„Tribute to Boney M.“ im k1 in Traunreut
Konzertkritik: Disco-Show mit leichten Dellen

20.03.2024 | Stand 20.03.2024, 17:03 Uhr

Mit „Children Of Paradise“ ist die Show in den 80er-Jahre angekommen – wie sich auch an den Kostümen ablesen lässt. − Fotos: Enzensberger

Mit Boney M. ist Frank Farian in den 1970er Jahren ein Mega-Coup gelungen: Der deutsche Musikproduzent castete bewusst eine dunkelhäutige Disco-Formation, für das „karibische Flair“, holte ein paar einfach gestrickte, extrem eingängige Songs aus seiner Schublade, ließ sie von dem Quartett einstudieren – und erzielte nach einem Holperstart astronomische Erfolge: Zu Buche stehen 150 Millionen verkaufte Tonträger, 170 000 verkaufte Exemplare an nur einem einzigen Tag und mehrere internationale Nummer-Eins-Hits. Mit der Show „Tribute to Boney M.“ erklangen im Traunreuter k1 legendäre Ohrwürmer wie „Daddy Cool“, „Ma Baker“ und „Rasputin“. Auch wenn die Hommage nur in einzelnen Lichtblicken ans Original heranreichte, und einige inszenatorische Dellen aufwies, sorgte sie für ausgelassene Stimmung, gute Unterhaltung, ein glückliches Publikum und ein fast volles Haus.

Kaum eine Band hat – von Deutschland aus – die Pop-Welt über ein Jahrzehnt so erfolgreich erobert wie Boney M. Das Rezept der Gruppe: Unverwechselbare Melodien, extravagante Kostüme ganz im Zeichen des Zeitgeistes – und raffiniert inszenierte Bühnenshows.

Nicht wegzudenken war neben Liz Mitchell, Marcia Barrett und Maizie Williams der einzige Mann im Bunde: Roberto Alfonso „Bobby“ Farrell tanzte sich nicht nur in die völlige Ekstase, sondern so auch in die Herzen der Fans.

Kurz nach 20 Uhr im k1: Das Saallicht erlischt, der Raum ist nun stattdessen in tiefes Blau gehüllt. Mit der ikonischen Bass-Line samt trippelnder Snare – richtig, der Anfang von „Daddy Cool“ – kommt das Sänger-Quartett unter Applaus auf die Bühne. Namentlich Francy B, Raliza Van Oijen, Chamelle Moser und Martin Lorenz. Spielend werfen sie sich die Sätze „She’s crazy like a fool“ und „Wild about Daddy Cool“ zu. Unüberhörbar: Diese vier hier sind mit Ausnahmestimmen gesegnet. Über die Authentizität der Bühnenkostüme lässt sich hingegen streiten. Zumindest anfangs erinnern sie mehr an eine Faschingsparty, als an die von Dagmar Engelbrecht geschneiderten Originale aus den 70ern. Später, und vor allem wenn die Show musikalisch in den „Eigthies“ angekommen ist, lassen sich die „abgespacten“ Kostüme durchaus sehen.

Den musikalischen Teppich bilden E-Piano (Malte Bechtold), Schlagzeug (Sascha Waack) und E-Bass (Michael Budnik). Auch hier sind hörbar Profis ihres Fachs am Werk – wenngleich es sich für eine solche Show samt überschaubarer Songanzahl eigentlich nicht schickt, mit Notenständern auf der Bühne zu stehen. Generell wirken sie, so stoisch und unverkleidet ihrer Arbeit nachgehend, abgekoppelt vom Rest der Band. So gut sie ihre Instrumente auch beherrschen mögen: Frank Farian hätte die Drei damals wohl höchstpersönlich von der Bühne getragen, um sie dahinter oder daneben zu verstecken.

Durch den Abend führt Susanne Praß-Host, die nach kurzer Zeit im glitzernden Kostüm und ebenso glitzernden Moderationskarten die Bühne betritt. Im Laufe des Abends trägt sie die Vita der Band vor – oder liest sie ab. Wer auf bisher unbekannte Hintergrundstorys oder witzige Anekdoten aus der Bandgeschichte gehofft hat, wurde enttäuscht. Das Wissen geht selten über das der eh sehr übersichtlichen Wikipediaseite hinaus. Verlässlich hangelt sich die Show an der Zeitleiste der Bandgeschischte entlang und feuert Hits wie „Sunny“, „Belfast“, „Rivers Of Babylon“ und „Mary’s Boy Child“ ab. Das Publikum klatscht ab Song Eins mit, ausgelassen werden die Refrains mitgeschmettert, im Laufe des Abends trauen sich auch manche zu tanzen. Zwischenzeitlich trifft eine bunte Discoshow auf so etwas wie Bierzeltstimmung und Mitmachshows von Animateuren in All-Inclusive-Hotels. Den Zuschauern gefällt‘s, irritiert zeigen sie sich nur, als plötzlich ohne jede Mitteilung der Moderatorin das Saallicht angeht, die Band die Bühne verlässt, und so eine Pause eingeläutet wird.

Es ist keine gewaltige Bühnenshow, bei der man am Ende mit offenem Mund da sitzt, und staunend in den Abend entlassen wird. Wenngleich das Ouvre von Boney M. das mit Sicherheit hergeben würde. Dafür fehlt es der „Tribute to Boney M.“-Show aber an einem Gesamtkonzept, das alles mit allem verbindet, einem richtigen Bühnenbild mit orchestrierten Lichteffekten und bis ins letzte Detail authentische Kostüme. Und auch ein bisschen die Lust, über die Choreografien hinaus zu improvisieren, über das Eingeübte hinauszupreschen, über die Strenge zu schlagen. Martin Lorenz beispielsweise ist sympathisch, lieb und talentiert – aber sicher keine Rampensau á la Bobby Farrell. Dessen nahezu besessene Art zu Tanzen, die Bühne für sich einzunehmen, auszurasten, das vermisst der eingefleischte Boney-M.-Fan dann doch bei einer Tribute-Band. Lorenz tippt diesen Charakterzug im Laufe des Abends immer wieder sanft an, bricht aber ab, bevor es interessant wird.

Aber bei aller spitzfindiger Kritik: Die „Tribute to Boney M“-Show hat das geschafft, für das sie in Traunreut angetreten ist: Die Gäste im k1 bestens zu unterhalten, für Spaß und Ausgelassenheit sorgen, den Stress des Alltags für zweieinhalb Stunden vergessen zu lassen – und schlummernde Erinnerungen aus der Jugend wachzukitzeln. All das ist ohne jeden Zweifel gelungen.

Ralf Enzensberger