Über 500.000 Euro verloren
Millionärin (85) fällt auf Betrüger rein: Lange Haft für Anlageberater

16.05.2023 | Stand 16.09.2023, 22:00 Uhr
Monika Kretzmer-Diepold

Ein Anlageberater aus Nordrhein-Westfalen ist in Traunstein verurteilt worden. −Foto: Symbolfoto dpa

Für zwei Jahre und neun Monate Haft schickte das Schöffengericht Traunstein mit Richterin Maria Riedl einen 62-jährigen Anlageberater aus Nordrhein-Westfalen hinter Gitter, der eine 85-jährige Frau aus dem Landkreis Traunstein mittels nie zurückgezahlter Darlehen um 530.500 Euro geschröpft hatte. Seine gleichaltrige Ehefrau muss eine Geldstrafe von 3750 Euro zahlen.



Staatsanwalt Dr. Gregor Stallinger stellte im Plädoyer fest: „Der Angeklagte hat die Geschädigte wie eine Weihnachtsgans ausgenommen.“ Der alten Dame, die früher in Norddeutschland wohnte, gehörte dort ein kleines Unternehmen. Der Angeklagte beriet sie in dieser Zeit bei Investitionen. Sie verkaufte den Betrieb später für mehrere Millionen Euro und erwarb im Chiemgau ein Haus als Alterssitz. Im Sommer 2010 wandte sich der einstige Berater an sie und bat um Geld, um sich selbstständig machen zu können. Tatsächlich gründete er Ende 2010 eine Firma, die 2019 umgeändert wurde.

Anlageberater reist über Jahre nach Oberbayern



Über Jahre reiste der 62-Jährige alle paar Monate mit dem Zug nach Oberbayern, um die Geschäfte am Laufen zu halten. Die Gelder von vier Verträgen aus den Jahren 2010, ’14 und ’15 flossen auf seine Firmenkonten, wurden gemäß Anklage teils auf andere Konten verschoben und letztlich von dem Ehepaar privat verbraucht. Unter dem Strich summierten sich die Beträge auf über eine halbe Million Euro.

Die inzwischen 85-Jährige bemerkte lange Zeit nichts von den kriminellen Machenschaften hinter ihrem Rücken. Irgendwann schöpfte sie Verdacht und wandte sich an ihren Anwalt. So kam ein Ermittlungsverfahren ins Rollen, das zur Anklage der Staatsanwaltschaft Traunstein gegen das Ehepaar wegen gemeinschaftlichen Betrugs in vier besonders schweren Fällen mit Untreue in 18 Fällen führte. Die Angeklagten sollten zudem einen Wertersatz in voller Höhe zur Schadenswiedergutmachung leisten.

Die Verhandlung vor dem Schöffengericht dauerte am Montag bis in die Abendstunden. Dabei gab sich der Anlageberater – ein gelernter Industriekaufmann, später auch bei Versicherungen und Bausparkassen als Makler tätig – teilgeständig. Seine Ehefrau, eine Friseurmeisterin mit eigenem Geschäft, wollte von nichts gewusst haben.

Angeklagter forderte Adoption und Alleinerbe



Die 85-Jährige berichtete von seltsamen Details: Der 62-Jährige habe von ihr gefordert, ihn zu adoptieren beziehungsweise ihn in ihrem Testament als Alleinerbe einzusetzen. Damit hätte er neben dem schon erbeuteten Geld auch noch ihr Haus im Chiemgau kassieren wollen. Außerdem habe er ihr einen Kontakt zu einer Sterbehilfeorganisation in der Schweiz vermitteln wollen. Der Hintergrund nach Vermutung des Staatsanwalts: Bei rechtzeitigem Ableben der Dame wäre der Betrug nie ans Tageslicht gelangt.

Das Schöffengericht hatte Bedenken wegen der Verfolgungsverjährung der Taten aus den Jahren 2010 und ’14. Das bedeutete: Die Angeklagten konnten dafür nicht mehr strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden. Die Taterträge aus dieser Zeit konnten laut obergerichtlicher Rechtsprechung dennoch eingezogen werden. Vorsitzende Maria Riedl erteilte den Hinweis, bei der 62-Jährigen komme auch Verurteilung wegen leichtfertiger Geldwäsche in Betracht. Der Staatsanwalt sah dagegen sogar gewerbsmäßige Geldwäsche – Stallinger beantragte für den Anlageberater vier Jahre Freiheitsstrafe, für die Ehefrau drei Jahre Gefängnis. Die beiden Verteidiger hielten eine bewährungsfähige Strafe für den Mann und Freispruch für die Frau für angemessen.

Fünfjähriges Berufsverbot als Anlageberater



Das Gericht erkannte bei dem 62-Jährigen im Urteil auf zweifachen Betrug und Untreue in 18 Fällen. Über die Freiheitsstrafe hinaus erteilte ihm die Richterin ein fünfjähriges Berufsverbot als Anlageberater. Die Frau habe sich einer leichtfertigen Geldwäsche schuldig gemacht und werde im Rest freigesprochen.

Die Vorsitzende betonte, alle Geldflüsse hätten wie angeklagt stattgefunden. Die Frage sei: „Wurde das Opfer getäuscht?“ Bezüglich des Angeklagten sei das zu bejahen, habe er doch die 85-Jährige über seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit getäuscht: „Ihm war von Anfang an klar, dass er die Darlehen nicht zurückzahlen konnte oder wollte. Er wusste, dass sie vermögend und ohne Erben war.“ Seine Ehefrau habe zum Teil von den „Darlehen“ profitiert, fuhr Maria Riedl fort. Sie habe sich „einfach Geld auf ihr Konto überweisen lassen“ – ohne irgendwelche Nachfragen.

Das Opfer als „Selbstbedienungsladen“



Bei den strafschärfenden Aspekten stellte die Vorsitzende fest, für den Anlageberater sei die Frau „ein Selbstbedienungsladen“ gewesen: „Er forderte immer weiter Geld. Sie hat helfen wollen. Das Alter der Geschädigten hat ihm in die Hände gespielt. Es hätte ihm gut gepasst, wenn sie nicht mehr mitbekommt, dass er Geld von ihrem Konto abgezweigt hat.“ Der extrem hohe Schaden, der lange Tatzeitraum und das ausgenutzte Vertrauensverhältnis seien weitere negative Aspekte. Bei der Frau sei keine Freiheitsstrafe erforderlich. Eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 25 Euro sei ausreichend, stellte die Vorsitzende fest.