Neues Buch über Kunstunfälle
Übermalt, zerbrochen, weggewischt: „Das war Kunst, jetzt ist es weg“

27.04.2024 | Stand 27.04.2024, 5:00 Uhr

Schon lange ärgerte sich Cecilia Giménez (rechts) über das renovierungsbedürftige Jesus-Fresko „Ecce Homo“ (Grafik links) in ihrer nordspanischen Gemeinde Borja. Kurzerhand griff die Rentnerin 2012 selbst zum Pinsel. Das Ergebnis? Eher ein lustiges Äffchen (hinten rechts), viel Spott im Internet und einige Berühmtheit. Regisseur Andrew Flack (links) machte aus dem Stoff gar eine eigene Oper. − Foto: Toni Galan, dpa

Manche Menschen entdecken erst spät im Leben ihre Berufung. So auch Cecilia Giménez aus der nordspanischen Gemeinde Borja. Als Rentnerin konnte sich die 81-Jährige endlich ihrem Hobby, der Malerei, widmen. Schon lange ärgerte sich die alte Dame über das Fresko „Ecce homo“, das in der Einsiedlerkirche ihres Ortes vor sich hin bröckelte.

Kurzerhand griff die selbst ernannte Restauratorin zum Pinsel und „verschönerte“ das in die Jahre gekommene Kunstwerk. Das Ergebnis dieses Rettungsversuchs sorgte 2012 weltweit für Gelächter und ging im Internet viral, denn statt des dornengekrönten leidenden Jesus zierte nun eine Art Äffchen die Kirchenwand. Doch aus Spott wurde Begeisterung. Cecilia Giménez war plötzlich eine Berühmtheit und immer mehr Touristen kamen in das Dorf, um das „Äffchen“ zu sehen.

In ihrem amüsant zu lesenden Buch „Das war Kunst, jetzt ist es weg“ listet die Autorin Cora Wucherer noch weitere Unfälle auf, bei der Kunst unfreiwillig unter die Räder kam – übermalt, verschlimmbessert, zerbrochen, weggewischt oder zweckentfremdet. Nicht nur stümperhafte Hobby-Restauratoren, auch kreative Wachleute in Museen können für die Kunst zur Gefahr werden. So geschehen im russischen Jekaterinburg. Bei dem Avantgardegemälde „Drei Figuren“ von Anna Leporskaya missfielen einem Wachmann offenbar die leeren Gesichter der Figuren, die er für harmlose Kinderzeichnungen hielt. Schnell malte er mit einem Kugelschreiber glotzende Augen hinein, geschätzter Gesamtschaden seiner Spontanaktion: 900 000 Euro.

Zu Bedrohungen unkonventioneller Kunst gehören Putzkräfte oder Hausmeister, die ihren Job ernst nehmen und die von ihnen verkannten Kunstwerke gewissenhaft als Müll entsorgen. Eines der bekanntesten Opfer solcher Putzaktionen ist Joseph Beuys, dessen Fettecke 1986 in einem Mülleimer der Düsseldorfer Kunstakademie landete. Ein weiteres seiner Kunstwerke, eine mit Mullbinden, Pflastern und Fett übersäte Badewanne, wurde bei einer kleinen SPD-Feier blank geschrubbt und als Behältnis zum Gläserspülen entfremdet.

Reinigungskräfte brachten im Ägyptischen Museum in Kairo Pharao Tutanchamun unfreiwillig um seinen Bart, als sie gegen die Vitrine mit seiner Totenmaske stießen. Mehrfach haben auch schon stolpernde Besucher für einen Scherbenhaufen gesorgt. So zersprangen 2006 in einem Museum in Cambridge drei wertvolle chinesische Vasen der Qing-Dynastie in Hunderte Einzelteile, als ein Besucher über seine offenen Schnürsenkel stolperte.

Auch eine gefährliche Nachbarschaft kann Kunstwerke ruinieren. In einem niederländischen Privathaus wurde ein Gemälde des italienischen Künstlers Giorgio de Chirico durch eine fehlgeleitete Abrissbirne zerstört, die eigentlich einem benachbarten Bankgebäude galt, aber stattdessen durch die Zimmerwand des Sammlers brach. Ebenso verpeilt war eine Autofahrerin in Florida, die mit ihrem Rolls-Royce über das Nachbargrundstück bretterte und dabei mal eben so eine drei Millionen teure Skulptur von Damien Hirst zerstörte. Doch wie so manch anderer Künstler nahm dieser die unfreiwillige Vernichtung seines Werks gelassen. Mit typisch britischer Coolness sprach er gar von „First world problems“.

Sibylle Peine


Cora Wucherer: Das war Kunst, jetzt ist es weg, Dumont, 112 Seiten, 18 Euro