Album „Kleine Feuer“
Neue Deutsche Verletzlichkeit: Die hochgelobte Berliner Sängerin und Rapperin Paula Hartmann

10.03.2024 | Stand 10.03.2024, 19:00 Uhr

Den Schmerz der Nacht besingt Paula Hartmann auf ihrem neuen Album „Kleine Feuer“. − Foto: dpa

Wenn man Paula Hartmanns Interviews Glauben schenken mag, dann ist ihr neues, gerade erschienenes zweites Album „Kleine Feuer“ möglicherweise auch schon wieder ihr letztes. Als eigentlich zu sensibel für die harte Musikindustrie beschreibt sich die 22-jährige Berlinerin da, berichtet von einem harten persönlichen Jahr voller depressiver Phasen. All das steht im krassen Gegensatz zum Hype um die junge Sängerin, deren Zweitkarriere nach der als (Kinder-)Schauspielerin gerade gewaltig Fahrt aufnimmt.

Aber irgendwie passt das auch irgendwie, schließlich lebt die Kunst der Paula Hartmann von genau solchen Gegensätzen. Hauptsächlich im Liegen nehme sie ihre Songs auf, erzählt die zierliche Sängerin. So komme das ehrlichste Ergebnis zustande. Und so klingt sie auf „Kleine Feuer“ auch – bewusst ohne Druck in der Stimme, zerbrechlich, verletzlich, an manchen Stellen fast kindlich.

Doch was diese zarte Stimme singt und rappt, hat es dafür umso mehr in sich. Paula Hartmann zerrt den Hörer ganz tief hinein in den Moloch Berlin, erzählt von harten Drogen und hoffnungsloser Liebe, von den Untiefen des Erwachsenwerdens und von bedrückender Todessehnsucht. „Kleine Feuer“ ist ein Album der Nacht, von der Rückbank eines Ubers, der Tanzfläche eines Clubs. Doch selbst die Ekstase bringt keine Erlösung. „Ich will feiern heißt ich fühle mich alleine“, singt Paula Hartmann in „7 Mädchen“.

Nur im Duo mit dem Produzenten Biztram hat die 22-Jährige das Album geschrieben und produziert. Diese Intimität im Entstehungsprozess hört man „Kleine Feuer“ unbedingt an. In „Sag was“, ihrem bisher größten Hit, berichtet Hartmann etwa schonungslos von einer Freundschaft, die an der Drogensucht des Anderen zugrunde geht. All die Hilflosigkeit, all die Wut. „Sag was, komm, sag was/Sonst tu’ ich’s und dann war’s das/Letzte Ecke vom Parkplatz/Als das alles noch Spaß war.“ Den Gegenpart übernimmt der Rapper t-low und nach seiner Strophe kann einem Angst und Bange werden um den jungen Mann. „Ja, gib mir H und eine Shotgun und ich zeig’ dir mein’n Schmerz, ja.“

Musikalisch ist „Kleine Feuer“ deutlich druckvoller als der Vorgänger „Nie verliebt“. Auch auf dieser Ebene zieht das Album aus dem Kontrast zur Zartheit der Stimme einen großen Teil seines beträchtlichen Reizes. In „Schwarze SUVs“ schreit Hartmann „Ich bin zu jung für die Liebe“ zu Bläserfanfaren vom Autodach, „Candy Crush“ fährt wütend pulsierende Club- und „DLIT (die Liebe ist tot)“ schwere Trap-Beats auf. Das alles ist ungemein geschmackvoll produziert und steckt voller hartnäckiger Ohrwürmer. Man kann also nur hoffen, dass Paula Hartmann die Kraft für ein drittes Album findet.

Dominik Schweighofer


Paula Hartmann: Kleine Feuer, Vinyl ca. 30 Euro, verfügbar auf allen digitalen Plattformen