Plattling
Rabhansl und Weiherer: Zwei Musiker, ein Konzert

28.06.2020 | Stand 18.09.2023, 4:38 Uhr
Hannelore Summer

Sie haben sich gut ergänzt, doch gemeinsam sind Karin Rabhansl (l.) und Christoph Weiherer nur beim Umbau auf der Bühne gestanden. −Foto: Summer

"Servus Plattling – endlich wieder Leute! Schön, dass ihr da seid!" Nach drei Monaten Corona-Pause durften die Liedermacher Karin Rabhansl und Christoph Weiherer endlich wieder vor Leuten singen, die nicht auf Balkonen stehen oder zu Hause auf einen Bildschirm schauen.
Obwohl am Freitag ein paar Stühle frei geblieben sind, haben sich die Künstler – jeder auf seine Art – mit den Menschen unter dem Magdalenendach in einer zauberhaften Stimmung verbunden.

Wenn der Kulturbetrieb wieder losgehe, so sagte Konzertveranstalter Roman Hofbauer, solle für jeden Geschmack etwas dabei sein. Er freue sich nun auf einen besonderen, etwas leiseren Abend, an dem man die Lieder bei einem Glas Rotwein genießen könne.

Obwohl Karin Rabhansl und Christoph Weiherer vor Jahren schon mal gemeinsam in einem kleinen blauen Auto in Richtung Meer unterwegs waren und den Menschen jenseits des Weißwurstäquators "Bajuwaren Folk" brachten, standen sie beim Doppelkonzert jeweils alleine auf der Bühne: erst Karin Rabhansl, dann der Weiherer.

Rabhansl hatte wieder ihre Ringelsocken angezogen und sang sehr persönlich von Ereignissen, die sie seit ihrer Kindheit und Jugend in Trautmannsdorf an der Ilz tatsächlich oder in ihrer Fantasie erlebt hatte. Sie spannte den Bogen von ihrer Großtante, bei der die Familie damals gewohnt hatte, bis zum Teufel, der in ihrer Wohnung in Nürnberg, wo sie jetzt wohnt, anklopfe. Ihre Großtante habe schon immer gewusst, dass Rabhansl einmal Sängerin werden würde. Sie sei stolz gewesen, wenn die kleine Karin damals auf der Bühne stand. Ihr widmete sie ein sehr inniges Lied, das auch davon handelte, wie sie langsam entglitt, in die eigene Welt einer Demenz: "Du warst so stolz auf mich, ich täte alles geben, um wieder mal mit dir zu reden."

Nach einer Bank-Lehre entschied sich Rabhansl dafür, das zu tun, was ihr wirklich wichtig ist: Musik zu machen. In der Berufsfachschule für Musik in Plattling machte sie die Aufnahmeprüfung, ging aber dann nach Dinkelsbühl in Mittelfranken.

In Plattling präsentierte sie am Freitag eine Auswahl von Liedern: "Mogst schmusn, mir wad’s wurscht", den bayerischen Blues vom depperten Volldeppen oder ein Lied, das erzählt, wie wichtig es ist, sich zu haben und zu spüren, wenn man sich ganz alleine in einer fremden Stadt einleben muss: "Ich will nicht mehr ohne mich sein." Mit Hilfe eines kleinen Gerätes, ihrer Loop Station, gelang es der Sängerin akustisch eine Band auf die Bühne zu bringen. Sie nahm kurze Herzschlagrhythmus-Schleifen auf, Zwischenrufe und Gitarrenriffs, die sie durch das Lied begleiteten.
Als der Teufel an Rabhansls Tür klopfteZuletzt sind die Lieder von Karin Rabhansl rockiger geworden. "Ich singe noch ein Lied vom Teufel", sagte sie. Das machte ihr Spaß, zumal das Konzert hinter der Stadtpfarrkirche St. Magdalena stattfand und die Kirchenglocken ihren Auftritt begleiteten. Etwas düster und geheimnisvoll wurde sie Stimmung, als sie erzählte, dass der Teufel an ihrer Haustür in Nürnberg angeklopft und ihr angeboten habe, ihre Seele gegen eine große Karriere einzutauschen. Aber was bringt ihr eine Karriere, wenn sie sich dann nicht mehr spürt?

Sich spüren, sich nicht verlieren, das sagen, was man meint, auch wenn man damit aneckt, ist auch das Thema von Christoph Weiherer. Seit 20 Jahren singt der Weiherer gegen das, was seiner Meinung nach falsch läuft, prangert politische Weichenstellungen an. Da könne er nur noch "Scheiße schreien". Vielleicht habe der Alexander Dobrindt Corona inszeniert, um zu bewirken, dass er nicht mehr auftreten dürfe, spekulierte der Weiherer. Aber den Gedanken verwarf er gleich wieder, dazu sei der Politiker viel zu dumm. Seit Alexander Dobrindt 2010 sagte, dass jemand, der gestern gegen Atomkraft und heute gegen das fragwürdige Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 demonstriere, sich nicht wunder dürfe, wenn er morgen ein Minarett im Garten habe, hat sich der Weiherer auf den Politiker eingeschossen. So sehr, dass er seine Band "Die Dobrindts" genannt hat. Heute würde er sie vielleicht "Die Zeugen Seehofers" nennen. Auf das Minarett wartet er heute noch, obwohl er alle Bedingungen erfüllt habe.

Als sich der Weiherer in dem Lied "Euer Sisdem" dagegen wehrte, sich einlullen zu lassen, sich nicht mehr zu wehren, setzten die Kirchenglocken ein. Es war, als ob die Glocken mit dem Angelusgebet die Sorgen des Liedermachers in die Welt hinaus schreien wollten. Die Glocken läuteten auch das Ende des Konzerts ein, sie markierten die Pause vor der Zugabe am Ende des Abends. Eines Abends, aufgeladen mit persönlichen Liedern voller Zärtlichkeit, Witz und Wut. Eines Abends, an dem die Künstler davon sangen, wie wichtig es sei, sich zu spüren und das Publikum sich freute, wieder in die Lieder und die Stimmung eines Live-Konzertes eintauchen zu dürfen.