Fischerdorf
Verändert: Fischerdorf fünf Jahre nach dem Jahrhunderthochwasser

01.06.2018 | Stand 21.09.2023, 6:56 Uhr

Das Ortsschild vom Deggendorfer Ortsteil Fischerdorf (Bayern) steht im Juni 2013 im Hochwasser. − Foto: Armin Weigel/dpa

Als bei Deggendorf im Juni 2013 nach tagelangem Regen der Isardamm bricht, ist die Katastrophe nicht mehr zu verhindern: Der Ortsteil Fischerdorf geht buchstäblich unter. Fünf Jahre später zeigt sich, wie die Jahrhundertflut den Ort und seine Menschen verändert hat.

Hochwasser und Schlamm sind längst weg. Die Spuren der Jahrhundertflut in Deggendorf scheinen beseitigt. Und doch erinnert im Ortsteil Fischerdorf alles an die Tage im Juni 2013, als der Damm an der Isar brach und das durch tagelangen Regen aufgestaute Wasser freien Lauf hatte. Es flutete Straßen, Häuser und die Autobahn - bis zu vier Meter hoch. Eine gewaltige Katastrophe, bei der es auf wundersame Weise keine Toten gab.

Mehr dazu:
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- Meldungen und Berichte zur Jahrhundertflut finden Sie auf unserer Sonderseite.

Fünf Jahre später gibt es in dem Ort Neubauten anstelle zerstörter Häuser. Stehengebliebene Gebäude sind frisch gestrichen, Straßen weitgehend repariert, Spiel- und Fußballplatz erneuert. Fischerdorf ist auferstanden - der gleiche Ort und dennoch ein anderer. Der Wiederaufbau sei weitgehend beendet, sagt Oberbürgermeister Christian Moser (CSU). Fischerdorf hat sich erneuert, ist moderner und städtischer geworden. Rosalie Straßer, die 2013 ihr Haus verloren hat, bilanziert: "Vorher war das hier ein Dorf. Jetzt ist es ein Stadtteil." Und das kann man gut oder schlecht finden.

Betroffene bekamen Ausgleichsgrundstück für Neubau

Eines der neuen Häuser gehört Rosalie und Joseph Straßer. Modern und hell ist es. Ein Jahr nach der Flut sind die Straßers eingezogen. Mit Heizöl verschmutztes Hochwasser hatte das alte Haus unbewohnbar gemacht. Es wurde abgerissen. Auf ihrem Grundstück durften sie wegen der Nähe zur Isar nicht neu bauen und bekamen von der Stadt ein Ausgleichsgrundstück etwas weiter im Ortsinneren. Ob sie sich hier heimisch fühlen? Nun, in dem alten Haus sei er 1951 geboren worden, sagt Straßer. Er sei dort aufgewachsen und habe immer dort gelebt. Ein noch so schönes neues Haus ist eben nicht gleich ein Zuhause - zumal wenn Erinnerungsstücke fehlen. Das ist spürbar, wenn die Straßers erzählen. "Wir sind ja zufrieden hier", sagt die 65-Jährige. Aber: "Es ist eben nicht die Heimat." Sie schluckt.

Die Anwohner seien an jenem 4. Juni aufgefordert worden, ihre Häuser zu verlassen, erinnern sich die Straßers. Die heute 65-Jährige trug wichtige Dokumente in den ersten Stock und legte sie auf einen Tisch - nicht ahnend, dass sogar der noch untergehen würde. Sie verließ Fischerdorf, während ihr Mann noch das Haus abzudichten versuchte. Dann kam das Wasser. "Ich habe es gerade noch ins Auto geschafft", sagt er. "Ich wusste: Hier kann ich nichts mehr tun." Und heute? "Verdrängen kann man das nicht", sagt Straßer. "Das war einfach zu viel." Der Ort habe sich verändert, ergänzt seine Frau. Neid habe es gegeben angesichts der Versicherungszahlungen und Spenden. Die Leute hätten sich beäugt, wer wie groß baut. "Das war ein bissl ein Konkurrenzkampf." Das berichten auch andere Anwohner.

Der Ortsteil boomt

Angst vor einer neuen Flut scheinen die wenigsten Fischerdorfer zu haben. Der Ortsteil boomt. Gut 170 Hausbesitzer hatten einen Antrag auf Neubau nach Abbruch ihres alten Haues gestellt, berichtet eine Sprecherin der Stadt. Von den Hochwasseropfern zogen nur wenige weg und einige Neu-Fischerdorfer kamen dazu. Die Erweiterung des Hochwasserschutzes soll im kommenden Jahr weitgehend abgeschlossen sein, wie Michael Kühberger, der Leiter des Wasserwirtschaftsamtes, mitteilt. Rund 70 Millionen Euro seien in dem Gebiet dafür ausgegeben worden. Der Damm wurde erhöht und soll nun einem hundertjährlichen Hochwasser standhalten.

− dpa