Tittmoning
Stadtratssitzung in höchster Kunstform

Nach drei Jahren wieder Starkbieranstich mit Fastenpredigt und Singspiel der Heimatbühne Tittmoning

12.03.2023 | Stand 12.10.2023, 10:22 Uhr
Josef A. Standl

Die Heimatbühne Tittmoning nahm beim Starkbieranstich wieder einmal die Stadtpolitik aufs Korn. −Foto: Standl

Die eine Form der Demokratie ist es, als Zuhörer an den Stadtratssitzungen im Rathaus teilzunehmen, die andere aber, diesen in kabarettistischer Form als Singspiel beim Starkbieranstich zu lauschen und sich dabei auch manchmal auf die Oberschenkel klopfen zu dürfen. Tatsache ist, dass es bei der jüngsten Stadtratssitzung im Rathaus gerade mal einen Zuhörer gab, beim Singspiel im Saal des Braugasthofes Tittmoning mehr als 250.

Der Starkbieranstich am vergangenen Freitagabend war der 15. in 17 Jahren; zwei fielen in den vergangenen Jahren der Pandemie zum Opfer. Die Menschen drängten sich in den Saal, denn das Programm versprach viel. Die neue Stadtregierung war bisher ausgekommen, „ihr Fett abzubekommen“, was die Spannung erhöhte. Veranstalter waren wie immer die Freien Wähler, die aber versicherten, den Inhalt der Sketche vorher nicht gekannt zu haben. Und so waren sie alle gekommen, die Stadtratsmitglieder aller Farbschattierungen, die Honoratioren vom Landkreis und aus der Stadt. Obwohl die Veranstaltung von einer politischen Gruppe ausgerichtet wurde, konnten es alle als ein vorsichtig ausgeglichenes, aber stark pointiertes „Dablecken“ empfinden und brauchten keine Angst zu haben, von dieser Wählergruppe „punziert“ zu werden.

Beinahe alle Stadtratsmitglieder hatten pointierte Episoden aus ihrem lokalpolitischen Leben über sich ergehen lassen müssen und wäre der eine oder andere nicht dableckt worden, würde er wahrscheinlich direkt beleidigt gewesen sein. Die Heimatbühne Tittmoning hat es tatsächlich zustande gebracht, aus ihren Reihen Darsteller zu finden, die vom Habitus her, also vom Auftreten, den Umgangsformen, ihren Vorlieben, dem Gestikulieren und auch von den sprachlichen Gewohnheiten schon äußerlich ihre „Originale“ erkennen lassen. Einer hatte es leicht: Max Schupfner, der seinen eigenen Vater Konrad Schupfner mimte. Ihm war die Rolle eines Altbürgermeisters zugedacht, der immer wieder mit gutgemeinten Vorschlägen an seinen Nachfolger herantritt. Viele Episoden aus den vergangenen drei Stadtratsjahren gab es hier nachzustellen in bissiger, lustiger, immer aber in pointierter Form. Wenig überraschend bekam Bürgermeister Andreas Bratzdrum das meiste „Fett ab“. Dableckt wurde auch der streng geheim gehaltene Auftritt von Ministerpräsident Markus Sölder und Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber auf der Salzachbrücke zum Thema Salzachverbauung, von dem nur engste Kreise und die Presse wussten, aber sodann spontan Protest auftrat. Im Zentrum stand auch der „hochmotorisierte“ Stadtplatz und die geplatzte Landesgartenschau, um nur die wichtigsten Themen zu nennen.

Tom Brückner, Autor bei der Heimatbühne, war auch für die Texte bei diesem Singspiel verantwortlich und es gebührt ihm der große Applaus für die Treffsicherheit dieser, ebenso wie Gabriele Obermaier, die mit Melodien aus Operette und Musical am Klavier begleitete. Hohe schauspielerische Leistungen vollbrachten Felix Forster (Darstellung des Bürgermeisters Andreas Bratzdum), Petra Sinzinger (Barbara Danninger), Tom Winkler (Dirk Reichenau), Max Schupfner (Altbürgermeister Konrad Schupfner), Laurin Mayer (Thomas Brauner), Michaela Stief (Maria Kellner), Thomas Bruckner (Hans Glück), Franz Forster (Sebastian Kettenberger), Kathi Bauer (Ute Sesselmann) und Alfred Kunz (Gottfried Ganisl). Zum Schluss wurden die „Originale“ auf die Bühne gebeten und die begeisterten Zuschauer konnten sodann direkte Vergleiche anstellen.

Die mitgliederstarke Heimatbühne Tittmoning nutzt auch sonst die Bühne im Stadtsaal, dem ehemaligen Braugasthof Tittmoning. Der bayerische Schriftsteller Herman Schmid, der etwa zur Zeit von Ludwig Ganghofer lebte und ein ähnliches Genre der Schiftstellerei ausübte, beschreibt in seinen „Gesammelte Schriften“, dass er im Bräugasthof Tittmoning eine gepflegte Aufführung des renommierten Schiffertheaters Laufen im Jahre 1861 mit dem Stück „Mohrenfranzel“ besuchte, als er in dieser Stadt einquartiert war. Theaterspielen hat auf dieser Bühne bereits große Tradition.

Franz Forster spielte in einem weiteren Stück eine Szene, in der Gott Noah beauftragte, die Arche zu bauen und dieser an der bayerischen Behördenhierarchie scheiterte. Bezogen auf die Situation von Tittmoning hatte es Godehard Mayer geschrieben, aus dessen Feder auch die „Fastenpredigt“ des Bruder Laurentius stammt, die sich ebenfalls mit regionalen Problemen sketchartig auseinandersetzte.

„Stabübergabe“ bei den Freien Wählern



Zu Beginn der Veranstaltung spielte die Heulandler Danzlmusi mit zünftigen Bierzeltmusiklängen und stimmte die Besucher ein. Eines war den Freien Wählern dennoch wichtig: Maria Kellner, die seit nahezu zwei Jahrzehnten diese politische Gruppierung im Stadtrat anführt, übergab den Stab, der mit vielen bunten Bändern geschmückt ist, an ihre Nachfolgerin Barbara Danninger weiter. Durch das Programm an diesem Abend führte sodann die neue „Stabträgerin“ Danninger.