Deggendorf
Hungertuch: Pfarrei St. Martin arbeitet mit Künstler zusammen

17.02.2021 | Stand 18.09.2023, 5:17 Uhr

Stolz präsentieren sie das neue Hungertuch der Pfarrei St. Martin (v.l.): Diakon Sebastian Nüßl, Künstler Günter Reinhardt und Pfarrer Franz Reitinger. −Foto: Hanusch

Pompöse Bilder und kräftige Farben? Nicht in diesem Jahr. Das neue Hungertuch in der Stadtpfarrkirche St. Martin kommt schlicht daher, mit schwarzer Schrift auf weißem Untergrund. Der Künstler Günter Reinhardt hat sich bewusst für eine dezente Gestaltung entschieden. "Die Botschaft soll im Mittelpunkt stehen", findet er.

Zum ersten Mal überhaupt hat Reinhardt, pensionierter Professor für Medien- und grafisches Design, ein Hungertuch gestaltet. "Künstler beschäftigen sich viel mit philosophischen Fragen und haben auch ohne den Glauben sehr viel mit der Kirche zu tun", sagt Reinhardt über die Gemeinsamkeiten.

Die Idee, mit Sprache und Schrift zu arbeiten, kam ihm schnell. "Während meiner Laufbahn habe ich mich oft mit Typografie beschäftigt, daher war das naheliegend", sagt er. Innerhalb von dreieinhalb Tagen hat er sich ein Design überlegt und das 2,20 Meter breite und 4,50 Meter hohe Tuch bemalt – oder in diesem Fall eher beschriftet. Die Kirche hat ihm keine Vorgaben gemacht.

Am Herzen lagen Reinhardt dabei die kulturgeschichtlichen Entwicklungen. Ganz oben auf dem Tuch hat er sich mit der Höhlenmalerei beschäftigt, im weiteren Verlauf ist Reinhardt über Schriftzeichen und Buchstaben zum Binärcode – also der Sprache der Computer – übergegangen.

Das Thema "Verantwortung" basiert dabei auf dem Wort Gottes. "Das ist die Grundlage von allem", weiß Reinhardt. Vom ,Wort’ käme man dann ganz schnell zur ,Antwort’ und eben auch zur ,Verantwortung’. "Für unsere Zeit ein sehr passendes Motto", sagt er.

Für die Pfarrei war der Weg zum diesjährigen Hungertuch ebenfalls Neuland. "Bisher haben wir immer ein Hungertuch vom bischöflichen Hilfswerk Misereor bestellt", erklärt Pfarrer Franz Reitinger. In diesem Jahr habe man sich aber dazu entschieden, einen Künstler zu beauftragen.

Aus Sicht des Pfarrers hat sich das schon jetzt gelohnt: "Ich bin total fasziniert von diesem Kunstwerk. Es bietet viele Möglichkeiten, zu hinterfragen und das Thema ,Verantwortung‘ liefert einen Denkanstoß an alle", sagt Reitinger. Besonders die Schlange rechts unten gefällt dem Pfarrer. "Sie steht für die archaische Schöpfungserzählung und auch dafür, dass wir eigentlich zu faul sind, um Verantwortung zu übernehmen."

Bis zum Karsamstag wird das Hungertuch in der Martinskirche noch zu sehen sein.

Übrigens: Wer sich in der Fastenzeit für den Kreuzweg interessiert, der wird in diesem Jahr nicht in der Kirche fündig. Um wegen Corona nicht zu viele Gläubige auf einmal in der Kirche zu haben, werden die Bilder auf sieben verschiedene Schaufenster rund um die Kirche aufgeteilt.