„Wir sind keine Schokoladenfabrik“
Eindringling bis Blackout: Notfallmanager im Gendorfer Chemiepark bereitet sich vor

03.01.2023 | Stand 17.09.2023, 6:21 Uhr

Der Stabsraum im Gebäude der Werksfeuerwehr ist der Arbeitsplatz von Christian Gumpendobler. Seit einem Jahr ist der 36-Jährige als Notfallmanager im Chemiepark angestellt. −Foto: Nöbauer

„Alles, was ich mache und womit ich mich den ganzen Tag beschäftige, sind Dinge, die hoffentlich nie passieren“, sagt Christian Gumpendobler. Der 36-Jährige ist Notfallmanager im Gendorfer Chemiepark (Landkreis Altötting).



Der Bäcker bäckt Brot und Brezen und verkauft sie an seine Kunden. Der Arzt kümmert sich um seine Patienten, verschreibt gegebenenfalls Medikamente, damit es ihnen schon bald wieder besser geht. Und Christian Gumpendobler? „Alles, was ich mache und womit ich mich den ganzen Tag beschäftige, sind Dinge, die hoffentlich nie passieren.“ Der 36-Jährige ist Notfallmanager im Gendorfer Chemiepark, sein Spektrum breit: vom möglichen Eindringling bis zum atomaren Schlag. Doch er könnte sich keinen schöneren Job vorstellen.

„Fire Safety Management“ studiert



Welche Schiene er einmal beruflich einschlagen möchte, das war dem Simbacher (Landkreis Rottal-Inn) schon früh klar: über die Wasserwacht ging es in jungen Jahren zum Roten Kreuz und schließlich über Freunde zur Feuerwehr. „Was Letzteres angeht, bin ich aber ein Spätzünder, nicht der typische Grisu-Junge“, sagt Gumpendobler mit Verweis auf den Feuerwehr-Drachen und lacht.

Und dennoch verschlägt es ihn Ende der 2000er Jahre zur Werkfeuerwehr der Wacker-Chemie in Burghausen. „13 Jahre war ich da“, bis in den gehobenen Dienst hat er es geschafft, nebenbei berufsbegleitend „Fire Safety Management“ studiert. Dann hat sich 2021 eine Stelle in Burgkirchen aufgetan, die, so wie er sagt, es in der Form in keinem anderen Chemiepark ringsum gibt: die des Notfallmanagers. „Ich habe schon lange überlegt, aber ich wollte Führungsverantwortung übernehmen.“ Und seine beiden kleinen Kinder sind auch froh, wenn der Papa abends nach Hause kommt und nicht immer wieder auf Schicht ist. „Ich habe die Chance ergriffen.“
Und es bis heute, etwa ein Jahr später, auch nicht bereut, denn: Ganz ohne ist die Aufgabe keineswegs. Führungsverantwortung gehört mehr als dazu. Wenn auch in einer etwas anderen Form als zuletzt bei der Feuerwehr, denn im operativen Geschäft ist Christian Gumpendobler nicht mehr dabei. Wie es die Bezeichnung schon sagt, ist es seine Aufgabe, auf alle erdenklichen Notfallsituationen vorbereitet zu sein, einen Plan in der Schublade zu haben und diesen dann zusammen mit vielen verschiedenen Stellen innerhalb und außerhalb des Werks umzusetzen. Ganz viel läuft da über Schnittstellen, sagt Gumpendobler, umso wichtiger ist es, dass man alle handelnden Köpfe kennt und gut netzwerkt. „Das macht vieles einfacher.“

„Wir sind keine Schokoladenfabrik“


Mindestens genauso wichtig sei es dem Simbacher aber auch, transparent aufzutreten. „Wir sind keine Schokoladenfabrik. Wo Menschen arbeiten, da passiert auch was.“ Und dann sollen alle auch Bescheid wissen, wenn es gefährlich werden könnte. Gumpendobler weiß aber auch aus Erfahrung: „Wir haben hier ein sehr hohes Sicherheitsniveau. Wir müssen nur zusehen, die guten Strukturen auch ins digitale Zeitalter zu bringen.“ Dabei müsse man alle Kollegen mitnehmen.
Schließlich lauern in der heutigen Zeit genug Gefahren. Das können auf den ersten Blick scheinbar lapidare Angelegenheiten sein, wenn im Werk plötzlich ein ungebetener Gast auftritt, dieser aber möglicherweise ein Spion oder Saboteur sein könnte. Doch der 36-Jährige muss sich auch mit Szenarien auseinandersetzen, was im Falle eines Cyberangriffs, Atomschlags oder eines Blackouts zu tun ist. „Im letzteren Fall haben wir zum Beispiel auf der Feuerwache Notstrom für eine Woche. Die Produktionsanlagen fahren in den sicheren Zustand.“ Doch auch hier gilt es, ganz simple Sachen zu beachten: Wie kontrolliere ich den Einlass, wenn die Drehkreuze und Schranken nicht funktionieren? Habe ich überhaupt genug Leute, weil sich doch die allermeisten erst einmal zu Hause um die eigene Familie kümmern möchten, als dass sie gleich ins Werk sausen. Solche Situationen zu managen, liegt in der Hand von Christian Gumpendobler.

Genauso kreisen seine Gedanken darum, ob der Chemiepark ein Ziel sein könnte, wenn sich der Krieg möglicherweise ausweitet. „Da gab es den Auftrag der Geschäftsleitung, entsprechende Szenarien zu bewerten.“ Und diese beinhalten nicht nur beeinträchtigte Lieferketten. „Das Ganze haben wir schon viel weiter gesponnen.“ Christian Gumpendobler sieht sich nämlich als „Anstoßer“. Bedeutet: „Wir geben die Impulse mit den Szenarien, doch hinter uns stehen ganz schön viele Einrichtungen, zum Beispiel die Feuerwehr, der Werkschutz oder auch die Kommunikation.“ Am Ende obliegt es allerdings ihm, alle zur rechten Zeit am rechten Ort zu haben. Managen eben.