„Wir kommen an dem Ding nicht vorbei“
Minister Aiwanger spricht bei Haiminger Bürgerversammlung

25.04.2024 | Stand 25.04.2024, 19:00 Uhr
Steffi Sammet

Zum Abschied trug sich Hubert Aiwanger (l.) sehr zur Freude von Bürgermeister Wolfgang Beier ins Goldene Buch der Gemeinde Haiming ein − Foto: Steffi Sammet

Wolfgang Beier, Haimings Bürgermeister, brauchte nicht viele Worte, um die derzeitigen Herausforderungen für die Gemeinde in Sachen Windpark, Stromtrasse, Umspannwerk, Kraftwerk und PFOA-Monodeponie auf den Punkt zu bringen: „Bewahrung und Veränderung stehen sich gegenüber, Erhalt und Entwicklung – hier müssen wir eine gute Balance finden“, erklärte Beier in der örtlichen Bürgerversammlung, die am Mittwochabend im Unteren Wirt stattfand.

Das erfordere Informationen, Wissen, Auseinandersetzung, Diskussion, Meinungsstreit, den Willen zum Lernen und die Fähigkeit zum Kompromiss. „Um all das geht es auch bei den Windkraftanlagen“, betonte Beier.

200 Interessierte hören sich Planungsstand an

Der geplante Windpark im Altöttinger Forst war das bestimmende Thema in der Bürgerversammlung der Gemeinde Haiming. Knapp 200 Besucher waren der Einladung der Gemeinde zur Bürgerversammlung gefolgt, zu der sich Hubert Aiwanger als Gast angesagt hatte. Ehe Bayern Wirtschaftsminister das Wort ergriff, trugen Heike von der Heyden, Geschäftsführerin des Windpark-Projektierers Qair, und Projektleiter Peter Reidelbach den aktuellen Stand der Planungen vor.

„Wir standen in den vergangenen Monaten in einem intensiven Austausch mit den Bürgern. Dabei haben wir viel gelernt und konnten aus der Kritik und den Anregungen zwei wesentliche Kriterien entwickeln, um einen Konsens zu erreichen“, schilderte von der Heyden. Unter anderem habe sich Bürgermeister Beier als „große Challenge“ erwiesen, weil er immer wieder hart und konstruktiv Kritik geübt habe.

Appell, sich ein Bild von Windrädern zu machen



Projektleiter Reidelbach erläuterte die vorgenommenen Änderungen, die Qair in den vergangenen Wochen an den Plänen für die Windräder vorgenommen hat. Anschließend ergriff Wirtschaftsminister Aiwanger das Wort. Sein Vortrag prägte vor allem eine Botschaft: „Wir kommen an dem Ding nicht vorbei. Als Beitrag für eine sichere Energieversorgung ist die Windenergie unabdingbar – auch hier in der Region“.

Er appellierte an die Zuhörer, sich vor Ort bei bestehenden Windenergieanlagen ein Bild zu machen: „Fahren Sie dorthin, wo Windräder stehen. Lautstärke ist hier kein Thema“. Wehe es so stark, dass sich ein Windrad sehr schnell drehe, „hören Sie das Geräusch sicher nicht, weil es vom Rauschen der Baumwipfel überdeckt wird.“ Gleiches gelte im umgekehrten Fall: „Ist es im Wald still, hören Sie auch keinen Windradlärm – dann herrscht Windstille, da dreht sich kein Windrad.“

„Rund um Windkraftanlagen entsteht keine tote Materie“



Aiwanger, selbst Waldbauer, ging in seiner Rede auf die Kritik ein, der Wald werde geopfert. Zum einen sei man mit Unternehmen im Gespräch, die Kräne zur Verfügung stellten, die möglichst platzsparend einsetzbar seien. „Zum anderen braucht der Wald ökologische Nischen. Wo die Sonne reinfallen kann, herrscht viel ökologische Vielfalt“, führte der Minister aus. Rund um die Windkraftanlagen entstehe keine tote Materie. Hier herrsche eine größere ökologische Vielfalt als im geschlossenen Wald. „Gleichzeitig erzielen die Bayerischen Staatsforsten mit dem Windpark Einnahmen. Und von diesem Geld kann der Wald weiter gepflegt werden“. Mit Windkraftanlagen, so die Überzeugung Aiwangers, sei der Wald stabiler als ohne. „Wenn wir die Windräder schon brauchen, dann räumen wir sie am besten in den Wäldern auf“, schloss er seinen Vortrag. In Bayern stünden bereits Hunderte Windenergieanlagen im Forst. „Wenn ich dann in den Wald gehe, sehe ich die Anlagen durch die Bäume kaum. Steht das Windrad im Freien, ist die bedrängende Wirkung viel größer.“ Darüber hinaus gelte es zu bedenken, dass eine Anlage Strom für 10000 Bürger produziere – „also maximale Leistung auf geringer Fläche, vor allem im Vergleich zum Flächenverbrauch einer Freiflächen-PV-Anlage“.

Windpark nicht Haimings einziges Problem



In der folgenden Diskussion mit den Zuhörern erklärten die Haiminger Bürger Petra Haunreiter und Heinz Besier dem Minister, dass der Windpark nicht das einzige Problem der Gemeinde Haiming sei: „Eine zweite 380 kV-Leitung, ein Umspannwerk, eine Monodeponie – wir haben das Gefühl, dass wir hier in der Gemeinde gar nicht so viel Platz für all das haben.“ Ausdrücklich baten die beiden Aiwanger darum, als Einsatzleiter zu fungieren und alle beteiligten Akteure gemeinsam an einen Tisch zu bringen. Der Minister kannte die Herausforderungen, weil ihn Bürgermeister Beier im Vorfeld schriftlich informiert hatte. Er sagte die Teilnahme von Experten mit entsprechender Fachkompetenz aus seinem Ministerium zu. Ein Umspannwerk im Raum Haiming/Burghausen sei allerdings unverzichtbar, da „wir hier in Bayern im Zuge der Energiewende 1000 Umspannwerke benötigen“, hielt Aiwanger fest. Beier ließ es sich an dieser Stelle nicht nehmen, daraufhin zuweisen, dass die Wohnbaufläche in Haiming gerade einmal 69 Hektar betrage. „Mit 26 Hektar würde das geplante Umspannwerk einem Drittel der Fläche entsprechen, die bei uns mit Häusern zugebaut ist.“

Aiwanger appelliert, Kompromiss einzugehen

Weitere Fragen an den Minister waren unter anderem die Höhe der Netzentgelte, die Notwendigkeit von Gaskraftwerken, die später für Wasserstoff verwendet werden könnten, Brandgefahr durch die Windenergieanlagen und der mögliche Verlust des Erholungsgebiets Altöttinger und Daxenthaler Forst. Letztere Bedenken entkräftete der Wirtschaftsminister, indem er die Zuhörer nochmals aufforderte, zu bestehenden Standorten von Windkraftanlagen in Bayern zu fahren. Zudem gab er zu bedenken, dass „man für Industrie vor Ort, die Arbeitsplätze bietet, nun mal Straßen, Strom und Co braucht“. Mit einem Appell, den Kompromiss einzugehen, verabschiedete er sich: „Mit der Haltung Totalverweigererregion kommt keiner weiter!“