Im Interview
Bad Birnbachs Bürgermeisterin über die Suche nach Stabilität und den autonomen Bus

05.03.2024 | Stand 05.03.2024, 17:12 Uhr

Dass der autonom fahrende Bus eine Zukunft hat und auch ein Zukunftsmodell für den Öffentlichen Personennahverkehr auf dem Land sein könnte, davon ist Bad Birnbachs Bürgermeisterin Dagmar Feicht überzeugt, wie sie im Gespräch mit PNP-Redakteur Christian Wanninger betonte. − Fotos: Gröll/Wanninger

Grund zur Freude hat Dagmar Feicht, denn manch langersehntes Vorhaben soll heuer umgesetzt oder zumindest auf den Weg gebracht werden. Doch es gibt auch Themen, welche die Bad Birnbacher Bürgermeisterin mit Sorge betrachtet, wie sie im Interview- Spaziergang mit der PNP verrät. Die Diskussion über den autonomen Bus im Tourismusausschuss des Landkreises hat sie durchaus mit ein wenig Verwunderung zur Kenntnis genommen.

Wenn Sie auf das vergangene Jahr 2023 zurückblicken, mit welchem Songtitel würden Sie es beschreiben?

Dagmar Feicht:
„Wind of Change“ von den Scorpions

Und warum ausgerechnet mit dieses Lied?
Feicht: Frieden, Freiheit und Hoffnung sind wichtiger denn je, in einer Zeit der Unsicherheit und dem Auf und Ab bei vielen politischen Entscheidung in Berlin.

Worüber haben Sie sich 2023 besonders gefreut? Und worüber besonders geärgert?
Feicht: Gefreut habe ich mich vor allem, dass im letzten Jahr wieder Veranstaltungen, auch die der Vereine, ohne Einschränkungen stattfinden konnten. Ärgern muss ich mich über die Politik in Berlin, über das Hin und Her bei den Förderprogrammen, etwa bei der kommunalen Wärmeplanung. Man kann sich auf nichts verlassen.

Fernwärme: Baldige Entscheidung



Wie geht es denn mit dem Fernwärmeprojekt im Kurgebiet weiter?
Feicht: Das wird sich in den nächsten Wochen entscheiden. Es sind noch einige Sachfragen offen, auch was die Rottal Terme betrifft. Von unserer Seite sind wir bereit zu starten und die weiteren Schritte anzugehen

Wie fällt Ihr persönliches Fazit aus, wenn sie auf 2023 zurückschauen?
Feicht: Zunächst bin ich froh, dass es mir nach gesundheitlichen Problemen wieder gut geht und ich mein Amt weiter mit vollem Elan ausüben kann. Wir haben mit einer guten Mannschaft vieles erreicht.

Was waren denn die drei wichtigsten Maßnahmen im vergangenen Jahr?
Feicht: Die Fertigstellung unserer Kläranlage und die Kooperation mit Bayerbach, der Bau des Gehwegs durch ganz Schwaibach und dass der Tourismus wieder leicht anzieht.

Aber im Verhältnis zu früheren Zeiten fehlt beim Tourismus noch einiges?
Feicht: Das stimmt. Es fehlt uns vor allem an Stabilität. Wir sind zu großen Schwankungen bei der Belegung und den Übernachtungszahlen unterworfen. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir das hinbekommen.

Offene Badekultur als Pflichtleistung



Welche Rolle spielt denn dabei, dass die offene Badekur wieder Pflichtleistung der Krankenkassen geworden ist?
Feicht: Ein große Rolle. Bei einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 5,6 Tagen bei uns, macht es natürlich etwas aus, wenn Gäste drei Wochen bleiben. Und man sieht, dass die Badekur auch bei vielen ein Thema ist. Auf unserer Homepage kann man unter www.badbirnbach.de/ badekur ja seit kurzem alle Schritte der Beantragung nachvollziehen und gehen. An 14000 Adressen haben wir den Newsletter mit dem Hinweis auf diese Möglichkeit verschickt. Innerhalb kurzer Zeit hatten wir 1500 Klicks auf der Seite. Und zur Erinnerung: Dass diese Badekur wieder zur Pflichtleistung geworden ist, das ging von unserer Corona-Kundgebung am Pfingstmontag 2020 auf dem Neuen Marktplatz aus, als wir uns für die Wiederöffnung der Thermen stark gemacht und gemeinsam mit MdB Straubinger und MdL Wagle die Badekur als Pflichtleistung gefordert haben.

Es geht aber nicht nur um die Badekur. Wir erhoffen auch positive Impulse im Tourismus durch Programme mit präventivem Charakter wie „AGES – Aktiv gegen Erschöpfung und Stress“ oder die betriebliche Gesundheitsförderung. Wie gesagt, wir brauchen wieder mehr Stabilität. Das gilt im Übrigen auch für die Gastronomie, die nach wie vor mit Personalmangel zu kämpfen hat.

Festwochen zum Jubiläum



„40 Jahre Markterhebung“Apropos Gastronomie: Gibt es etwas Neues beim Gasthof Wasner?
Feicht: Von unserer Seite gibt es nichts Neues, wir stehen nach wie vor dahinter und würden uns freuen, wenn sich hier etwas bewegen würde. Aber im Moment ist es so, dass der Investor am Zug ist und die weiteren Schritte angehen muss.

Gab es im letzten Jahr etwas, das Sie zum Lachen bzw. zum Weinen gebracht hat?
Feicht: Sagen wir mal, das hat mich zum Lächeln gebracht: Wir konnten mehrere junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus eigener Ausbildung ins Team einbinden. Wir sind ein tolles Team mit guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich habe das Gefühl, dass alle große Freude an ihrer Arbeit haben. Mich macht das stolz und zaubert mir persönlich schon ein Lächeln ins Gesicht.

Beinahe zum Weinen hätte mich die Absage der Landesgartenschau gebracht. Wir waren sehr positiv gestimmt, und um so trauriger waren wir, als wir erfuhren, dass wir für eine Landesgartenschau zu gut aufgestellt sind.

40 Jahre Markterhebung



Worauf freuen Sie sich heuer besonders?
Feicht: Da gibt es einiges. Im Mai oder Juni soll der Umbau und die Sanierung des Bad Birnbacher Feuerwehrhauses beginnen. Ich hoffe, dass das gut läuft. Wir feiern heuer „40 Jahre Markterhebung“. Da freue ich mich, dass viele Leute zusammenkommen. Von Ende Juli bis Mitte August gibt es Festwochen mit einem Programm aus dem gesamten musikalischen Spektrum. Und ich freue mich wirklich sehr, dass das Areal der alten Schreinerei Bachhuber belebt wird und sich dort eine Tierklinik ansiedelt.

Wie ist denn der Stand beim seit Jahren gewünschten Gehweg ins Nahversorgungszentrum und Gewerbegebiet?
Feicht: Das ist auch ein Grund zur Freude. Dieser Gehweg ist ja bestimmt schon seit 20 Jahren oder mehr Thema. Letztes Jahr haben wir den Grundstückstausch erledigen können. Heuer wollen wir die Planung fertig bekommen und im nächsten Jahr soll dort im Zuge der Sanierung der Kreisstraße PAN 13 durch den Landkreis zwischen den Hölzl-Hallen und den Verbrauchermärkten auf der ortsauswärts rechten Seite dieser Geh- und Radweg entstehen. Dann wäre wirklich ein langersehnter Wunsch in Erfüllung gegangen.

Wie geht es weiter bei den PV-Anlagen?



Thema Photovoltaikanlagen im Kurgebiet: Tut sich da was?
Feicht: Ja. Teilweise ist schon etwas umgesetzt bei Hotels oder der Rottal Terme. Wir sind da offen für diese Anlagen auf Dächern, wenn sie nach den Vorgaben gestaltet sind.

Sie meinen die Form des geschlossenen Rechtecks?
Feicht: Ja. Diese Vorgabe ist richtig und wichtig.

Darum gab es aber schon im Baugebiet Golfblick Streit, auch mit Marktgemeinderat Thomas Blüml, dessen PV-Anlage auf dem Dach eine andere Form hat und der sie entfernen sollte. Ist die Anlage noch auf dem Dach?
Feicht: Ja, sie ist noch drauf.

Ein wichtiges Vorhaben ist der Kindergarten in Brombach. Was ist hier der Stand?
Feicht: Wir werden im Marktgemeinderat wohl in der nächsten Sitzung eine Entscheidung treffen. Es geht ja um die Frage Sanierung oder Neubau und damit um den Standort. Fakt ist, dass wir mehr Platz brauchen für insgesamt drei bis vier Gruppen.

Wechsel beim städtebaulichen Berater



Auf der Baustelle der VR-Bank tut sich seit kurzem was? Ist auch bei der Pension am Rathaus damit zu rechnen?
Feicht: Ja, der Neubau der VR-Bank läuft endlich. Wir freuen uns darauf, dass das wirklich ein schönes und interessantes Projekt wird. Bei der Pension am Rathaus soll es hoffentlich im Frühjahr noch weitergehen. Jedenfalls hat man uns das auf Nachfrage signalisiert. Und nicht zu vergessen: Auch der Jagdhof ist inzwischen soweit saniert, dass es nicht mehr lange bis zur Wiedereröffnung dauern sollte.

Wie zu hören ist, gibt es demnächst einen Wechsel beim städtebaulichen Berater. Ist da was dran?
Feicht: Ja, das stimmt. Wir haben mit Erwin Wenzl neun Jahre gut zusammengearbeitet. Neue Wege stehen an, und wir gehen zurück zu unseren Wurzeln und so ist die Wahl nun auf das heimische Büro der ARC-Architekten aus Hirschbach gefallen.

Immer noch ein Aushängeschild und wichtig für den öffentlichen Personennahverkehr ist der autonome Bus. In der jüngsten Sitzung des Tourismusausschusses des Landkreises wurde dessen Zukunft in Frage gestellt, weil angeblich auf den Landkreis immense Kosten zukommen, nachdem das Förderprogramm des Bundes ausgelaufen ist. Jetzt gilt hinsichtlich einer Förderung das Augenmerk einem Treffen mit Bayerns Verkehrsminister Bernreiter. Was würde das Aus des autonomen Busses bedeuten?
Feicht: Soweit wird es meiner Meinung nach nicht kommen. Der autonome Bus ist ein Glücksfall für uns, der weitergeführt und weiterentwickelt werden muss. Klar ist, dass wir vorankommen müssen, auch was die Geschwindigkeit betrifft. Da sind die Ingenieure gefragt, aber auch der Gesetzgeber. Denn nach wie vor ist auch hier noch einiges zu regeln. Und es bleibt unser eigener Anspruch, autonomes Fahren zum „fertigen Produkt“ für den ländlichen Raum zu machen mit Level 4, also ohne Operator im Bus, sondern in der Leitstelle, und mit mindestens 40 km/h. Wir haben in den bisherigen Projekten viel Begleitforschung betrieben. Die Daten, die Analysen daraus können wir hier sofort und ohne zusätzlichen Aufwand für weitere Projekte einsetzen. Aufgrund bekannter Haushaltsprobleme wissen wir aktuell leider nicht, wie es beim Bund weitergeht. Dort haben wir uns natürlich rechtzeitig für ein Folgeprojekt beworben, das aber unseres Wissens nach noch auf Eis liegt.

„Autonomer Bus kann die Zukunft im ÖPNV sein“



Noch ein paar Worte zu den im Tourismusausschuss genannten Zahlen: Beim Bedarfsverkehr wurden bei 6299 Fahrten 9775 Personen befördert. Hinzukommen aber die Passagiere auf der Linie 7015, also zwischen Bahnhof und Ortsmitte. Hier waren es seit 2017 bis Anfang Dezember letzten Jahres 84507 Personen – die Corona-Unterbrechung nicht zu vergessen. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass ein autonom fahrender Bus mit einem kombinierten Linien- und Bedarfsverkehr gerade in einem Landstrich mit vielen kleinen Orten und Weilern die Zukunft im Öffentlichen Personennahverkehr sein kann. Alleine Bad Birnbach hat 85 Ortsteile. Da kann ein ÖPNV wie bisher nicht funktionieren.

Und die Kosten? Jährlich 448000 Euro solle der Landkreis in den nächsten vier Jahren aufbringen, hieß es Anfang Februar in der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Tourismus und Digitalisierung des Landkreises.
Feicht: Ich kenne die Einzelheiten hinter dieser Summe nicht. Uns liegen andere Zahlen der RBO vor, und auch verschiedene Szenarien. Möglicherweise ist es die Summe, sollte der Landkreis bei der Finanzierung alleine sein. Soweit wird es nicht kommen. Der autonome Bus ist ein Gemeinschaftsprojekt, an dem auch die Bahn und die Regionalbus Ostbayern GmbH beteiligt sind, und natürlich auch Bad Birnbach. Nicht zu vergessen, dass auch der Freistaat über das Förderprogramm Bedarfsverkehr dabei ist. Und alleine, dass jetzt schon so renommierte Partner wie die Ludwig-Maximilians-Universität und bei einem Folgeprojekt wohl auch das Fraunhofer-Institut mit im Boot sind, zeigt die Bedeutung dieses Konzeptes eines autonom fahrenden Busses.