Landkreis Traunstein/Südostbayern
Ein Gewitter, das sich gewaschen hat: Schneise der Verwüstung – 800 Kräfte 250 Mal gefordert

27.08.2023 | Stand 12.09.2023, 22:46 Uhr

Bedrohlich walzt die Gewitterfront von Westen her auf Traunstein zu – hier vom Stadtteil Neuling aus fotografiert. −Foto: privat

Die Orkan- und Starkregenfront am Samstag kam aus heiterem Himmel – und richtete im Landkreis Traunstein und auch in den Nachbarlandkreisen enorme Schäden an. Gegen 17 Uhr war es, als von Westen her eine tiefschwarze Gewitterfront aufzog, die sich im wahrsten Sinne gewaschen hatte. Das Unwetter entlud sich heftig und brachte binnen rund 45 Minuten sintflutartigen Regen und Hagel, entwurzelte zahllose Bäume, deckte Dächer ab und sorgte für überschwemmte Straßen und Gebäude sowie Behinderungen im Bahnverkehr.

Die ebenso gute wie erstaunliche Nachricht: „Es sind keine Verletzten zu beklagen.“

Die Freiwilligen Feuerwehren mussten einen wahren Marathon bewältigen: Peter Volk, Sprecher des Kreisfeuerwehrverbandes Traunstein, spricht von mehr als 250 Einsätzen mit rund 800 Kräften. „Die Sachschäden sind enorm“, so Volk. Aber die ebenso gute wie erstaunliche Nachricht ist: „Es sind keine Verletzten zu beklagen.“

Stundenlang waren die Floriansjünger gefordert, um umgestürzte und entwurzelte Bäume zu beseitigen, Straßen wieder befahrbar zu machen, überflutete Keller auszupumpen oder Gebäude zu sichern. Der langwierigste Einsatz spielte sich in Kammer bei Traunstein ab, wo ein Baukran auf ein Haus gestürzt war.

„Um 17.28 Uhr ging der erste Alarm ,Baum über Fahrbahn‘ bei der FFW Marquartstein ein. Danach überschlugen sich die Ereignisse“, schildert Peter Volk. Fast im Minutentakt gingen die Notrufe bei der Integrierten Leitstelle Traunstein ein. Gegen 18 Uhr habe man die vier regionalen Führungsstellen Aachen (Rottau), Alz (Trostberg), Chiemsee (Erlstätt) und Salzach (Fridolfing) inklusive der zentralen Führungsstelle im Landratsamt Traunstein besetzt.

Traunreut besonders stark betroffen

Besonders in der Landkreismitte schlug das Unwetter mit Sturmböen bis zu 110 km/h, Starkregen von 60 Litern pro Quadratmeter und teilweise heftigem Hagel zu. Spitzenreiter im Einsatzaufkommens war Traunreut. Alle Wehren im Stadtgebiet – Traunreut, Matzing, Traunwalchen, Stein an der Traun und Pierling – waren pausenlos im Einsatz, zudem unterstützt von der Werkfeuerwehr BSH. Insgesamt gingen 86 Alarme ein, davon 82 Meldungen zu vollgelaufenen Kellern, umgestürzten Bäumen oder überschwemmten Wegen und Straßen.

Auch die Große Kreisstadt Traunstein wurde nicht verschont. Während die Haslacher Wehr einen unter Wasser stehenden Lebensmittelmarkt „trockenlegte“, musste die FFW Traunstein 20 Einsätze abarbeiten.

Stark gefordert waren auch die Wehren am Ostufer des Chiemsees. Chieming und Hart sowie Nußdorf hatten zusammen 18 Einsätze – meist mit schwerem Gerät sowie Motorsägen zur Beseitigung umgestürzter Bäume.

Der Inspektionsbereich Traunstein Land 3 – östlicher Landkreis – meldete rund 50 Unwettereinsätze. Rund ein Dutzend Mal ausrücken musste die Feuerwehr Waging. Auch die Bahnstrecke zwischen Traunstein und Waging war wegen eines umgefallenen Baumes zeitweise blockiert. Die Wehr beseitigte das Hindernis und betreute die Passagiere eines Regionalzuges, der einen Zwangsstopp einlegen musste. Am Campingplatz „Gut Horn“ stürzte ein Baum auf einen Wohnanhänger.

Die Feuerwehren Taching und Tittmoning rückten je neun Mal zu Windbruchschäden und einem vollgelaufenen Keller aus. Die Tittmoninger mussten außerdem einen Brand löschen, weil eine abgerissenen Stromleitung einen Baum entzündet hatte. Die FFW Fridolfing hatte zwei Alarmierungen durch automatisierte Brandmeldeanlagen und sieben Einsätzen wegen blockierter Straßen.

Feuerwehrler begleitet Rettungswagen, um Weg in Klinik freizuschneiden

In Palling war ein Ast auf eine Stromleitung gefallen, und an drei Stellen blockierten Bäume die Fahrbahn. Die Kreisstraße TS 26 musste zwischen Taching und Palling für längere Zeit komplett gesperrt werden. Die Behinderungen waren so umfangreich, dass ein Tachinger Feuerwehrler, ausgerüstet mit einer Motorsäge, die Besatzung eines BRK-Rettungswagens bei einem Notfalltransport ins Klinikum Traunstein begleitete, um den Weg bei Bedarf freischneiden zu können und das Durchkommen zum Krankenhaus zu gewährleisten.

Im Nordwesten des Landkreises blieb die Lage mit 36 Einsätzen für die Feuerwehren Altenmarkt, Truchtlaching und Obing halbwegs überschaubar. In Altenmarkt wurde neben der Beseitigung abgebrochener Äste und eines umgefallenen Baumes von Straßen die Umzäunung einer Baustelle gesichert. In Trostberg hatte man es mit überschwemmten Straßen und Wegen sowie dem Entfernen von Ästen und Bäumen zu tun. In Truchtlaching war eine Garage vollgelaufen. Keine Folge des Unwetters war ein Einsatz der Obinger Aktiven, die Tragehilfe für einen Rollstuhlfahrer leisteten, der wegen eines ausgefallenen Aufzugs im Obergeschoss seiner Wohnung festsaß.

30 Mal schlugen die Piepser der Floriansjünger in Seeon, Truchtlaching und Seebruck Alarm (Keller-Auspumpen und Bäume-Entfernen).

„Mehr als die Hälfte der 80 Feuerwehren im Landkreis Traunstein war ab 17 Uhr und teilweise bis Sonntagmittag hunderte Stunden mit Einsätzen zur Beseitigung von Unwetterschäden gefordert“, fasst Peter Volk zusammen.

Eggstätter Maibaum begräbt zwei Autos unter sich

Im Nachbarlandkreis Rosenheim stürzte der Maibaum auf zwei geparkte Autos. Und auf dem Chiemsee mussten mehrere Boote – überwiegend Elektro- oder Segelboote – abgeschleppt und vereinzelt auch geborgen und ihre Insassen von der Wasserwacht gerettet werden, meldet das Bayerische Rote Kreuz.

Angesichts des anhaltenden Regens auch am Sonntag beobachtet der Krisenstab der Wasserwacht Bayern die Pegelstände und Hochwasser-Vorhersagen in Oberbayern, vor allem Inn, engmaschig.

Die Rettungskräfte sind sich einig, dass sich das Schadensausmaß erst in den nächsten Tagen klarer abzeichnen wird.