Bestsellerautorin
„Gruß aus der Küche“ von Ingrid Noll: Diesmal kein Krimi, aber ein sehr unterhaltsames Buch

11.03.2024 | Stand 11.03.2024, 11:00 Uhr

Ingrid Noll ist mit „Gruß aus der Küche“ ein toll inszeniertes Stück Unterhaltung gelungen. − Foto: Sebastian Gollnow, Deutsche Presse-Agentur GmbH, dpa

Nein, ein Krimi ist das definitiv nicht, obwohl es einen Toten gibt und der ein oder andere Protagonist schon mal einen kriminellen Gedanken äußert. Aber um zu morden, dazu sind die Figuren viel zu sympathisch. Perfekt freilich sind sie nicht. Und das macht den eigentlichen Reiz des neuen Romans von Ingrid Noll aus. Die mittlerweile 88-jährige Autorin überrascht und erfreut ihre Leser mit einem äußerst genießbaren „Gruß aus der Küche“. Und dass sie nah dran an der Jugend und an allen Altersstufen ist, beweist sie auf sehr humorvolle Weise.
Den Roman erzählen abwechselnd die einzelnen Figuren aus der Ich-Perspektive. Irma, klein, kugelrund, großherzig und 40 Jahre alt, kann man sich lebhaft vorstellen in ihrem vegetarischen Restaurant Aubergine. Ihre Gemüse-Variationen sind so kurios wie sie selbst. Da tritt sie mit einer Kappe und violettfarbenem Kittel als Melanzani auf. In Ihrem Restaurant beschäftigt sie zudem eine ziemlich bunte Truppe.
Da ist zum einen Lucy, die mit 17 Jahren die Schule abgebrochen hat und im Aubergine als Aushilfe arbeitet. Sie ist jung, hübsch und alles andere als dumm, und sie verdreht dem doppelt so alten Josch den Kopf. Sie liest extra den Faust und zeigt sich sehr lernfähig, bis der Hallodri schließlich ihren intellektuellen wie körperlichen Reizen erliegt. Josch aber ist der „Kopf“ des Restaurants, er bedient nicht nur, er managt es auch ziemlich gut und macht sich so unentbehrlich für Irma.

Dann ist da Vinzent, ein nur scheinbar dusseliger 80-jähriger Rentner, den sie „Silberrücken“ oder „Gemüseschnippler“ nennen. Er fühlt sich einsam und deshalb gut aufgehoben in der Küche und möchte diese Situation verstetigen, indem er Irma einen Heiratsantrag macht. Diese aber ist ihrerseits in Josch verliebt und könnte ihn sich gut als Ehemann vorstellen. Als ihr die ziemlich einfach gestrickte und dem Alkohol nicht abgeneigte Hilfsköchin Nicole den Fehltritt von Josch steckt, droht es zur Katastrophe zu kommen. Im Großen und Ganzen begegnen wir also einer ziemlich liebenswerten Truppe, in der es wie in einer Familie menschelt und Turbulenzen vorprogrammiert sind.

Ingrid Noll zeichnet ihre Figuren sehr gekonnt, Alt wie Jung und die Generation dazwischen. Denglisch wird garniert mit Vegetarier-Witzen, köstliche Dialoge werden mit viel Humor serviert. Warum man am Ende doch eine Träne verdrückt, sei nicht verraten. Ein toll inszeniertes Stück Unterhaltung allemal.
Stefan Rammer


Ingrid Noll: Gruß aus der Küche, Diogenes, 304 Seiten, 26 Euro.