Profi-Boxen
Florian Wildenhof kämpft auch für toten Freund – Altöttinger verliert in Hamburg gegen Sebastian Formella durch technischen K.o.

05.05.2023 | Stand 16.09.2023, 22:37 Uhr

Die Linke von Sebastian Formella schlägt in dieser Szene im Gesicht von Florian Wildenhof (rechts) ein. Der Altöttinger verlor seinen 41. Kampf als Box-Profi in Hamburg gegen den Lokalmatador per technischem K.o., plant aber bereits den nächsten Einsatz. −Foto: imago images

Lange war es still um Florian Wildenhof, nun ist der Boxer aus Altötting nach über eineinhalb Jahren Pause, einer „psychisch schwierigen Zeit“, wieder in den Ring gestiegen – und hat in Hamburg durch technischen K.o verloren. Es war seine neunte Niederlage (vierte durch K.o.) in seinem 41. Auftritt als Profi.

In der mit rund 1500 Zuschauern ausverkauften Szene-Disco „Große Freiheit 36“, wo Wildenhof am 3. Oktober 2021 bei seinem letzten Kampf per technischem K.o. gegen Martin Friesse den 31. Sieg seiner langen Karriere gefeiert hatte, stellte er sich diesmal bei einem Event des Hamburger Veranstalters Thomas Nissen (Boxen im Norden) dem „Local Hero” Sebastian Formella.

„Hafen-Basti“ setzt diemeisten Akzente

Der 35 Jahre alte „Hafen-Basti“, der von seinem Publikum frenetisch angefeuert wurde, trat nach Niederlagen in seinen Auslandseinsätzen in Los Angeles und London nach drei Jahren wieder einmal in seiner Heimat an. Er feierte nach zehnmonatiger Pause sein Comeback, setzte im WBF-Qualifikationsduell (der Sieger kann um die WBF-WM kämpfen) in einem Catchweight zwischen Welter- und Superweltergewicht über acht Runden die meisten Akzente und holte souverän Durchgang um Durchgang.

Der sechs Jahre ältere Wildenhof war zwar stetig im Vorwärtsgang, scheiterte jedoch meist an der geschlossenen Deckung des Containerbrücken-Fahrers vom Hamburger Hafen. Formella tanzte praktisch seinen Gegner aus und glänzte durch harte Konter zu Kopf und Körper. Wildenhof wurde von Runde zu Runde außerdem langsamer in seinen Angriffsaktionen, die er zudem immer ungestümer startete. Im siebten Abschnitt bahnte sich dann das Ende an. Formella drehte den Spieß um und stellte den Kontrahenten an den Ringseilen. Eine Körper-Kopf-Hakenserie ließ den „Bayerischen Löwen“ auf die Knie gehen. Nach 51 Sekunden konnte sich der Lokalmatador als Sieger feiern lassen und seine Bilanz auf 24 Erfolge bei drei Niederlagen ausbauen – sehr zur Freude von Promoter Erol Ceylan, der resümierte: „Mir haben seine Spritzigkeit und Reflexe sehr gefallen. Formella hat gezeigt, dass er immer noch ein tolles Auge hat und sehr beweglich ist. Mit dieser Leistung kann man jetzt nicht sagen, dass er zu alt ist und aufhören sollte – im Gegenteil.“

Und auch Formella selbst, der im Januar 2020 seinen IBO-WM-Titel verteidigen konnte, hat noch einiges vor. „Jetzt können wieder größere Fights kommen. Ob es um den WBF-Gürtel geht, werden wir in den nächsten Wochen besprechen“, verkündete er beim Interview mit Ringsprecher Ingo Rohrbach und fügte an: „Jedenfalls geht es erstmal zum Relaxen mit meiner Freundin nach Mauritius.“

Nicht so glücklich wie der Hamburger präsentierte sich Wildenhof nach dem „dumm gelaufenen“ Duell. Mehr als die gebrochene Nase und das geplatzte Trommelfell schmerzte ihn die Art der Niederlage. „Ich habe einmal nicht aufgepasst, einen Schlag übersehen und mich dann auf dem Knie abgestützt. Das war kein K.o., da war gar nichts“, erzählt der ehemalige Amateur des TV Altötting, der in dieser Zeit neben vier bayerischen Titeln auch zwei Süddeutsche Meisterschaften sowie einen 3. Platz bei der „Deutschen“ erobert hat. Immerhin, so gibt Wildenhof zu, „hätte ich wohl auch nach Punkten verloren“.

Bei seinem Re-Start seien ihm von Seiten des Veranstalters viele Steine in den Weg gelegt worden und nun versuche man ihn auch noch von seinem Kampf um die Deutsche Meisterschaft am 3. Juni in Hannover gegen Lokalmatador Besir Ay (33) abzuhalten, so Wildenhof weiter. Ein K.o. zieht nämlich eine Schutzsperre nach sich. „Ich bin fit und es geht mir gut“, erklärt der 41-Jährige, der dennoch das geforderte MRT vom Kopf und die ärztliche Untersuchung machen lassen will. Schließlich ist sein Ehrgeiz ungebrochen. „Ich hole mir noch einen Gürtel, egal von welchem Verband“, sagt der Mann, der in seiner langen Laufbahn schon Weltmeister des GBC (2009 und 2011) sowie Europameister der WBU (2013) und WBC (2015) war.

„Ich war psychisch nicht in der Verfassung“

Dabei stand lange auf der Kippe, ob Wildenhof überhaupt noch einmal zu einem Faustkampf antritt. Im Mai letzten Jahres sackte Musa Askan Yamak (38) bei einem Einsatz in München im Ring zusammen und starb wenig später im Krankenhaus. Der in acht Profikämpfen ungeschlagene Türke aus der Landeshauptstadt war ein guter Freund und Sparringspartner des Altöttingers, der daraufhin in ein tiefes Loch gefallen ist. „Ich war psychisch nicht in der Verfassung zu boxen. Da überlegt man natürlich schon“, sagt der Angestellte bei einem Sicherheitsdienst auch im Hinblick auf seinen bald vier Jahre alten Sohn Dion Silas. Er habe zwar immer weiter trainiert, „aber der Kopf hat nicht mitgemacht“, verrät der Athlet aus der Wallfahrtsstadt, der einige Angebote aus dem In- und Ausland ausgeschlagen hat.

Ganz aufzuhören sei dagegen nie ein Thema gewesen, schließlich hänge er an seinem Sport, den er mittlerweile seit über 30 Jahren betreibt. Und so möchte Florian Wildenhof möglichst bald wieder im Seilgeviert stehen – um es allen zu zeigen, dass er selbst im fortgeschrittenen Sportleralter noch nicht zum alten Eisen gehört und auch, um für seinen toten Freund zu kämpfen.

− fa