„Im Auftrag des Pharao – Sennedjem, Kunsthandwerker am Nil“
Auf ins Paradies! – Museum Quintana im Kreis Deggendorf beleuchtet ägyptischen Weg ins Jenseits

10.04.2023 | Stand 25.10.2023, 11:46 Uhr

Die Kunst in der rekonstruierten Grabkammer von Sennedjem erklärt Kurator Wolfgang Wettengel in Künzing. −Foto: Klaus Kloiber

Kunst und Handwerk, zwei untrennbare Brüder? Heute trifft das nur bedingt zu − im alten Ägypten vor rund 3000 Jahren war das noch anders. In enger Abstimmung arbeiteten Künstler und Handwerker zusammen. Viele von ihnen lebten in der Arbeitersiedlung Deir el-Medina abseits des fruchtbaren Niltals und gestalteten – gegen gutes Geld – die Gräber im Tal der Könige.

So auch Sennedjem, wohl ein Maurer oder Architekt, dessen Grabstätte aus der Mitte des 13. Jahrhunderts v. Chr. als Replik im Museum Quintana in Künzing im Landkreis Deggendorf begutachtet werden kann. Doch Sennedjems Grab ist nicht nur schön anzuschauen, es erzählt auch von der überirdischen Bedeutung der Kunst im alten Ägypten, gesellschaftlichen Umwälzungen und Maltechniken, die sich heute in Comics wiederfinden.

„Im Auftrag des Pharao“ heißt die neue Sonderausstellung – dabei entstand die Grabkammer des Sennedjem in Eigenregie. Der Kunsthandwerker verdiente zwar sein Geld mit Aufträgen für den Pharao, künstlerisch schuf er „aber auch für sich selbst“, erklärt der Kurator der Ausstellung, Ägyptologe Wolfgang Wettengel. Als Miniatur sind vor der Grabkammer drei Pyramiden – eine für jede Generation der Familie – zu sehen. In deren Untergeschoss liegen die Gräber. Das Symbol der Pyramide war lange Zeit Königen vorbehalten, Materialen wie der dort gefundene Papyrus sehr teuer. An dieser privaten Grabkammer kann Wettengel daher das Bröckeln der Privilegien der Oberschicht und einen „Demokratisierungsprozess“ der ägyptischen Gesellschaft ablesen.

Die neu gewonnene Freiheit der Kunsthandwerker abseits des Pharaos findet sich auch in der Kunst wieder. „Ohne Vorzeichnen, frei von der Leber weg“, beschreibt Wettengel das Vorgehen der Künstler. Das Ergebnis sind krumme Zeichnungen, „keine Linie ist gerade“. Weit weg also von der Perfektion einer Königsgrabstätte. Trotzdem erkennen auch Nicht-Ägyptologen den typischen Stil ägyptischer Kunst sofort: flächige Szenen mit kräftigen, leuchtenden Farben, dem Fehlen von Schattierungen und der einzigartigen teils seitlichen, teils frontalen Darstellung verschiedener Körperteile der Figuren. Umrahmt werden die Szenen von breiten schwarzen Linien; eigene Umrisszeichner gab es dafür laut Wettengel. „Heute kennt man das eher aus der Comic-Szene“, erklärt er.

In der Bildauswahl und -gestaltung waren Sennedjem ebenso wenig Grenzen gesetzt. Die Zeichnungen in seinem Grab zeigen neue Interpretationen des Todes-, Jenseits-, und Götterkults. Erzählt wird von Anubis in Schakalgestalt und dem Weg zum Sonnengott Ra, wo ein üppig blühendes Paradies wartet. Ein „Jenseitsführer“ klärt mit Szenen aus dem Totenbuch über die Tore der Unterwelt und den dort lauernden Schrecken auf. „Je mehr man weiß, desto sicherer geht man durch die Gefahren“, erklärt Wettengel. Kunst war im alten Ägypten damit kein Selbstzweck, sondern ermöglichte dem Toten erst ein Nachleben im Paradies. Noch weitreichender wurden Handwerk, Kunst und Seelenheil in der Menschheitsgeschichte wohl nur selten verwoben.

Klaus Kloiber


Bis 4. Oktober: „Im Auftrag des Pharao – Sennedjem, Kunsthandwerker am Nil“, Museum Quintana, Osterhofener Str. 2, Künzing, Öffnungszeiten Oktober bis April Di.-So. 10-16 Uhr, Mai bis September Di.-So. 10-17 Uhr, Info: www.museum-quintana.de