TH Deggendorf
Ehemalige TH-Studenten helfen Entwicklungshelfern

26.08.2018 | Stand 18.09.2023, 3:03 Uhr

Prototyp hinter Haus D der Hochschule: Raphael Wagensonner (v.r.) Niclas Dehmel und Christoph Dobler werden ihre ersten Solardestillen für den täglichen Betrieb unter realistischen Bedingungen im kenianischen Dorf Makuyu bauen. −Foto: Manuel Birgmann

Zu viel Salz im Grundwasser – ein Problem, das nicht nur küstennahe Regionen haben, sondern, bedingt durch das Gestein im Boden, auch viele vom Meer entfernt liegende Orte in Australien, Afrika und Südamerika. Der heute 24-jährige Tüftler Raphael Wagensonner hat schon während seines Ressourcen- und Umweltmanagement-Studiums in Deggendorf eine Anlage konstruiert, die die Sonnenenergie nutzt, um das Salz aus dem Wasser zu filtern. Vor vier Jahren hat er sie erstmals vorgestellt. Dank eines Bundesstipendiums hat er nun zusammen mit seinen ehemaligen Kommilitonen Christoph Dobler und Niclas Dehmel die Anlage ein Jahr lang weiter entwickeln können. Die jungen Männer stehen kurz davor, das Start-Up Aquaba zu gründen und bauen in Zusammenarbeit mit örtlichen Schulen, kirchlichen Einrichtungen und der nordrhein-westfälischen Hilfsorganisation Servir im Herbst in Kenia die Pilotanlage auf. Servir hat im Dorf Pundamilia den Bau einer Schule, einer Krankenstation und eines Brunnens unterstützt – und das Wasser aus letzterem muss nun entsalzt werden.

Das Prinzip, nach dem die Solardestille arbeitet, ist nicht neu, erklärt Raphael Wagensonner. Mit seinem Team hat er es aber verfeinert und eine Anlage konstruiert, die von Einheimischen vor Ort leicht nachgebaut werden kann. Und genau das wollen die jungen Männer nun kenianischen Berufsschülern beibringen und so die Nachbardörfer Makuyu und Pundamilia der Zentralprovinz mit Trinkwasser versorgen.

Und so funktioniert’s: Das salzhaltige Wasser wird mit einem perforierten Schlauch von oben auf eine schräg stehende Platte gerieselt. Ein schwarzer Stoff, der auf der Platte liegt, saugt die Flüssigkeit auf. Weil der Stoff in der Sonne extrem heiß wird, verdunstet die Flüssigkeit daraus. Salz, radioaktive Salze, Schwermetalle und Bakterien bleiben im Stoff zurück, der regelmäßig mit Salzwasser ausgewaschen wird. Der reine Wasserdampf steigt auf an eine Glasplatte, die mit etwas Abstand über der Trägerplatte angebracht ist. Das klare Glas ist dank Sonne zwar auch heiß, aber immer noch kühler als der schwarze Stoff. Das Wasser kondensiert an der Scheibe, läuft daran herunter und wird über eine Rinne in ein Gefäß geleitet. Die einen Quadratmeter große Anlage produziert so bis zu fünf Liter destilliertes Wasser am Tag. Weil es keine Mineralien mehr hat, wäre es so noch eher ungesund – wenn es aber nach einem Standardverfahren remineralisiert wird, ist es Trinkwasser und auch zum Bewässern von Feldern geeignet.

Raphael Wagensonner war schon 2011 mit seiner Arbeit über Temperaturgefälle im Meer bei einem Bundesumweltwettbewerb erfolgreich. In einem Auslandssemester in Jordanien schrieb er eine Arbeit zur Trinkwasser-Aufbereitung mit Hilfe von Temperaturgefällen. Beim "Mehr Wasser Wettbewerb 2013" der Technischen Universität München kam er auf den zweiten Platz und konnte mit dem Preisgeld seine erste Anlage finanzieren. Vor einem Jahr hat er sein Studium abgeschlossen, wird aber weiterhin unterstützt von Prof. Dr.-Ing. Robert Mnich, von Prof. Thomas Geiß, vom ehemaligen Kommilitonen Dimitrij Medvedev, von Christoph Dobler und Niclas Dehmel, der sogar seine Bachelorarbeit darüber geschrieben hat, welche Bakterien die Aquaba-Anlage abtötet.

Weil die Arbeit der jungen Männer mit dem Exist-Gründerstipendium des Bundes gewürdigt worden ist, können sie schon jetzt davon leben – rund 100000 Euro haben sie aus dem Stipendium bekommen, das auf ein Jahr begrenzt ist. Die Zeit verbringen sie an der Deggendorfer Hochschule, wo sie ein kleines Büro zur Verfügung haben, ein Labor und eine Werkstatt mit nutzen dürfen und an ihrem Prototyp hinter Haus D tüfteln. Denn bis Christoph Dobler und Niclas Dehmel im Oktober für vier Wochen nach Kenia fliegen, um zusammen mit dortigen Spengler-Lehrlingen die Pilotanlage zu bauen, müssen sie noch ein bisschen weiter forschen. Sie müssen den Wasserschlauch aus dem Prototyp noch mit einem lebensmittelechten für Temperaturen bis zu 95 Grad zu ersetzen. Die untergebaute isolierende Platte, die aus Kunststoff ist, wollen sie aus Edelstahl oder anderem Metall konstruieren – denn alles Material soll ja im jeweiligen Land gut zu bekommen sein. Und weil sie es bearbeiten können, holt Aquaba aus der Berufsschule die jungen Spengler mit ins Boot. Vor allem müssen die Entwickler aber noch den passenden Stoff, wahrscheinlich Baumwolle oder Viskose, finden: Der darf nicht so teuer sein wie der anfänglich verwendete Funktionsstoff, darf das Wasser nicht abweisen, wie Schafswolle oder anderes Tierhaar es tun würde, er muss schwarz gefärbt sein, aber dabei lebensmittelecht.

Wenn seine Kollegen in Kenia dann an der ersten Anlage arbeiten, bleibt Raphael Wagensonner zu Hause und nimmt Kontakt zu weiteren Stiftungen und Entwicklungshilfe-Organisationen auf. Über sie möchte Aquaba nach dem kenianischen Referenzprojekt seine Anlagen und die Hilfe zur Selbsthilfe auch in andere Regionen verkaufen.

In den beiden kenianischen Dörfern sollen beim zweiten Besuch im Januar 100 Anlagen fertig sein und täglich bis zu 500 Liter Wasser liefern. Im nächsten Schritt wollen die Deggendorfer das Verfahren in den Nachbarregionen bewerben.