Bad Reichenhall
Extreme Trockenheit zeigt bei den Reichenhaller Bäumen erste Auswirkungen

Zahlreiche Fällungen und Pflegearbeiten im Stadtgebiet notwendig – Verstärkt Schäden bei Bauarbeiten angerichtet

27.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:34 Uhr

Bei der Besichtigung der Winterlinden am Unteren Lindenplatz (von rechts): Josef Stein, Kreisfachberater für Gartenbau und Landschaftspflege vom Landratsamt, Stadtgartenmeister Martin Haberlander, Umweltreferent Michael Nürbauer, Helmut Weichselmann vom Ordnungsamt, Michael Wittmann, Vorsitzender des örtlichen Bund Naturschutz sowie dessen Vorgängerin Ute Billmeier. −Foto: Stadt Bad Reichenhall

Wegen des anfangs milden Winterwetters hat die Bad Reichenhaller Stadtgärtnerei mit den alljährlich erforderlichen Baumfällarbeiten heuer bereits Anfang des Jahres begonnen. Das teilt die Pressestelle aus dem Rathaus mit. Wie berichtet, waren kürzlich an der Innsbrucker Straße bereits kranke Pappeln gefällt worden. Bevor die Säge angesetzt werden muss, werden die Bäume von den Stadtgärtnern genau beobachtet und überprüft.

Im Vorfeld wurden laut Auskunft der Stadtverwaltung das Ordnungsamt, der Umweltreferent im Stadtrat Michael Nürbauer sowie der Bund Naturschutz durch das detaillierte Baumprogramm 2023 über die geplanten Maßnahmen informiert. Nach einer zweijährigen coronabedingten Pause konnte schließlich auch wieder die bewährte gemeinsame Informationsrundfahrt stattfinden. Mit dabei war diesmal auch Josef Stein, der Kreisfachberater für Gartenbau und Landschaftspflege vom Landratsamt Berchtesgadener Land.

Bäume haben Stress mit den Wetterkapriolen

Ein großes Thema bei der diesjährigen Baumschau waren die noch nicht absehbaren Folgen des vergangenen Jahres, das geprägt war von extremer Trockenheit. „Die Auswirkungen werden sich in vollem Ausmaß erst in den Folgejahren zeigen, aber bereits jetzt ist festzustellen, dass insbesondere bei Straßenbäumen, die schlechte Standorte haben, Vitalitätsschäden ausgelöst worden sind“, erklärt Stadtgartenmeister Martin Haberlander.

Der erhöhte Stress für die Bäume beeinträchtige deren Widerstandskraft und mache sie weniger resistent gegen Krankheiten. Durch die erforderlichen Fällungen von Straßenbäumen leide insbesondere der Charakter von Alleebeständen, denn die Bäume können nicht immer am selben Standort ersetzt werden. Kriterien sind laut Haberlander unter anderem die Größe des Baumkastens, der Verlauf der Versorgungsleitungen sowie das Baumumfeld. „Käme es beispielsweise zu einer Baumkonkurrenz, weil Nachbarbäume im direkten Baumumfeld stehen, wird ein anderer Standort für die Nachpflanzung gewählt“, erklärt Haberlander.

Auf der Suche nach geeigneten Standorten für Nachpflanzungen

So seien im vergangenen Jahr die Nachpflanzung dreier Winterlinden am Unteren Lindenplatz sowie die Ersatzpflanzung von 21 Bäumen (Ahorn, Erle, Fichte, Linde, Lärche, Buche) am Naturkindergarten Marzoll direkt vor Ort möglich gewesen. „Weitere Nachpflanzungen werden folgen, sobald geeignete Standorte gefunden werden, die das Gedeihen der Bäume sicherstellen.“

Hierin sieht Haberlander die größte Herausforderung der Reichenhaller Stadtgärtner für die Zukunft. Denn nicht überall seien die Standorte so ideal wie an der Grünfläche an der Innsbrucker Straße neben der Stadtmauer, wo man große durchwurzelbare Flächen habe, sodass die fünf italienischen Säulenpappeln, die kürzlich aus Sicherheitsgründen gefällt werden mussten, eins zu eins ersetzt werden können.

Dagegen seien insbesondere die größeren Fällmaßnahmen in der Goethestraße, wo sieben Schwedische Meelbeeren entlang der Baumallee einen Pilzbefall beziehungsweise Stammschaden aufweisen, sowie an der Kurfürstenstraße, wo vier Tulpenbäume einen massiven Belagaufbruch verursacht haben, einer falschen Standortwahl geschuldet. „Rückblickend kann man sagen, dass die verwendeten Baumarten nicht geeignet waren.

Zu kleine Baumgruben erschweren Wachstum

Ihr Wachstum wurde zudem erschwert, weil sie in viel zu kleinen Baumgruben von teilweise nur 1,5 Quadratmetern gepflanzt wurden“, konstatiert Haberlander und kommt zu dem Schluss: „Nicht die Anzahl der Bäume zählt, sondern deren zukunftsfähigen Standorte.“

Diese sollen laut Stadt künftig insbesondere auf Wiesen- und Waldflächen gefunden werden. Bei der Verwendbarkeit von so genannten Klimabäumen sei das Augenmerk zudem nicht auf Monokulturen gerichtet, sondern auf Artenvielfalt. „Hier muss man streuen wie bei einem Aktienpaket“, beschreibt Haberlander die Strategie der Stadtgärtner.

Neben den notwendigen Fällungen sind für die kommenden Monate auch wieder Bestandspflegemaßnahmen in Flächenbeständen geplant, die insbesondere durchgeführt werden, um Zukunftsbäume zu fördern. Dabei werden zu eng stehende Bäume entfernt, damit sich die übrigen besser entwickeln können. Diese Bestandspflege mit Jungbaumförderung betreffen insbesondere den überwiegend aus Eschen bestehenden waldähnlichen Bestand am Schlossberg Marzoll sowie den überwiegend aus Ahorn, Buchen und Eschen bestehenden Bestand am Hang oberhalb des Friedhofs St. Zeno.

Zudem werden im Januar und Februar umfassende Baumpflegemaßnahmen ausgeführt, insbesondere an den Bäumen in der Luitpoldstraße, der Goethestraße, am Unteren Lindenplatz, der Salinenstraße und an der Münchner Allee.

Aufklärungsarbeit bei Firmen leisten

Ein weiteres wichtiges Ziel sei, Baumschäden durch Bauarbeiten zu vermeiden. „In den vergangenen Jahren waren im Reichenhaller Stadtgebiet verstärkt Baumaßnahmen festzustellen, es wurden viele Straßen aufgerissen, um Versorgungsleitungen zu verlegen oder das Glasfaser- und Fernwärmenetz auszubauen. Das bedeutet immer auch Stress für die Bäume“, so Haberlander.

Ziel sei es hier, bei den ausführenden Firmen verstärkt Aufklärungsarbeit zu leisten, zu sensibilisieren und die Maßnahmen fachlich zu begleiten und zu unterstützen, damit diese behutsam vorgehen und die Bäume so geringen Schaden wie möglich nehmen. „Mit einheimischen Firmen wie der Reichenhaller Stadtwerke funktioniert die Zusammenarbeit sehr gut, Probleme gibt es allerdings immer wieder mit Fremdfirmen, die ständig wechseln. Das ist ein Riesenthema.“ Mit Sorgfalt vorzugehen und im Vorfeld über die Folgen aufzuklären, sei dabei für den Erhalt des städtischen Baumbestands unabdingbar.

Zum Abschluss der Rundfahrt bedankte sich Haberlander bei allen Beteiligten für ihr Interesse und die gute, über viele Jahre gewachsene Zusammenarbeit. Er wünschte sich dies von allen Seiten, bevor es zu Fehleinschätzungen komme: „Besonders in den Sozialen Medien herrscht hier häufig Desinformation. Uns ist es sehr wichtig, Akzeptanz und Verständnis zu schaffen und wir sind für Nachfragen aus der Bevölkerung immer offen.“

− red



Baumprogramm 2023

Detaillierte Informationen über Art und Umfang der Baumarbeiten und Baumpflegemaßnahmen, die genauen Lagepläne, die einzelnen Ursachen der Schädigungen, die abgeschlossenen Ersatz- beziehungsweise Neupflanzungen sowie die weitere Entwicklung können laufend aktualisiert dem „Baumprogramm 2023“ auf der Internetseite der Stadt Bad Reichenhall entnommen werden.

Die notwendigen Baumfällungen müssen bis zum 1. März aufgrund der beginnenden Vogelschutzzeit abgeschlossen sein, die bis zum 30. September andauert und insbesondere dem Schutz der Brutstätten dient.

Eschentriebsterben und Platanenkrankheit



Ein weiteres großes Thema bei der diesjährigen Baumschau war wie in den vergangenen Jahren das Eschentriebsterben und dessen Auswirkungen. Besonders betroffen sind die waldähnlichen Bestände an den Heimgärten an der Nonner Straße, an der Marzoller Eisstockhütte und an der Mühlenstraße, wo jeweils bis zu circa zehn Eschen gefällt werden müssen. Auch am Thumsee müssen circa 20 Bäume, überwiegend Eschen, gefällt werden.

Stadtgartenmeister Martin Haberlander informierte in diesem Zusammenhang über die Platanenkrankheit „Massaria“, hervorgerufen durch einen Schlauchpilz. Der wurde erstmals 2003 in Süddeutschland nachgewiesen und verbreitet sich zunehmend. Nach Ulmen-, Eschentrieb- und Buchsbaumsterben erreichte im vergangenen Jahr nun auch dieser Pilz, der ausschließlich Platanen befällt, die Stadt.

„Für Menschen stellt der Pilz kein direktes Gesundheitsrisiko dar. Die Platane wird jedoch bei einem Befall stark geschwächt. Es kommt zu einer raschen Totholzbildung in der Krone. Die betroffenen Äste trocknen innerhalb sehr kurzer Zeit ab und fallen zu Boden“, klärt Haberlander auf. Für die Stadt bestehe Handlungsbedarf: Einerseits muss das Totholz entfernt werden, um das Sicherheitsrisiko durch herabfallende Äste einzudämmen. Andererseits müssen befallene Bäume entdeckt und gepflegt werden, um eine Ausbreitung der Infektion zu vermeiden.

„Sobald ein Massaria-Befall festgestellt wird, muss das Kontrollintervall aufgrund der Verkehrssicherungspflicht verkürzt werden“, informiert der Stadtgartenmeister. In der Staufenbrücke wurde bereits ein Befall der Platanen am Dorfanger festgestellt, weitere Verdachtsfälle befänden sich bislang an der Münchner Allee sowie an der Salinenstraße. Doch eine Diagnose ist vom Boden aus mit bloßem Auge nur schwer möglich. „Nähere Erkenntnisse werden wir nach Abschluss der Baumpflegemaßnahmen haben“, erklärt Haberlander. „Durch die starke Totholzbildung werden möglicherweise starke Rückschnitte im Kronenbereich notwendig, die das Erscheinungsbild gestört wirken lassen können. Es handelt sich hierbei nicht um absichtliche Baumverstümmelungen“, betont der Stadtgartenmeister. Gleichzeitig gibt er aber Entwarnung: „Derzeit ist die Ausbreitung dieser Krankheit im Reichenhaller Stadtgebiet noch überschaubar. Wenn man geeignete Maßnahmen trifft, ist es durchaus möglich, die Auswirkungen zu minimieren und die Schäden einzugrenzen. Gespannt sind wir allerdings, wie sich das trockene Jahr 2022 in den Folgejahren noch auswirken wird“, so Haberlander.

− red