Interview
„Mein erstes Mal“ – Der Amateurfunker

Michael Mauerer erzählt von seinem besonderen Hobby, das ihn mit Menschen in aller Welt verbindet

05.03.2023 | Stand 05.03.2023, 19:00 Uhr

Rund 10000 Euro hat Michael Mauerer mittlerweile in seine Funkanlage investiert. Mit ihr nimmt er Kontakt mit anderen Funkern in aller Welt auf. Doch für den Einstieg in den Amateurfunk müsse man nicht mehr als ein paar Hundert Euro in die Hand nehmen, sagt der Vorsitzende des Passauer Ortsverbands des Deutschen Amateur-Radio-Clubs. −Foto: privat

Was ist Ihre erste Erinnerung ans Funken?
Meine Eltern hatten einen kleinen Betrieb, ein Baustoff-Lagerhaus. Da waren natürlich auch immer wieder Lkw. Irgendwann und irgendwoher, ich weiß gar nicht, wie das abgelaufen ist, war ein Funkgerät da, durch das man ab und zu jemanden reden hat hören. Über das Funkgerät habe ich einen anderen Jungen in meinem Alter kennengelernt, wir waren beide sieben oder acht Jahre alt. Ich saß also oft im Lkw, in dem das Funkgerät verbaut war, und habe mit ihm gesprochen. Sein Vater war Lehrer und hatte eine Heimstation fürs Funken. Die haben am Brotjacklriegel gewohnt, also weit oben, eine tolle Lage fürs Funken. Ich durfte sogar manchmal am Wochenende im Lkw schlafen, dann haben wir die halbe Nacht gefunkt.

Wann wurde Ihnen erstmals klar, dass es Amateurfunker und entsprechende Organisationen gibt?
Ziemlich spät, das war erst 2010. Ich bin im Hauptberuf Fernfahrer, hatte natürlich ein CB-Gerät im LKW und kaufte mir für zu Hause eine Heimstation. CB-Funk nennt man auch „Jedermannsfunk“, das hat praktisch jeder Lkw. Dafür braucht man keine Lizenz, das Gerät hat auch nur eine minimale Reichweite. Am Wochenende, wenn ich daheim war, hat es mir Spaß gemacht, mit anderen Funkern Kontakt aufzunehmen, das waren immer nette Gespräche. Und einer von denen war ein richtiger, lizenzierter Amateurfunker.

Wie sah Ihr erster Schritt in das Hobby „Amateurfunken“ aus?
Als ich gehört hatte, dass es Amateurfunken gibt, war ich interessiert. Zuerst habe ich im Internet rumgestöbert und rausgefunden, dass es in meiner Heimat Tittling einen Amateurfunker gibt. Den habe ich ausfindig gemacht und besucht. Er hat mir erzählt, dass er Verbandsvorsitzende des DARC-Ortsverbands Freyung ist. Den habe ich mir im Internet angesehen, aber das waren nur zehn Leute, der jüngste war 65. Also habe ich weitergesucht und bin auf den Ortsverband Passau gestoßen. Die Vorstandschaft war in meinem Alter, also bin ich zu einem der monatlichen Clubabende gefahren. Ich bin mordsfreundlich aufgenommen worden und habe reingeschnuppert.

Was machen Amateurfunker eigentlich?
Es geht darum, Funkverbindungen zu anderen Amateurfunkern herzustellen. Das kann Sprechfunk sein, aber auch über Morsecode funktionieren, auch Faxe sind möglich. Über das Anfunken kann man viele Menschen kennenlernen, ich habe sehr viele Freunde gefunden, und zwar auf der ganzen Welt. Das ist sehr breitgefächert. Die einen machen Satellitenfunk, andere funken über Ultrakurzwelle oder Kurzwelle – das mache ich hauptsächlich, damit kommt man locker um die ganze Erde rum. Australien ist kein Problem. Was ich besonders gerne mache, ist die sogenannte „DX-Jagd“. „DX“ bedeutet: Stationen außerhalb Europas, und ich jage quasi Länder. Es gibt 340 Funk-„Länder“, dazu zählen nicht nur die Staaten der Welt, sondern auch viele Inseln, die weit von jeder Küste entfernt sind. Und die jage ich. Im Moment stehe ich bei 301 „Ländern“.

Ihr Ziel ist es also, auch in den 39 verbleibenden „Ländern“ andere Amateurfunker zu erreichen?
Genau. Das wird aber noch 20 oder 25 Jahre dauern.

Warum dauert das so lange? Kann man nicht einfach nach Vanuatu funken und kurz mit jemandem reden?
(lacht) Vanuatu ist kein Problem, dort gibt es ansässige Funker und Strom. Aber es gibt auch „Länder“ wie die Insel Bouvet. Die liegt irgendwo im Nirgendwo zwischen Südafrika und der Antarktis. Dort lebt kein Mensch, die Temperaturen liegen meistens zwischen -20 und -30 Grad. Ab und zu leben dort ein paar Pinguine, aber das war’s dann. Die Insel ist ein Naturschutzgebiet, also kann man auch nicht einfach so hinfahren und schnell eine Funkstation einrichten.

Wie kann man Bouvet also anfunken?
Es gab heuer eine organisierte DX-Expedition, die über ein Jahr lang geplant wurde. Die Teilnehmer haben alle nötige Ausrüstung samt Treibstoff fürs Notstromaggregat per Schiff rübergefahren. Sie haben ein paar Forscher mitgenommen, die dort waren, um Vögel zu zählen und andere wissenschaftliche Projekte zu betreiben. Wegen dieser Forschungsarbeit war es überhaupt erst möglich, die Genehmigung für die Expedition zubekommen. Eine knappe Woche waren sie dort, dann mussten sie wegen widriger Umstände heimfahren. In dieser Zeit wurden 18 000 Funkverbindungen hergestellt, weil Bouvet eines der begehrtesten DX-Länder der Welt ist. Die letzte Expedition davor war vor 27 Jahren, es kann jetzt also dauern, bis man Bouvet wieder anpeilen kann.

Sie achten als Amateurfunker also darauf, was in den entlegensten Gebieten der Erde passiert, in der Hoffnung, eine Verbindung dorthin aufzubauen.
Genau! Dafür gibt es eigene Portale und Internetseiten, die darüber informieren und solche Expeditionen auflisten. Kleinere Expeditionen bestehen zum Beispiel aus fünf Freunden, die nach Zentralafrika fahren und von dort funken, oder auf einsame Inseln, die man ohne großen Aufwand besuchen kann.

Welches Land ist am schwersten zu erreichen?
Nordkorea. Da gibt es praktisch keine Chance.

Um zu funken, braucht man eine sogenannte „Rig“. Wie sah Ihre erste Rig aus?
Eine „Rig“ ist im Grunde einfach ein Funkgerät. Meine Erste war ein günstiges Einsteigergerät. Ich habe am Anfang die Klasse-E gemacht, die Einsteigerlizenz, mit der man nur auf bestimmten Bändern und mit maximal 100 Watt funken darf. Ansonsten hat man aber dieselben Privilegien wie andere Amateurfunker, man darf selber Geräte basteln und rumprobieren.

Wie viel Geld haben Sie in Ihre jetzige Rig investiert?
Im Laufe der vergangenen zwölf Jahre habe ich ungefähr 10000 Euro in meine Anlage gesteckt.

Was kann diese Anlage?
Das Funkgerät hat einen sehr empfindlichen Empfänger, mit dem ich Stationen hören kann, die andere nicht reinbekommen. Dazu habe ich einen Endstufe-Verstärker – einen sogenannten Power-Amplifier oder PA –, mit dem ich die Leistung verstärken kann. Ich darf mit meiner Lizenz jetzt mit 750 Watt funken. Ich habe auch eine drehbare Antenne, die ich in Richtung des Signals drehen kann.

Wie viel muss man investieren, wenn man nur mal reinschnuppern will?
Man kann ohne weiteres mit einem Handfunkgerät für 150 oder 200 Euro anfangen. Wenn man damit auf einen Berg fährt, funktioniert das schon sehr gut.

Wer war der erste Funker, mit dem Sie Kontakt aufgenommen haben?
Das war bei einem Contest, also einem Wettbewerb mit verschiedenen Stationen. Das war ein „YL-Contest“. „YL“ steht für „Young Lady“, so werden die weiblichen Amateurfunker bezeichnet. Als Mann bin ich in der Funkerszene ein „OM“, ein „Old Man“ (lacht). Bei dem Contest ging es darum, möglichst viele Stationen zu erreichen.

Worüber haben Sie mit der Young Lady gesprochen?
Beim Contest hält man den Kontakt so kurz wie möglich, damit möglichst viele Leute eine Verbindung aufbauen können. Da wird nur kurz der Rapport ausgetauscht, in dem man die Verbindung bewertet. Je besser man die Station hört, desto höher die Bewertung.

Was sind QSL-Karten und warum sind Sie so wichtig für Amateurfunker?
Auf einer QSL-Karte stehen sämtliche Karten einer Funkverbindung. Auf ihr steht die Zeit in UCT, also in der koordinierten Weltzeit, dann das Band bzw. die Frequenz, welche Art der Verbindung es war, und der Verbindungsrapport.

Ihre erste Karte kam also von der Young Lady, die Sie im Contest angefunkt haben?
Genau.

Wie kommen die Karten dann zum Gegenüber?
Ich fülle die Karte aus, das funktioniert über mein Log-Programm im Computer, drucke sie aus und verschicke sie dann über den DARC. Die Karten werden im OV von unserem QSL-Manager eingesammelt. Wenn ein kleiner Karton voll ist, gehen die Karten an den DARC, der sie dann in alle Länder der Welt schickt.

Jeder Funker hat ein eigenes Rufzeichen. Ihres ist DJ8SN. Hat es eine besondere Bedeutung?
Normalerweise nicht. Früher wurden sie einfach zugeteilt, heute kann man sie sich aus den freien Rufzeichen eines aussuchen. Ich hatte großes Glück mit meinem Zeichen, das vorher einem anderen Funker gehört hat, der verstorben ist. Mein Rufzeichen passt perfekt: Das D ist klar, das ist „Deutschland“, das hat jeder bei uns. Das „J“ steht für Judith, meine Frau. Die Acht war die letzte freie Nummer. Das „S“ ist meine Tochter Selina und das „N“ mein Sohn Nico.

Was war Ihr schönster Moment als Amateurfunker?
Das war, als ich auf der Ham-Radio Messe, einer der drei größten Funkermessen der Welt, mein großes Idol und meinen Mentor Franz Langner, DJ9ZB, kennengelernt habe. Er war einer meiner ersten seltenen DX-Verbindungen. Franz Langner war weltbekannt unter den Amateurfunkern, er hat als DX-Expediteur fast die ganze Welt bereist. Damals war er auf der Insel Malpelo. Im Grunde ist diese Insel nicht mehr als ein Felsen, der 500 Kilometer westlich von Kolumbien aus dem Pazifik ragt. Und ich habe es tatsächlich geschafft, ihn mit meinem kleinen 100-Watt-Gerät zu erreichen. Er hat mich zuerst gefragt, wie die Bayern am Wochenende gespielt haben, und sich dann etwas Zeit für mich genommen. Ein Jahr später habe ich Ihn auf der Messe kennengelernt. Es ist überhaupt immer schön, wenn man auf den Messen Kollegen trifft, die man vorher nur vom Funken kannte. Viele sind über die Jahre richtige Freunde geworden. Mein Funk-Freund Hamad aus Kuwait zum Beispiel ist fast jedes Jahr auf der Messe, oder der Ivo aus Liechtenstein.

Wer Freunde auf der ganzen Welt haben will, sollte also Amateurfunker werden.
Absolut. Ich hätte dank meines Hobbys überhaupt kein Problem, in Amerika spontan Urlaub zu machen. Das ist nur ein Funkspruch: „Du, pass auf, ich bin eine Woche bei euch und brauche einen Schlafplatz.“ Und schon habe ich ein Gästezimmer.

Was würden Sie Interessierten raten, die sich das Hobby einmal anschauen wollen?
Dass sie sich die Seite des DARC anschauen. Dort sind alle Ortsverbände aufgelistet. Dann sollte man den OV einfach anschreiben und fragen, ob man zu einem Treffen kommen kann. Das ist eigentlich nie ein Problem. Bei uns sind Interessierte immer willkommen.

Braucht man als Amateurfunker technische Vorkenntnisse?
Also ich hatte von Elektronik vorher so viel Ahnung wie eine Kuh von einem PC, also Null. Ich habe mir dann viel beigebracht für die Prüfung, die man ablegen muss. Man kann sich also auch als blutiger Anfänger reinfuchsen.


Interview: Johannes Munzinger