Zu wenig Förderung?
Erfolgsgründer empfiehlt Start-Ups Kooperationen

24.08.2023 | Stand 24.08.2023, 14:26 Uhr

Sind guter Dinge: Die Gründer Robin Renschler (rechts) und Magnus Liedtke haben Hoscom, ein Start Up aus der Hotelerie gegründet. −Foto: Hoscom

Start-Ups gelten als Motor der Wirtschaft. Wenn man auf die nackten Zahlen schaut, ist die jüngste Entwicklung in Deutschland positiv: Im ersten Halbjahr 2023 stieg die Zahl der Neugründungen um 16 Prozent gemessen am zweiten Halbjahr 2022 auf knapp 1300. Zur Wahrheit gehört aber auch: Das Vorjahr war ein absolutes Krisenjahr, die Steigerung ist also mit Vorsicht zu genießen. Außerdem siedeln sich die meisten Start-Ups in Metropolen – vor allem in München und Berlin – an. Von einem generellen Boom in Deutschland kann man also nicht sprechen.

Lesen Sie dazu auch: Regionales Start-up klagt über Förderprobleme: Ist Deutschland kein Land für Gründer?

Auch die Gründer von Hoscom, ein Start-Up aus der Hotelerie, haben für den Firmensitz nicht die eigene Heimat – den Landkreis Altötting – gewählt, sondern die Landeshauptstadt. Dort hat Co-Gründer Robin Renschler fünf Jahre im Luxushotel „The Charles“ gearbeitet. Gemeinsam mit Magnus Liedtke arbeitet er daran, Vorgänge, die bisher nur mit Hilfe von Zetteln in Hotels bewerkstelligt wurden – zum Beispiel die Meldung von kaputten Gegenständen – zu digitalisieren. Und das mit durchschlagendem Erfolg: Wie berichtet, sicherten sich die beiden unter anderem den Gründungspreis des Bundeswirtschaftsministeriums, der mit eine Förderung in Höhe von 32000 Euro einherging.

Damit befinden sich die beiden Burghauser in einer komfortablen Lage. Denn viele andere Start-Ups klagten zuletzt über zunehmende Schwierigkeiten, sich frisches Kapital zu besorgen. In allen Phasen seien die Finanzierungsrunden für Start-Ups schwieriger geworden, sagt auch Baystartup-Chef Carsten Rudolph. Die Anforderungen der Investoren seien massiv gestiegen und hätten sich in eine noch frühere Unternehmensphase verschoben. „Mittlerweile ist es so, dass Investoren schon nach der ersten Finanzierungsrunde fragen, wie viel Umsatz ein Start-up macht“, sagt Rudolph. „Und wenn es dann in den letzten eineinhalb Jahre nur ein paar tausend Euro Umsatz waren, lautet die Antwort: Komm mal wieder, wenn du 200000 Euro Umsatz hast.“

Kritik an überbordender Bürokratie

Das Netzwerk bringt Start-Ups mit Investoren zusammen, getragen wird es von zwei Fördervereinen. Das Bayerische Wirtschaftsministerium unterstützt dabei. Einige der in der Gründungsphase von Baystartup begleiteten Unternehmen sind mittlerweile groß und erfolgreich, darunter Flixbus, das mittlerweile sogar in den USA unterwegs ist und dort die bekannte Greyhound-Flotte übernommen hat.

Neidisch nach Übersee blicken auch viele Start-Ups, die noch in den Kinderschuhen stecken. „Bei Wagniskapital haben wir im Vergleich zu den USA ein riesiges Defizit“, sagt Christoph Stresing, Geschäftsführer beim Bundesverband Deutsche Start-Ups. Hierzulande werden pro Kopf und Jahr 135 Euro an Risikokapital finanziert – das ist deutlich weniger als in den USA (691 Euro), Großbritannien (438), Frankreich (223) und den Niederlanden (206). Dazu stammen nur 24 Prozent des in Deutschland investierten Wagniskapitals von nationalen Investoren, der Rest kommt aus dem Ausland. In den USA sind 63 Prozent einheimische Investitionen, in Frankreich 47 Prozent.

Klaus-Heiner Röhl, Start-Up-Experte beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sieht außerdem in der Bürokratie hierzulande ein großes Problem. „In anderen Ländern kann man online ein Unternehmen gründen, das geht in Deutschland immer noch nicht. Hierzulande muss man erst viele verschiedene Behörden anlaufen.“ Auch nach der Gründung gebe es zu viel Papierkram zu erledigen.

Dazu kommt: In den USA gebe es eine „Kultur der zweiten Chance“, erklärt Röhl: „In den USA wird man weiter gefördert, auch wenn man einmal gescheitert ist. Das gehört einfach dazu. In Deutschland ist das Scheitern ein Todesurteil.“ Auch Stresing meint: „Bei der Mentalität, auch mal ins Risiko zu gehen, haben wir noch Nachholbedarf – gesellschaftlich und politisch. Wir denken zu oft in Risiken und nicht in Chancen.“ Denn selbst wenn die Geschäftsidee gut ist, heißt es nicht, dass man auch automatisch Geld bekommt: „Eine gute Geschäftsidee reicht bei den Banken nicht als Sicherheit, es braucht auch Eigenkapital“, bestätigt er – nimmt die Geldhäuser aber auch gleichzeitig in Schutz: Eine Bank könne nicht nur in Ideen investieren.

Erfolgsgründer Funck empfiehlt Kooperationen

Doch nicht nur die Banken wollen Eigenkapital sehen – auch viele staatliche Förderprogramme, wissen die Hoscom-Gründer. „Bei den meisten Förderprogrammen ist es so, dass man rund 50 Prozent bezuschusst bekommt, das heißt die andere Hälfte muss aus Eigenmitteln der Firma gestemmt werden, teilweise auch vorab“, so Renschler. „Wenn man wenig(er) Kapital hat, dann kann man das nicht richtig nutzen oder auch nicht komplett ausschöpfen. Es hilft natürlich, aber hier ist noch Potenzial.“

Grundsätzlich mit der Förderlandschaft im Freistaat zufrieden ist hingegen der erfolgreiche Gründer Max Funck vom Start-Up Plastformance aus Teisendorf (Berchtesgadener Land): Beispielhaft nennt er neben Baystartup auch Bayern Kapital und UnternehmerTUM, das Start-Up-Netzwerk der Technischen Universität München.

Und was das zu Beginn fehlende Kapital angeht, da hat Funck einen Tipp: „Start-Ups ziehen die meiste Kraft und Attraktivität von Investoren aus echten Umsätzen mit echten Kunden. Für große Firmen und Start-Ups kann es ein riesiger Win-Win sein, frühzeitig zusammenzuarbeiten.“ Diese Art der Zusammenarbeit nennt man „Venture-Clienting“. „Wenn wir es schaffen, diese Mentalität weiter zu fördern, haben alle etwas davon.“ Funck weiß, wovon er spricht: Plastformance konnte jüngst mehrere Millionen Euro Investitionen von Staat und Privatwirtschaft vermelden (wir berichteten).

Ein Erfolg, an den die Hoscom-Gründer noch arbeiten – aber auch sie können mittlerweile auf mehrere Meilensteine zurückblicken: Neben dem Gründungspreis sicherten sie sich mittlerweile zwei weitere Förderungen aus Bundes- und eine Förderung aus Landesmitteln. Und wie schaut‘s aus mit Investitionen von privaten Kapitalgebern, sogenannten „Business Angels“? Renschler: „Aus meiner Sicht investieren auch Wagniskapitalgeber weiterhin in vielversprechende skalierbare Geschäftsmodelle, nur eben nicht mehr zu den astronomischen Firmenbewertungen wie die letzten Jahre. Wir sind auf jeden Fall guter Dinge.“

− dpa