, in einen Eimer gelegt und als zweite Hülle einen kleinerer Eimer darauf, das Tier setzt man dann in ein aus einem Handtuch geformtes Nest.

Tiere müssen alle zwei Stunden gefüttert werden



Bei Verletzungen oder Krankheiten kümmert sich Elvira Berger um die Erstversorgung und gibt den Findern Medikamente mit. Auch die geeignete Nahrung bekommt man von ihr. Das zu kleinen Kügelchen geformte Fressen kann den Vögeln vorsichtig in den Schnabel gelegt, Wasser eingeträufelt werden. Die Tiere müssen alle zwei Stunden gefüttert werden – nur tagsüber, schränkt Elvira Berger ein. Und schon nach wenigen Tagen können die Tiere das Futter selbständig aufnehmen, können dann auch in einer Schachtel untergebracht werden. Sobald sie zu flattern beginnen, sollten sie in einer hohen Schachtel auf dem Balkon gestellt werden. Die Vögel verlassen die Schachtel von selber, unternehmen Flugversuche und immer weitere Ausflüge. Zunächst werden sie immer wieder zum Fressen zurückkehren, ehe sie vollständig wieder ausgewildert sind.

Der Erfolg gibt Elvira Berger recht. Zu 98 Prozent kommen die mit ihrer Hilfe betreuten Jungvögel durch. Im vergangenen Jahr waren es rund 100.

Greifvögel müssen in Auffangstationen



Greifvögel, die alle unter Artenschutz stehen, dürfen nicht privat aufgezogen werden. Um sie kümmern sich die Auffangstationen wie der Bergerhof. In der Regel erkenne auch der Laie sofort an der Körper- und Schnabelgröße, dass es sich um einen Greifvogel handelt, so Elvira Berger. Wer sich nicht sicher ist, kann ihr aber auch einfach ein Foto per Smartphone schicken.

Warum die Tiere aus dem Nest fallen, kann unterschiedliche Gründe haben. Nachzügler werden oft absichtlich aus dem Nest gestoßen, damit der Nachwuchs die Eltern zahlenmäßig nicht überfordert. Starker Wind kann sie aus dem Nest werfen. Oder wenn Tiere in Bruthöhlen bei Hitze ans Flugloch drängen, um sich abzukühlen, können sie die Altersgenossen in der Reihe hinausstoßen.

Noch ein weiterer Appell ist Elvira Berger wichtig, damit möglichst viele Jungvögel überleben. Man sollte von April bis November keine Meisenknödel füttern. Die Vogelbabys vertragen das Fett nicht und verenden.

− wet


Notruftelefon am Bergerhof Reit: 0160/98041647.