Gottfriedinger ging nochmal zur Schule
„Ich bin umgänglicher geworden“: So bereitete Sepp Steinberger seinen Wiedereinstieg als Trainer vor

23.04.2024 | Stand 23.04.2024, 7:00 Uhr
Thomas Ernstberger

Nach zwei Jahren Pause wieder an der Seitenlinie: Sepp Steinberger. Zum Einstand beim FC Pipinsried gab’s ein 2:2 gegen Kottern. − Foto: Imago Images

Er ist zurück: Sepp Steinberger (51) hat seine selbstgewählte zweijährige Auszeit vom aktiven Trainer-Job beendet. Mit dem FC Pipinsried gab’s zum Wiedereinstieg am Samstag ein 2:2 gegen den TSV Kottern. Er will ein anderer Trainer sein als jener, als der er dem Fußball den Rücken kehrte.

Das ist für ein 2000-Seelen-Dorf sicher ungewöhnlich. Aus dem kleinen Gottfrieding im niederbayerischen Landkreis Dingolfing-Landau stammen mit Ex-Landgerichts-Präsident Dr. Toni Nachreiner (68/30 Bundesligaspiele für den TSV 1860 München), seinem Sohn Dr. Sebastian Nachreiner (35/133 Zweitligaspiele für Jahn Regensburg) und Talente-„Spürnase“ Sepp Steinberger (51/früher u.a. U19-Bundesliga-Coach bei 1860) gleich drei Personen, die ihre Karriere beim heimischen FC starteten und sich später im höherklassigen Fußball einen Namen gemacht haben. „Nicht so schlecht für so eine kleine Gemeinde“, sagt der Mann, der gerade wieder in die bayerischen Amateurfußball-Schlagzeilen geraten ist. Nach zwei Jahren Pause ist Steinberger wieder aktiv – als Trainer von Bayernligist FC Pipinsried – zum Einstand gab’s am Samstag ein 2:2 gegen Kottern.

„Im Sommer 2022 gab’s die Trennung im beiderseitigen Einvernehmen bei der U23 des FC Augsburg. Ich bin dann nach einer sehr ehrlichen Selbstreflexion der zurückliegenden Jahre relativ schnell zu der Erkenntnis gekommen, dass ich einen neuen Weg einschlagen und etwas verändern muss, dass ich mich weiterbilden und weiterentwickeln will“, erzählt der UEFA-Pro-Lizenz-Inhaber (seit März 2017). So drückt er jetzt sieben Stunden am Tag die (virtuelle) Schulbank, absolviert noch bis zum Sommer ein Fernstudium in Kiel. Erst vier Monate Mitarbeiterführung, Kommunikation und Konfliktmanagement, dann (und aktuell) neun Monate Systemisches Coaching, NLP (Verbesserung psychischer Vorgänge und zwischenmenschlicher Kommunikation sowie Mentaltraining. „Mega-interessant“, sagt er. „Ich habe viel dazugelernt, es war genau die richtige Entscheidung. Ich konnte mich persönlich entwickeln und bin umgänglicher geworden. Schließlich hat mich ein bisschen der Ruf begleitet, nicht immer der angenehmste Trainer zu sein…“

Die eigene aktive Karriere: überschaubar. „Wir hatten eine Landwirtschaft zuhause, da hatten andere Dinge Vorrang, da hätte mich auch keiner zum Training fahren können.“ So war er 18 Jahre lang, ab der A-Jugend, als Spieler, Spielertrainer, Trainer, und Jugendcoach beim FC Dingolfing aktiv, schaffte es selbst bis in die Landesliga. „Ich war kein begnadeter Fußballer“, gibt er offen zu. „Deshalb hat es mich gereizt, Trainer zu werden. Das war mein Antrieb.“ Mittlerweile hat Steinberger mehr als 300 Spiele als Coach im Nachwuchsbereich in Dingolfing, Regensburg, bei 1860 („meine mit Abstand beste Zeit“), Greuther Fürth und Augsburg auf dem Buckel, Pipinsried ist erst Trainerstation Nummer sechs. „Mit über 50 – da haben viele Spieler schon deutlich mehr, das zeigt meine Bodenständigkeit“, sagt er. Das Job-Angebot in Pipinsried kam „total überraschend. Es musste schnell gehen und ich hatte sofort ein gutes Gefühl.“ Den Klassenerhalt klar machen, ist seine Aufgabe, wie’s danach weitergeht, ist völlig offen. Der Niederbayer will möglichst im Herrenbereich arbeiten: „Ich bin für alles bereit. Österreich und die Schweiz würden mich reizen. Ich kann mir auch einen Job in einem NLZ oder als Co-Trainer vorstellen – wenn der Chef passt.“

Voraussetzung immer: „Ich muss ein gutes Bauchgefühl haben, mich mit dem Job identifizieren können und mit Leuten arbeiten, die etwas bewegen wollen. Es muss Begeisterung da sein, die Strukturen müssen passen und ich will bei einem interessanten Projekt mitarbeiten. Die Liebe zum Sport ist aber das Allerwichtigste.“

Soweit der Blick nach vorne, ein kurzer Blick zurück bleibt Steinberger, der mit der 1860-Jugend immerhin im Halbfinale um die deutsche Meisterschaft (gegen Borussia Dortmund) stand, zum Abschluss nicht erspart. Welche Spieler haben ihn in seiner langen Zeit als Jugendtrainer am meisten beeindruckt? „Bei 1860“, sagt er waren es Marius Wolf und Flo Neuhaus“, beide spätere Nationalspieler. „Als Torwart Marc-Andre ter Stegen, außerdem Jamal Musiala und der Amerikaner Christian Pulisic bei Borussia Dortmund - aber vor allem auch Berkant Göktan bei den Bayern. Die haben in einer anderen Liga gespielt, das war eine ganz andere Welt…“