"Das Netz" und "Fifa Uncovered"
Der Fußball und das Böse: Zwei Serien zeigen Schattenseiten des Milliardengeschäfts

01.11.2022 | Stand 19.09.2023, 3:58 Uhr
Katharina Dockhorn

In der neuen ARD-Serie "Das Netz – Spiel am Abgrund" sichten die Fußball-Unternehmer David Winter (Itay Tiran, links) und Richard Felgenbauer (Tom Wlaschiha) Talente in Afrika. Wenig später stirbt Winter bei einem Anschlag. −Foto: ARD Degeto/Sommerhaus Serien GmbH/Das Netz Gmbh/Stephan Rabold

Ungeachtet der Boykottaufrufe aus allen Ecken der Welt ist es am 20. November so weit: Mit dem Eröffnungsspiel zwischen dem Gastgeber und Ecuador starten mitten im Winter die wohl umstrittensten Fußball-Weltmeisterschaften aller Zeiten in Katar. Trotz Menschenrechtsverstößen, der fehlenden Fußballkultur und Homophobie vergab die Fifa 2010 das Turnier an den Wüstenstaat.

Kurz vor Beginn der WM greifen neue Serien die Schattenseiten des Milliardengeschäfts Fußball auf. Während Netflix mit "Fifa Uncovered" eine Doku-Serie startet, die Machtkämpfe, Korruption, Verschwörungen und die globale Politik hinter den Kulissen des Fußballverbandes beleuchtet, nähert sich die ARD-Serie "Das Netz – Spiel am Abgrund" in fiktionalisierter Form dem Korruptionssumpf.



In "Fifa Uncovered" wird gnadenlos mit dem Fußballverband abgerechnet: "Mitglied der Fifa zu sein, ist, wie in einen geheimen Garten zu sein. Es gibt einen unausgesprochenen Kodex: ,Du kannst machen, was du willst‘", heißt es im Trailer zur vierteiligen Produktion. Mittels Archivmaterial und Wortbeiträgen unter anderem von der ehemaligen US-Justizministerin Loretta Lynch, des ehemaligen FBI-Direktors James Comey und hochrangigen Fifa-Vertretern versuchen die Macher, die kriminellen Verstrickungen zu entwirren – und stoßen auf Überweisungsbetrug, Geldwäsche, Schutzgelderpressung und Steuerhinterziehung. "Die Fifa wurde zu einer kriminellen Organisation", heißt es im Trailer unmissverständlich. Das Turnier in Katar gleiche einer "Weltmeisterschaft des Betrugs".

In "Das Netz – Spiel am Abgrund" freut sich Strafverteidigerin Lea Brandstätter (Birgit Minichmayr) auf ein Fußballspiel und das Wiedersehen mit ihrem Partner, dem Fußballtalentscout David Winter (Itay Tiran). Verzweifelt muss sie wenig später mit ansehen, wie er und ein Journalist in seinem Auto auf dem Parkplatz des Stadions verbrennen. Die Täter konnten entkommen. Hooligan Marcel Fork (Max von der Groeben) und sein Kumpel versuchten zuvor vergeblich, den beiden zu Hilfe zu kommen. Marcel ist nun auf der Flucht, sein Freund hat nicht überlebt.

Brandstätter und Fork suchen die Wahrheit hinter dem Anschlag. Der vorbestrafte junge Mann schleicht sich in die Kreise des bezahlten Verbrechens ein, die hinter dem Auftragsmord stehen, sie folgt Winters Recherchen im Korruptionssumpf rund um Jean Leco (Raymond Thiry). Der Präsident der World Football Association will seinen Vorschlag zu einer World Football League zusätzlich zur WM durchbringen.

Um das Trio kreisen die ersten acht Folgen des internationalen Projekts "Das Netz". Die ersten vier, jeweils 45-minütigen Folgen bringt die ARD am Donnerstag, 3. November, ab 20.15 Uhr. In Deutschland, Österreich und Italien entstanden drei Serien um die Hintergründe des internationalen Fußballgeschäfts, die inhaltlich aufeinander aufbauen, aber jeweils in sich abgeschlossen sind. Den Auftakt macht der deutsche Teil "Das Netz – Spiel am Abgrund", bei dem Rick Ostermann nach einem Buch Regie führte, das von Bernd Lange als Headautor zusammengehalten wurde. Zwei Wochen später und wenige Tage vor Beginn der Fußball-WM folgt der österreichische Teil "Das Netz – Prometheus". Der italienische Erzählstrang ist noch nicht fertiggestellt und wird später ausgestrahlt.

Der Umsatz des Weltverbandes würde bei der Einführung einer World Football League – ähnlich der realen und noch gescheiterten Super League europäischer Topclubs – weiter in die Höhe schnellen. Nach außen verkauft Präsident Jean Leco die Idee als Verbesserung für afrikanische Staaten, deren Talente von einer großen Karriere träumen. Scouts wie David Winter holen die Jungen zur Ausbildung nach Europa. Aber nur einer von Hundert schafft es in die großen Ligen der Welt, wie Autor Lange herausfand. Im Gegensatz zu ihren Altersgenossen aus Europa werden sie selten von den Familien aufgefangen, wenn der Traum von einer Profikarriere platzt. Ihre Schicksale interessieren den Autor besonders.

Das Machtspiel unter den korrupten Fußballfunktionären verliert Lange aber nie aus den Augen. "Als Zeitungsleser weiß ich natürlich, dass etliche Skandale den Weltfußballverband erschütterten, die den Eindruck erweckten, es handele sich um mafiöse Strukturen. Bei einer Verdichtung der bekannten Fakten wäre es eine irrsinnige Geschichte."

Es könnte so hinter den Kulissen ablaufen, muss es aber nicht: Aus diesem Spannungsfeld und dem Spiel mit dem Wissen des Zuschauers bezieht "Das Netz" seine Brisanz und seinen Reiz. Bis dann am 20. November wieder die reale Fifa übernimmt – mit einer WM, die zumindest hierzulande so praktisch niemand gewollt hat.

Katharina Dockhorn/tsch

• "Das Netz – Spiel am Abgrund", ab 3. November, 20.15 Uhr, in der ARD, bereits jetzt in der ARD-Mediathek verfügbar

• "Fifa Uncovered", ab 9. November auf Netflix