Freie Wähler überflügeln CSU
40 Prozent der Zweitstimmen in Rottal-Inn geholt – aber Direktmandat bleibt bei Wagle (CSU)

08.10.2023 | Stand 08.10.2023, 23:40 Uhr

Die CSU-Spitze des Landkreises gratulierte MdL Martin Wagle (3. von links) zum Wiedereinzug in den Landtag: (von links) Monika Haderer (Listenkandidatin Landtag), Bezirkstagsvizepräsident Dr. Thomas Pröckl (Bezirkstagsdirektkandidat), Landrat Michael Fahmüller (Listenkandidat Bezirkstag), CSU-Ortsvorsitzender Stephan Sailer und Matthäus Mandl, CSU-Fraktionsvorsitzender im Kreistag. − Foto: Schön

Trotz erheblicher Verluste hat Martin Wagle für die CSU erneut das Direktmandat im Stimmkreis 208 geholt und bleibt damit auch die nächsten fünf Jahre im Landtag.

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Er bekam bei der Wahl gestern 36,1 Prozent der Erststimmen, das sind über acht Prozentpunkte weniger als bei seiner ersten Kandidatur im Jahr 2018. Dass Wagle wieder direkt ins Landesparlament einzieht, war erwartet worden. Seine Partei aber hat eine richtig bittere Pille zu schlucken – und das nicht nur, weil sie im Vergleich zu 2018 bei den Zweitstimmen 15,5 Prozentpunkte verlor und nun bei 26,7 Prozent liegt.

Denn die CSU wurde bei der Landtagswahl als stärkste politische Kraft im Landkreis Rottal-Inn abgelöst. Während die CSU insgesamt 41993 an Erst- und Zweitstimmen auf sich vereinen konnte, bekamen die Freien Wähler um 1454 mehr, nämlich 43447 Stimmen.

Sieht man sich die Erststimmen alleine an, so hielt Wagle (24083 Stimmen) den FW-Bewerber Werner Schießl (16632) mit 11,2 Prozentpunkten Vorsprung in Schach. Das Ergebnis bei den Zweitstimmen aber schlägt deutlich zu Gunsten der Freien Wähler aus. Diese hatten am Ende 26815 Stimmen auf dem Konto, die CSU dagegen nur 17910.

„Ich freue mich natürlich sehr, dass ich das Direktmandat wieder geholt habe und den Landkreis wieder im Landtag vertreten darf“, so MdL Martin Wagle. Jedoch habe er sich natürlich mehr erwartet – sowohl auf Landesebene als auch für sich persönlich. Dass er bei den Erststimmen acht Prozentpunkte weniger geholt habe, liege am „Aiwanger-Effekt“. Dieser habe bei den Zweitstimmen noch stärker zu Buche geschlagen.

Er habe sich schon gedacht, dass die „Flugblatt-Affäre“ Folgen habe. So deutlich habe er es aber bei den Zweitstimmen nicht erwartet, sagt CSU-Kreisvorsitzender Wagle. Daher rühre auch der eklatante Unterschied zwischen dem Ergebnis der Erst- und Zweitstimmen. „Während viele Wähler mir als Direktkandidat das Vertrauen geschenkt haben, machten sie bei der Zweitstimme ihr Kreuzchen bei Hubert Aiwanger.“

Schießl: FW nahe an den Bürgern

Das Ergebnis sei der Beweis dafür, „dass man mit einer gesunden Politik die Menschen erreichen kann“, so kommentiert Werner Schießl (FW) sein Ergebnis (24,9 Prozent) und das der Freien Wähler. Die 40 Prozent Zweitstimmen seien sicher zum Teil ein „Aiwanger-Effekt“, aber: „Hubert Aiwanger und die FW sind eben nahe an den Bürgern.“

Dass Fabian Gruber (SPD) nicht glücklich ist mit dem gestrigen Abend (4,2 Prozent für ihn/4,4 Prozent für die SPD), dürfte klar sein. Er blickt auch lieber sofort nach vorne. „Es war meine erste Kandidatur. Und ich nehme das Resultat als Anlass, weiterzuarbeiten, denn ich bin überzeugt, dass die SPD gute Lösungen für die Themen in Rottal-Inn und Bayern hat.“ Mit Blick auf den Erfolg der AfD zeigt sich Gruber besorgt, wohin viel Wähler gewandert sind und dass diese die demokratische Mitte verlassen hätten.

Mehr als die sieben Prozent erreichten Erststimmen hätten viele bei Mia Goller (Grüne) erwartet. „Ich habe es irgendwie kommen gesehen, dass es so ausgeht“, sagte sie gestern Abend in einer ersten Reaktion. Schon das Ergebnis der Jugendwahlen sei „krass“ gewesen. Und der Gegenwind durch die Diskussionen um die Ampel-Politik sei stark gewesen. „Wir haben brutal gekämpft, und ich bin stolz auf unsere Truppe.“

„Sehr zufrieden“ zeigte sich AfD-Kandidat Dietmar Seidl. Und dass sein persönliches Ergebnis (17,5 Prozent) noch einmal besser ist als das der Partei (14,5 Prozent), nehme er auch gerne mit: „Unser aller Fleiß hat sich gelohnt.“ Dass die AfD in Bayern vor den Freien Wählern liegt, „damit habe ich nicht gerechnet“, so Seidl.

Keine Freude kam angesichts des Ergebnisses bei der FDP auf, denn die Liberalen verloren in Rottal-Inn massiv. „2,5 Prozent wäre mein Traumergebnis gewesen“, meinte Nick Kelldorfner. Am Ende wurden es aber nur 1,9 Prozent für den Direktkandidaten. Zum Vergleich: Vor fünf Jahren holte sich die FDP noch 3,8 Prozent der Erststimmen. Der Grund für das magere Ergebnis: „Dass die Leute die FDP nicht angekreuzt haben, hat mit der Ampel-Regierung zu tun.“ Kelldorfner hofft nun, dass die FDP auf Bundesebene diese deutlichen Signale aus den Landtagswahlen verstehe und sich etwas ändere.

Sepp Rettenbeck ist mit seinem Ergebnis sehr zufrieden. Der ÖDP-Landtagskandidat kommt auf 4,8 Prozent und liegt damit vor den SPD- und FDP-Kandidaten. Er sieht dieses gute Abschneiden als „Frucht unserer Kreistagsarbeit“, so der Fraktionssprecher.

Die Wahlbeteiligung lag gestern im Landkreis übrigens bei 74,1 Prozent. Das sind vier Prozentpunkte mehr als noch vor fünf Jahren.

− ms/wa