Theater an der Rott
Die dunklen Seiten umarmen: Familien-Oper „Schattenkind“ beeindruckt in Eggenfelden

12.05.2023 | Stand 16.09.2023, 22:14 Uhr

Helle und dunkle Seelenanteile verdienen beide Anerkennung – das ist die Botschaft von „Schattenkind“ mit (von links) Eva Maria Amann, Danae Mareen und dem Akkordeonisten Jovan Tomic. −Foto: Theater an der Rott

Ich bin viele. Manch’ dunkle Seite verstecken wir verschämt – vor uns und vor den anderen. Über dieses Schattenkind schrieb die dänische Autorin Cecilie Eken ein Kinderbuch. Am Donnerstag wurde es als Kinderoper erstmals in Deutschland am Theater an der Rott in Eggenfelden aufgeführt. Die Premiere am Donnerstagabend berührte auch die erwachsenen Zuschauer stark.

Gleich zu Beginn taucht man ein in den Erinnerungsraum eines Tagebuchs. Andächtig liest Eva Maria Amann darin, die im Publikum sitzt. Dann springt die Schauspielerin und Sängerin auf die Bühne und als braves Lichtkind zurück in ihre Kindheit. Zwei wandhohe Seiten eines Tagebuchs gestalten stimmig die Szene (Ausstattung Florian Angerer).

Es entwickelt sich ein emotional aufgeladenes Geschehen rund um das artige Mädchen und das andere, das wilde und trotzige Kind. Wie Danae Mareen das Schattenkind verkörpert, das ist sehenswert. Sie lockt verheißungsvoll und strahlt Lebensfreude, aber auch gefährliche Lust aus. Das Lichtkind sehnt sich nach ihrem wilden Spiel, doch horcht es auch ängstlich auf die strengen Stimmen der Eltern, die die dunkle Seite verbannen wollen.

Plastisch setzen die Darstellerinnen das um, wenn das Schattenkind nachts draußen bleiben muss und sehnsuchtsvoll ans Fenster klopft. Doch verleugnen lässt es sich nicht und entfesselt nächtliche Ungeheuer: glühende Augen, zupackende Hände und monströse Köpfe. Regisseur Andreas Weirich entfacht in rasantem Tempo Gruselstunde und emotionales Drama in einem.

Eine wilde Jagd beginnt, die Eva Maria Amann und Danae Mareen mitreißend darstellen. Sie ringen miteinander und verbünden sich schließlich gegen die Monster. Am Ende werden sie eins und erkennen ihren Wert an. Denn aus der zerstörerischen Kraft des Schattenkinds erwächst eben auch kämpferischer Mut und Willensstärke, um das Leben zu meistern.

Die Musik – die dritte Hauptrolle in dieser Oper für die ganze Familie – treibt die Handlung voran. Ein einsames Akkordeon nimmt die Gefühle auf und versetzt sie in Schwingungen. Das Instrument atmet und seufzt, weint und jubiliert, es schrillt entsetzt auf, wimmert oder hackt harsche Rhythmen im Stakkato.

Musiker Jovan Tomic schmeichelt und schmettert sich damit ins Geschehen hinein. Nie aufdringlich, aber stets sehr präsent, gibt er den Emotionen ihren eigenen Klang (musikalische Leitung: Dean Wilmington). Dazu setzen die Schauspielerinnen sparsam, aber effektiv ihre Singstimmen ein (Komponist Peter Bruun, Libretto von Jesper Braestrup Karlsen).

Wer Ungewolltes verdrängt und sich nicht damit versöhnt, der riskiert sein seelisches Wohlbefinden. Das Bündnis gegen Depression Rottal-Inn, das die Schülervorstellungen sponsert, unterstützt diese eindringliche Botschaft mit Gesprächsangeboten danach. Das Stück funktioniert auch wortlos, wie eine Besucherin ohne Deutschkenntnisse danach feststellte. Mehr Lob geht kaum.

Gesine Hirtler-Rieger


Wieder am 13. und 20. Mai je 16 Uhr mit Nachgespräch. Termine für Schülervorstellungen auf der Seite theater-an-der-rott.de