Mehr als nur Schauspiel
Ein Blick hinter die Kulissen des Eggenfeldener Theaters an der Rott

26.05.2023 | Stand 16.09.2023, 21:24 Uhr
Annabell Frankenfeld

Im Kostümfundus hängen sämtliche Kleider. Einige davon hat Schneiderin Eveline Kurz selbst genäht.

Im Theater an der Rott in Eggenfelden (Landkreis Rottal-Inn) zeigen die Verantwortlichen der PNP, welche Rädchen für ein gelungenes Stück ineinandergreifen müssen.

Ach wenn auf dem Spielplan des Theaters an der Rott keine Vorstellung steht und sich keine Besucher in den Gängen tummel, herrscht trotzdem reger Betrieb – und zwar nicht nur bei den Schauspielern. Das Theater fußt auf verschiedene Abteilungen, die alle zum Gelingen der Inszenierungen beitragen. Die PNP hat einen Tag hinter die Kulissen geblickt.

Über ein Jahr Vorausplanung



Die administrative Arbeit hinter den Kulissen verrichtet Theaterintendantin Elke Maria Schwab-Lohr in ihrem Büro, in dem sich viele bunte Ordner und Bücher stapeln. Gerade steht die Planung der nächsten Spielzeiten auf dem Programm. Die kommende ist schon fertiggeplant. Momentan legt Schwab-Lohr fest, was im Herbst 2024 gespielt wird. Auch die Probenpläne werden schon jetzt geschrieben.

Seit März 2022 haben Dr. Elke Maria Schwab-Lohr und Dean Wilmington die Intendanz des Theaters inne. Wilmington ist für die künstlerische Leitung des Musiktheaters zuständig. Schwab-Lohr kümmert sich um die künstlerische Leitung des Schauspiels. Sie erklärt: „Ich muss einen guten Überblick über den ganzen Betrieb behalten und ich versuche eine gute Ansprechpartnerin für alle und alles zu sein – außer für Noten. Darin ist definitiv mein Kollege Experte.“

Umbaumaßnahmen für 2025 geplant



Zu ihren Aufgaben zählt auch der Besuch der Proben. Auf dem Weg zum „Großen Haus“, der großen Theaterbühne, kommt sie auch beim Theatercafé vorbei. Auch hier wurden bis Dezember 2021 Stücke aufgeführt. Nun steht der Raum wegen Brandschutzmängeln leer. Diese sollen bei den für 2025 geplanten Umbaumaßnahmen behoben werden.

Im Großen Haus beginnt gerade die Probe zur „Publikumsbeschimpfung“. Julia Ribbeck, Yvonne Köstler und Martin Puhl stehen auf der leeren Bühne. Letztere beiden sind schlicht, dunkel gekleidet, Ribbeck trägt eine grelle gelbe Hose und ein großes buntes Hemd. Sie breitet die Arme aus und ruft mit lauter Stimme: „Sie sind willkommen!“ Nun sprechen auch Köstler und Puhl das Publikum an, ebenfalls laut, aber deutlich grimmiger, fast schon arrogant. Man werde hier kein Schauspiel sehen. Ribbecks fröhliche Gesichtszüge entgleisen, sie ist erschüttert. Das Publikum habe doch eine Erwartung gehabt!

Auftritt vor leeren Stühlen



Vor den drei Schauspielern erstreckt sich ein Meer aus 385 roten Stühlen. Auf einem sitzt Schauspieler Norman Stehr und wartet auf seinen Einsatz. Vor ihm sitzt Regieassistentin Aurelia Breyer. Weiter hinten hat Regisseur Johannes Lang Platz genommen. Er beobachtet das Geschehen auf der Bühne. Martin Puhl hält in seinem Monolog plötzlich inne, schnipst mit dem Finger. Breyer souffliert ihm ein Stichwort – und er fährt fort.

Eigentlich sollte die „Publikumsbeschimpfung“ schon 2020 aufgeführt werden. Coronabedingt hat sich das verzögert. Seit Mitte März liefen die Proben für das Stück, jüngst erfolgte die Premiere. Zunächst hatte sich das Produktionsteam intensiv mit dem Text beschäftigt, erinnert sich Aurelia Breyer. Inzwischen wird auf der Bühne geprobt, mit Positionswechseln, Gestik, Ausdruck und Requisiten. Um letztere muss sich Breyer noch kümmern.

Konfetti für die „Publikumsbeschimpfung“



Nach der Probe sucht sie die Werkstatt von Barbara Fischbacher auf, die sich um die Requisite und die Ausstattung kümmert. Hier findet man viele Notizen, Bastel-Utensilien und Ordner. Fischbacher macht „eigentlich alles, was ein bisschen gestalterisch ist“: Sie entwirft, skizziert, bastelt.

Breyer zählt der Requisiteurin auf, was sie alles für die „Publikumsbeschimpfung“ braucht, unter anderem Konfetti und eine Taschenlampe. Fischbacher fragt, wie genau das alles aussehen soll. Soll das Konfetti eher fein oder grob, glänzend oder matt sein? Soll die Taschenlampe eher eckig, rund, hell, dunkel sein? Breyer erklärt es ihr. Und sie hat noch ein Anliegen: Sie braucht ein „Mystery-Requisit“, das sie den Schauspielern während der Vorstellungen auf die Bühne geben wird. Was das sein wird, darf sich Fischbacher aussuchen.

Vom Rollator bis zum Kaktus



Nachdem Breyer die Werkstatt verlassen hat, geht die Requisiteurin aus dem Theaterhaus rüber in ein Nebengebäude, in dem sich ein Requisitenfundus befindet. Hier findet man alles mögliche, von einem Krankenbett und einem riesigen Kaktus bis hin zu verschiedenen Kronleuchtern. „Jeder Gegenstand hat eine Aussage“, sagt Barbara Fischbacher, während sie durch einen Raum geht. Hier stehen viele Stühle – Klappstühle, prunkvoll verzierte Sessel, nummerierte Holzstühle. Dazwischen stehen auch ein bronzefarbener Käfig und ein Rollator. Bei ihm macht Fischberger Halt. „Der gefällt mir, ist aber etwas zu groß.“ Ein winziger Stuhl passt besser. Der kommt in die Auswahl für das Mystery-Requisit.

So unterschiedlich die Auswahl an Requisiten ist, so vielfältig ist auch das Theaterprogramm. Das Credo: Es ist für jeden etwas dabei. Hier gibt es alles von reinem Schauspiel bis hin zur Operette. Auch alle Generationen kommen hier auf ihre Kosten. Seit 2015 gibt es eine eigene Jugendtheatersparte, die „Jungen Hunde“. Schülerinnen und Schüler machen ein Drittel der Besucher aus.

Die Kostüme hängen im Fundus bis unter die Decke



Beim Theater dürfen die passenden Kostüme nicht fehlen. Dafür ist Schneiderin Eveline Kurz zuständig. Das Ensemble der „Publikumsbeschimpfung“ hat sie schon eingekleidet. Morgen steht die Kostümübergabe an die Ankleiderin an, die dann vor allem während der Vorstellungen dafür verantwortlich ist.

Kurz’ Arbeit läuft in ihrer Schneiderei im Theater ab. Hier hat sie ihre drei Nähmaschinen, ihre Modepuppe, ihre Ordner und Kollagen sowie ihre Fachliteratur, in der es etwa um historische Schnitte geht. Nebenan ist der große Kostümfundus. Hier hängen bis zur Decke die Teile, die für vergangene Produktionen gekauft oder geschneidert wurden – prunkvolle Kleider, schlichte Anzüge, glitzernde Outfits. Auch das Stofflager befindet sich hier.

Die Arbeit der Schneiderin beginnt mit den Ideen der Kostümbildner, die ihr die ersten Entwürfe geben. Für die „Publikumsbeschimpfung“ hat Kurz die Kostüme nur anpassen müssen. Die Teile wurden von einem Kooperationspartner gekauft. Für „Schattenkind“, an dessen Kostümierung Kurz gerade arbeitet, hat sie unter anderem einen Hosenrock genäht. Seit drei Jahren arbeitet sie als Theaterschneiderin. Seitdem hat sie ungefähr 50 Sachen für die Produktionen angefertigt. Für das Stück „Der Sturm“ hat sie alle Kostüme selbst angefertigt.

Bühnenbilder sind „nicht für Ewigkeit“



Während die Schneiderin noch am „Schattenkind“ arbeitet, ist eine andere Abteilung im Theater bereits schon weiter im Spielplan, nämlich die theatereigene Schreinerei. Hier riecht es nach Holz, im Hintergrund läuft das Radio, hin und wieder hört man einen Akkuschrauber, mit dem Christoph Dirmhirn eine Schraube in eine Kiste bohrt. Mit einer gewöhnlichen Schreinerei kann man diese nicht vergleichen, betonen er und Sigrid Eder. Die beiden sind nicht nur Schreiner, sondern auch Bühnenbildner. „Wir bauen nicht für die Ewigkeit“, erklärt Eder. Ihre Werke müssen die jeweiligen Theaterproduktionen überdauern. Wiederverwendet werden sie nicht. „Wir haben noch nie zwei gleiche Bühnenbilder gebaut“, erinnert sich Sigrid Eder. Mal arbeiten sie an ganz einfachen, mal an ganz komplizierten Konstruktionen – Hauptsache, es passt zum Stück. Die Bühnenbildner sind übrigens auch bei den Aufführungen im Einsatz. Dann betreuen sie die Umbauten und sorgen für die Sicherheit aller Beteiligten.

Wenn dann die einzelnen Stücke aufgeführt werden, kommt die Leistung der einzelnen Bausteine des Theaters zur Geltung – das Bühnenbild, die Technik, die Kostüme, die Kulisse, die Planung des Intendantenbüros. Beim Schlussapplaus werden entsprechend nicht nur die Schauspieler gewürdigt, sondern auch all ihre Kolleginnen und Kollegen hinter der Bühne, ohne die all die Vorstellungen so nicht stattfinden können.