Zeitenwandel bei der letzten Ruhe
Immer weniger Grabsteine, mehr Lücken: Trend geht zur Urnenbestattung

Osterhofener Stadtrat passt Gebühren- und Nutzungssatzung für Friedhöfe an

08.12.2022 | Stand 17.09.2023, 21:13 Uhr

Die verwaisten Grabfelder auf dem Osterhofener Friedhof werden mehr und mehr. −Foto: hef

Umsonst ist nicht einmal der Tod. Spätestens wenn man sich mit dem Thema Beerdigung und Grabstätte auseinandersetzen muss, rückt diese Erkenntnis ins Bewusstsein. Auch für die Kommunen als Friedhofsträger werden die letzten Ruhestätten immer mehr zur finanziellen Belastung im Haushalt. Ein Grund: Die sich wandelnde Gesellschaft.

„Eigentlich müssten wir unsere Gebühren verdoppeln“, sagt Bernhard Vierthaler, als Leiter des Osterhofener Ordnungsamtes zuständig für die beiden städtischen Friedhöfe in Osterhofen und Altenmarkt. Kommunale Friedhöfe sollten sich selbst tragen. Das tun sie aber schon lange nicht mehr. Die Gebühren weiter zu erhöhen gehe nicht, sagt Vierthaler. „Das zahlt dann keiner mehr.“ Nach der Vorberatung im Haupt- und Kulturausschuss im November hat nun der Stadtrat in seiner gestrigen Sitzung die beiden Friedhöfe zu einer Einheit zusammengelegt. Einstimmig beschlossen wurde dazu eine einheitliche Neuerungs- und Gebührensatzung.

Die Bestattungskultur habe sich in den vergangenen Jahrzehnten massiv verändert, sagt Vierthaler. Von der Erdbestattung im klassischen Grab hin zu Feuerbestattung und Urnengrab. Die Zahlen bestätigen das. 98 Bestattungen hat es auf den beiden städtischen Friedhöfen 2021 gegeben. Davon 73 in Urnen. In diesem Jahr wurden bislang 68 Menschen beerdigt, hiervon 54 in einer Urne.

„Totengedenken hat nicht mehr den Stellenwert wie früher“

Die Gründe dafür sieht Vierthaler in einer veränderten Gesellschaft, denn: Früher war ein schönes Familiengrab mit eindrucksvollem Stein, am besten noch in exponierter Lage an der Friedhofsmauer oder einer der Hauptachsen, ein Muss. Ein Zeichen des Wohlstandes. Eine Frage von Prestige und Image. Natürlich auch ein Zeichen des Respekts und der Anerkennung gegenüber dem Verstorbenen. „Heute hat das Totengedenken nicht mehr den Stellenwert“, sagt Vierthaler.

Gräber sind zudem eine Kostenfrage. Heute mehr denn je. Denn natürlich sind Erdbestattungen teurer als Feuerbestattungen. Da ist zum einen die Beerdigung selbst, Bestatter, Sarg, Erdaushub, Grabstein und Grabgebühren. Letztere richten sich nach Größe und Lage der Ruhestätte. Ein Familiengrab kostet laut städtischer Gebührensatzung 96 Euro pro Jahr, an der Friedhofsmauer 116 Euro im Jahr. Diese sind für die Dauer der vorgeschriebenen Ruhefrist bei Erdbestattungen von 20 Jahren im Voraus zu entrichten. Heißt: Zu den individuellen Kosten für Trauerfeier, Grabstein und Bestatter kommen dann gut 2000 Euro Liegegebühr sowie 440 Euro für den Erdaushub (bei Kindern bis elf Jahren 330 Euro) und 250 Euro für die Nutzung des Leichenhauses hinzu. Vierthaler: „Das können und wollen sich heute viele nicht mehr leisten.“ Zudem käme ja auch noch der Pflegeaufwand hinzu, also nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Auch die können viele nicht mehr aufbringen, etwa weil sie gar nicht mehr am Ort oder im näheren Umkreis wohnen, also niemand da ist, der sich um das Grab kümmern könnte. Früher war die ganze Familie am Ort. Globalisierung und wachsende Mobilität machen sich eben auch auf Friedhöfen bemerkbar.

Grabpflege ist vorgeschrieben

Urnenbestattungen sind da wesentlich günstiger. Die Gebühren für ein Urnengrab in den Feldern beläuft sich auf 29 Euro pro Jahr. Das große, knapp 50 Zentimeter breite Urnengrab an der Wand kostet 70 Euro im Jahr, das kleinere, 23 Zentimeter breite 59 Euro. Jeweils mal zehn, da die Ruhefrist bei Feuerbestattungen nur bei zehn Jahren liegt. Lediglich für die Ablösung der Verschlussplatte an der Urnenwand wird eine Einmalzahlung in Höhe von 184 beim großen und 132 Euro beim kleinen Urnengrab fällig. Kosten für Grabpflege entfallen hier komplett.

Denn Grabpflege ist vorgeschrieben in der Benutzungssatzung. Wer sein Grab verwildern lässt, kann mit einer Geldstrafe belangt werden. Das stellt die Stadtverwaltung vor Herausforderungen. Wie übrigens oftmals auch das Ende der Ruhefrist bei einem Grab. „Wir schreiben die bei uns hinterlegten Auftraggeber dann an“, so Vierthaler. Das artet dann aber gerne in richtige Detektivarbeit aus. „In 20 Jahren kann viel passieren.“ Personen sterben, ziehen weg, manchmal sogar ins Ausland, sie heiraten und ändern den Namen. „Passiert das nicht in unserer Gemeinde, dann kriegen wir das gar nicht mit.“ Behördenübergreifende Zusammenarbeit über das ganze Land sei dann nötig, um den „Inhaber“ eines Grabes ausfindig zu machen. Etwa ein Jahr Zeit habe man beim Ordnungsamt, dann wird die Auflösung des Grabes angeordnet, wenn kein Ansprechpartner gefunden wird. Die Kosten dafür fallen der Stadtkasse zu Lasten. Und am Friedhof entsteht eine weitere Lücke.

Friedhofsbild wandelt sich massiv

Diese zu füllen ist schwierig. Ein neues Urnenfeld lohne sich erst bei mindestens drei aneinander gereihten Leerfeldern. Die gibt es aber noch nicht allzu oft. Findet sich kein neuer „Pächter“ für die Grabstelle, so bleibt sie brach liegen und der städtische Friedhofswärter kümmert sich, dass die Stelle sauber bleibt. So wie er sich auch zum Beispiel um das Unkraut auf den Gehwegen kümmert. „Das ist eine Sisyphusarbeit.“

Generell hat sich das Friedhofsbild in den letzten Jahrzehnten massiv gewandelt. Nicht nur durch die zunehmenden Feuerbestattungen. In Altenmarkt wurde zum Beispiel auch ein Grabfeld für Beerdigungen nach „anderem Ritus“, etwa dem muslimischen, geschaffen. Auch hier mache sich der Wandel der Gesellschaft bemerkbar. Was es ebenso gibt: eine anonyme Grabstelle. „Die wird öfter in Anspruch genommen, als man meinen möchte“, Heimbewohner etwa, die niemanden mehr haben, weiß Markus Vierthaler. Oder wenn sich Angehörige weigern, für die Bestattung des verstorbenen, „mit dem man nie etwas zu tun hatte“, aufzukommen. Dann gibt es die anonyme, konfessionslose Beerdigung, durchgeführt von einem Bestatter. Kostenpunkt: 300 Euro.