Zukunft ungewiss
Zirkus Boldini kämpft ums Überleben

17.11.2023 | Stand 22.11.2023, 10:11 Uhr
Waltraud Riedl

Mit atemberaubender Luftakrobatik an Bändern beeindruckte Chiara Maria Frank das Publikum. − Foto: Riedl

Da stockt einem förmlich der Atem, wenn sich Nina Selma Frank (Künstlername Frankordi) todesmutig kopfüber in die Manege hinunterstürzt. Und das „ohne Netz und doppelten Boden“, komplett ungesichert.

Auch Schwester Chiara Maria überzeugt mit Akrobatikkünsten, insbesondere bei der nicht minder spektakulären Strapaten-Nummer (Luftakrobatik mit Bändern) gemeinsam mit Bruder und Junior-Direktor Philipp Peter.

Das Publikum ist beeindruckt, die Kinderaugen leuchten – besonders, wenn auch noch Clown Peppino (Danny Frank) durchs Zelt wirbelt und seine Späße macht. Es gibt viele „Ahs“ und „Ohs“ und herzhaftes Lachen.

Im Familienzirkus Boldini beeindrucken die drei Töchter und zwei Söhne in verschiedenen Darbietungen, während Senior-Chefin Nina Maria als Zirkusdirektorin neben Tochter Mindy, die zwischendrin ebenfalls als Clown oder Luftakrobatin auftritt, durchs Programm führt. Die zweistündige Show bereichern auch Tiernummern mit Mongolischen Trampeltieren, Pferden und sogar zwei süßen kleinen Hunden.

Tradition geht bis ins Jahr 1812 zurück

Die Familie kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Wie Senior-Chef Philipp Frank mit Stolz zu berichten weiß, gründete sein Vorfahre Adam Frank bereits 1812 den Zirkus, welcher damit mittlerweile – neben „Renz“ und „Bauer“ – der drittälteste in Deutschland ist. Seine Kinder bilden nun schon die achte Generation. Interessant auch der „Firmenname“. Wegen mehr Publikumswirksamkeit und weil damals italienische Namen für Zirkusse hip waren, suchte sein Vorfahre Adam nach einer passenden Alternative. Ein italienischer Handstand-Artist in seinem Ensemble erlaubte Adam Frank, seinen Namen „Boldini“ zu verwenden. Man könnte ein Buch schreiben darüber, was der Senior, der früher selber als feuriger Akrobat aufgetreten ist, alles zu erzählen weiß und erlebt hat.

Ein Unfall, Corona und dann noch ein Sturm

Und jetzt kämpfen sie ums Überleben. Direktorin Frank berichtet über die Notlage, in die sie geraten sind. Nach zwei schweren Unfällen, die ihr Mann und der Sohn 2019 nur mit viel Glück ohne schwerwiegendere Verletzungen überlebten, kam es dann zur zweijährigen Corona-Zwangspause. Als sie meinten, es ginge wieder aufwärts, ereilte sie auch noch ein gewaltiges Sturm-Unglück, wobei das Zelt und alles Inventar, Lichtanlage, Musikequipment, Tierzelte u.v.m. komplett zerstört wurden. Aus Bundesmitteln vergibt das Kultusministerium auf Antrag Zuschüsse für deutsche Zirkusse in Not. Hierbei handelte es sich um eine Förderung, die erstmalig sowohl den Zirkus als Kulturgut unterstützt als auch dessen Infrastruktur. Trotzdem: Das Geld reiche hinten und vorne nicht, heißt es von Seiten der Zirkusleute.

Kinder können in den Ferien Kunststücke lernen

Und auch das ist eine wichtige Einnahmequelle: Als „Mitmach-Circus-Boldini“ wird Kindern in den Ferien die Möglichkeit geboten, in einer Projektwoche unter Anleitung pädagogisch geschulter Ausbilder selber Kunststücke zu erlernen oder sich als Clown oder Pantomime zu versuchen. In der Zusammenarbeit mit Schulen zeigten sich Lehrer, Eltern und vor allem die Schüler davon sehr begeistert.

Wie in einem der begeisterten Beiträge im Gästebuch des Zirkus zu lesen ist: „Man merkt immer erst, was man verloren hat, wenn es nicht mehr da ist. Nur ausreichende Zuschauer gewährleisten, dass auch die nächste Generation so etwas noch live erleben kann.“

Am Ende der Vorstellung gibt der Senior-Chef ein Gedicht über das Leben eines „Zirkus-Menschen“ zum Besten, das die Zuschauer sichtlich berührt und hoffentlich inspiriert, die Botschaft weiterzutragen und viele zu einem Zirkusbesuch zu animieren – oder den Zirkus vielleicht mit einer Spende zu unterstützen: DE 49 1001 0010 0147 0301 36, Empfänger Philipp Peter Frank.