Zank um Bundesgelder für Flüchtlinge
Auch in den Kommunen des Berchtesgadener Lands kommt nichts an

20.04.2023 | Stand 25.10.2023, 11:38 Uhr

Es sind nicht nur Unterkünfte, sondern auch Schul- und Kitaplätze werden für Flüchtlingskinder benötigt. A −Foto: Archiv Anton

„Seltsam“ fand Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Forderungen der Kommunen nach mehr Geld für Flüchtlinge. Die Aussage der SPD-Politikerin sorgte am Dienstag im Kreisausschuss für eine kurze, aber heftige Auseinandersetzung zwischen Grünen-Kreisrätin Elisabeth Hagenauer und CSU-Kreisrat Dr. Christoph Lung.

Wer ist Schuld, dass kein Geld bei den Kommunen ankommt, Bund oder Land, sprich: Freistaat Bayern? Tatsächlich spielt ein FDP-geführte Ministerium eine Rolle. Ein Sprecher von Finanzminister Christian Lindner wies gegenüber Medien auf fehlende Rechtsgrundlagen für die Auszahlung der Mittel hin.

Faeser hatte Anfang April nach Kritik aus den Kommunen unter anderem auf Bundesmittel in Höhe von 4,4 Milliarden Euro im vergangenen Jahr verwiesen. Zusätzlich seien 2,7 Milliarden Euro für dieses Jahr auf den Weg gebracht worden, äußerte sie Unverständnis darüber, dass die Städte und Gemeinden nun schon lange vor Ende des Jahres klagten, das Geld reiche nicht.

Fakt ist: Von dem Geld ist bislang nichts bei den Kommunen angekommen. Das teilten das Bundesfinanzministerium und der Deutsche Landkreistag dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) am Mittwoch mit. Sie bestätigen die Aussagen von Landrat Bernhard Kern und Reichenhalls Oberbürgermeister Lung im Kreisausschuss.

Landkreis erfüllt seine Quote über 100 Prozent

Wie zuletzt immer, gab der Landrat im Anschluss an die öffentliche Tagesordnung einen Wasserstandsbericht zu den Flüchtlingszahlen. Demnach waren mit Stand Dienstag im Berchtesgadener Land insgesamt 2612 Flüchtlinge untergebracht, 1484 ukrainische Kriegsflüchtlinge und 1128 Asylbewerber. Zum Vergleich: Am 28. März waren es 2511 Geflüchtete, 1477 ukrainische Kriegsflüchtlinge und 1034 Asylbewerber.

Aktuell erfüllt der Landkreis seine Quote zu knapp 104 Prozent. „Wir sind Übererfüller. Und ich werde nicht müde, darauf hinzuweisen, dass wir Übererfüller sind, solange es in Oberbayern Landkreise gibt mit einer acht vor der Zahl, die also Untererfüller sind“, sagte Kern. Kleiner Erfolg zunächst: Es gibt keine Zuweisung in diesem Monat mehr.

Kern: Probleme „zwingen uns in die Knie“

Für den 3. Mai sind allerdings wieder 50 Menschen aus der Ukraine angekündigt. Für Kern bleibt die Lage deshalb prekär. Die damit verbundenen Probleme mit Unterbringung, Schul- und Kitaplätzen „zwingen uns in die Knie“. Die Situation sei im übrigen zwischen Flensburg und dem Berchtesgadener Land gleich, hat er auf dem Kommunalgipfel in Berlin erfahren.

„Befremdend“ fand Christoph Lung Faesers Aussagen, nach dem Motto: „Kommunen, was wollt ihr denn...“. Null Euro habe die Kurstadt bekommen, gerade einmal 82000 Euro habe es für Integrationskurse an der Volkshochschule gegeben. „Das sind völlig unterschiedliche Lebenswelten“, warf der Kreisrat unausgesprochen, aber unüberhörbar der Bundespolitikerin Abgehobenheit vor. „Ich habe auch nichts gefunden, da ist nichts gekommen, nur Geld, das die Länder für die Unterkünfte ausgeben“, pflichtete ihm der Landrat bei.

Länder und Kommunen strecken das Geld vor

79 Millionen Euro müssten vom Bund an den Freistaat überwiesen worden sein, meinte Kreisrätin und stellvertretende Landrätin Elisabeth Hagenauer. Andere Bundesländer reichten dies an die Kommunen durch, in Bayern ginge das nach ihren Informationen nicht, weil dazu das Sozialgesetzbuch geändert werden müsse.

Das Geld stecke im Freistaat fest; in den Kommunen, egal welcher Bürgermeister, sei nichts angekommen, wiederholte Kern. Er hat demnach nicht nur im eigenen Haushalt stöbern lassen, sondern auch bei den Bürgermeistern nachgefragt.

„Na, dann liegt es doch am Freistaat“, folgerte Hagenauer und brachte damit Lung spürbar auf die Palme. „Ist doch egal, wo es liegt – es ist nicht da“, konterte er mit deutlich erhobener Stimme.

Aufklärung brachte Mittwochfrüh eine Recherche des RND, das mehr als 60 Tageszeitungen bundesweit mit Nachrichten beliefert und auf ähnliche Medienberichte mit eine Anfrage an das Bundesfinanzministerium reagiert hat. Und tatsächlich ist das Geld noch nicht ausbezahlt worden.

Nordrhein-Westfalen versorgt Kommunen mittels Sondervermögen

Die Mittel sollen aus einer Umsatzsteuerverteilung bereitgestellt werden, doch die gesetzliche Grundlage hierfür werde auf Bundesebene erst im Verlauf des Jahres geschaffen, heißt es demnach aus dem Hause Lindner. Zudem müsse auch auf Länderebene ein rechtlicher Rahmen vereinbart werden, um die Verteilung des Geldes auf die Kommunen zu organisieren. Die Gespräche für diese Grundlagen liefen in den meisten Ländern.

Eine RND-Umfrage unter den Innenministerien aller Bundesländer bestätigte dies. Aus Nordrhein-Westfalen hieß es zum Beispiel, dass das Land die Kommunen vorerst mit Landesmitteln aus einem Sondervermögen unterstütze. Diese Zahlungen könnten sich die Landesregierungen vom Bund erstatten lassen.