Tacherting
Mut in einer dunklen Zeit

Anna Schenkl aus Tacherting gehörte zur Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“ in Traunstein

04.03.2023 | Stand 25.10.2023, 11:15 Uhr

Nur wenige Fotos hat Rudolf Schenkl aus der Zeit, als die Familie in Traunstein lebte und die Mutter aktiv in der Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“ war. −Fotos: Traup, privat

„Meine Mutter hat nur selten darüber gesprochen“, sagt Rudolf Schenkl, Tachertinger Altbürgermeister, über seine Mutter Anna Schenkl. Dabei hatte die 2013 verstorbene Frau Mut in der dunkelsten Zeit der deutschen Geschichte bewiesen. Sie gehörte zu einer kleinen Gruppe der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, die auch in Traunstein 1942/43 Flugblätter gegen den Krieg verteilt oder verschickt hat.

Bekannt ist die Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“ hauptsächlich durch die Münchner Gruppe um Sophie Scholl, Christoph Probst, Alexander Schmorell und Hans Scholl, die nach einer Flugblattaktion in der Ludwig-Maximilians-Universität München am 18. Februar 1943 verhaftet worden waren. Sie wurden bereits vier Tage später durch das Fallbeil hingerichtet. Die Gruppe hatte seit Mitte 1942 mit Flugblattaktionen in München zur Beendigung des Krieges aufgerufen. Die meisten Flugblätter wurden jedoch per Brief verschickt. Doch die Aktionen waren gefährlich. Und Papier und Briefmarken waren rationiert, Vervielfältigungsmaschinen rar. Da fielen Menschen, die viele Briefmarken kaufen wollten schnell auf. Die Münchner Gruppe ist historisch am bekanntesten.

Dabei gab es auch Gruppen, die der Widerstandsbewegung angehörten, aber in anderen Städten tätig waren. Dafür wurden vertrauenswürdige Freunde und Bekannte in Ulm, Stuttgart, Saarbrücken, Bonn, Freiburg, Hamburg oder Chemnitz angeworben, aber auch in kleineren Städten, unter anderem in Traunstein. Dort gehörte Anna Schenkl mit zu den Aktiven. „Zusammen mit einigen Freundinnen haben sie Flugblätter verteilt“, erklärt ihr Sohn. Doch viel mehr weiß er nicht. Nur soviel: Als bekannt wurde, dass einige Mitglieder der Münchner Gruppe verhaftet worden waren, stoppten auch Anna Schenkl und ihre Freundinnen ihre Aktionen. „Da ist es ihnen einfach zu gefährlich geworden“, sagt Rudolf Schenkl.

Er weiß nur, dass es „vier bis fünf Freundinnen“ waren, die in die Verteilung und Versendung von Flugblättern gegen den Krieg beteiligt waren. Wie viele Flugblätter angefertigt wurden, darüber wurde in der Familie „nie gesprochen“, so Schenkl. Doch da seine Mutter damals bei der Post beschäftigt war, dürfte sie einen leichteren Zugang zu rationiertem Papier gehabt haben. Auch an Briefmarken, um die Blätter zu versenden, dürfte sie leichter gekommen sein.

Dadurch, dass die Mitglieder der Widerstandsgruppe sehr darauf bedacht waren, nur zuverlässige Mitglieder aufzunehmen, wurden etliche Mitglieder nie enttarnt. So auch Anna Schenkl. Dass jedoch der Pedell, der die Geschwister Scholl bei ihrer Flugblattaktion in der Münchner Universität gesehen hatte, gerade in Traunstein geboren wurde, ist eine Ironie der Geschichte.

Schon vor den Flugblattaktionen hatte Anna Seibold, so ihr Geburtsname, 1942 geheiratet, den gut drei Jahre älteren Martin Schenkl. 1944 wurde Sohn Rudi geboren, der seinen Vater jedoch erst 1948 nach dessen Entlassung aus der Gefangenschaft zum ersten Mal sah.

Die Familie zog im Jahr 1948 nach Trostberg und 1950 schließlich nach Tacherting. Die Mutter trat 1963 der SPD bei. Ihr Sohn Rudolf Schenkl folgte 1970 mit seinem Beitritt in die SPD. Er war von 1994 bis 2006 Bürgermeister der Gemeinde Tacherting. Die Erinnerung an seine Mutter ist sehr lebendig. Aber die Schilderungen aus der Traunsteiner Widerstandszeit waren selten. Und erst Jahrzehnte später hatte die Mutter davon erzählt. Bilder aus dieser Zeit sind bei den Schenkls ganz rar. Fotografieren war teuer, war etwas für Enthusiasten, die sich dieses Hobby leisten konnten, und Filme und Fotopapier waren besonders rationiert in Kriegszeiten.