Christian Früchtl ist gerade auf dem Weg in den Bayerischen Wald. „Die Luft hier“, sagt er lachend am Telefon, „das ist schon nochmal etwas anderes als in Wien“. Die Länderspielpause hat der 23-Jährige für einen kurzen Besuch in seiner niederbayerischen Heimat Bischofsmais genutzt.
Vor eineinhalb Jahren war der Torwart vom FC Bayern zum Traditionsverein Austria Wien gewechselt, ist seither Stammkeeper beim österreichischen Bundesligisten – und macht mit konstant starken Leistungen auf sich aufmerksam. Im Sommer wurde sogar schon über eine Rückkehr nach München spekuliert. Ob etwas dran ist?
Das verrät Früchtl im Interview mit der Heimatzeitung. Außerdem spricht er über Ähnlichkeiten mit Manuel Neuer, von dem er sich beim FC Bayern sehr viel abschauen konnte. Und er erklärt, warum die Station in Österreich perfekt für seine sportliche Entwicklung ist.
Das Interview im Wortlaut:
Herr Früchtl, Wien wurde jüngst erneut zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt. Haben Sie München und Bayern schon vergessen?
Christian Früchtl (lacht): Nein vergessen nicht, ich erinnere mich gerne an die Zeit in München zurück. Aber Wien ist von der Stadt her echt top. Ich habe mich bestens eingelebt und fühle mich sehr wohl hier.
„Österreichischer Fußball ist stark im Kommen“
Sportlich lief es für die Austria in dieser Saison nicht ganz so rund.
Früchtl: Ich denke, die Leistungen waren ganz okay. Aber klar, wenn du die Spiele nicht gewinnst, ist es natürlich eine kleine Krise. Wir haben uns davon aber nicht beirren lassen, der Trainer hat weiter an seinem Plan festgehalten – und wir sind dann mit den jüngsten Siegen gegen BW Linz (4:0) und WSG Tirol (2:0) belohnt worden. Ich hoffe, dass wir nun die Wende geschafft haben. Unser Ziel ist nach wie vor ein Platz unter den Top-Sechs.
Wie bewerten Sie die österreichische Bundesliga?
Früchtl: Die Spanne hier in Österreich ist schon größer als in Deutschland. Mit Salzburg, Sturm Graz, LASK Linz oder Rapid Wien gibt es ein paar Vereine, die etwas mehr Geld haben als andere. Auch wir sind ein großer Verein, wenngleich wir finanziell aktuell ja leider nicht so gut dastehen. Und dann gibt es ein paar kleine Klubs, die in Sachen Stadien und der ganzen Infrastruktur etwas dahinter folgen.
Sie sagen, für Ihre persönliche Entwicklung ist die Liga perfekt. Warum?
Früchtl: Ich komme hier auf meine Spielpraxis, was ich bei Bayern und auch in Nürnberg nicht richtig geschafft habe. Letztes Jahr haben wir Conference League gespielt, dieses Jahr Conference-Legue-Quali, das sind internationale Spiele, die bringen dich natürlich extrem weiter. Auch die Anzahl an Spielen insgesamt tut mir gut.
Klar, das Niveau ist natürlich nicht so hoch wie in der deutschen Bundesliga, aber doch mehr als ordentlich und ganz sicher nicht so schlecht, wie es manchmal gemacht wird. Der österreichische Fußball ist für mich überhaupt sehr, sehr stark im Kommen. Ich denke, dass auch die Liga immer stärker wird. Die Nationalmannschaft hat sich für die EM qualifiziert, man spürt Euphorie. Vereine wie RB Salzburg oder Sturm Graz spielen international – und wir können mit denen auch mithalten. Das ganze Paket hier passt sehr gut für mich und meine Entwicklung.
Blicken wir kurz zurück. Mit 15 Jahren nahm Sie Pep Guardiola als Nachwuchskeeper des FC Bayern mit ins Trainingslager der Profis, Sie standen plötzlich mit Manuel Neuer auf dem Platz. Wie hat sich das angefühlt?
Früchtl: Es war eine sehr schöne Zeit. Für den Kopf war es allerdings auch nicht immer einfach, mit dem ganzen Hype umzugehen. Aber ich hatte gute Leute um mich rum, meine Familie, Freunde, die mich am Boden gehalten haben, damit du in dieser Phase nicht abhebst und auch der gleiche Mensch bleibst. Das war schon sehr wichtig.
„Manuel Neuer wird die Kritiker Lügen strafen“
Seit dieser Zeit werden Sie in den Medien immer wieder als Mini-Neuer bezeichnet. Auch heute noch. Stört Sie das?
Früchtl: Ich denke, es ist eher ein Kompliment. Es heißt ja auch, dass man mich in irgendeiner Weise so sieht wie Manuel bzw. mir zugetraut wird, dass ich mal so gut werden kann wie er. Ich habe mir natürlich viele Sachen von ihm abgeschaut. Aber letztlich bin ich Christian Früchtl und will das auch bleiben und meinen eigenen Weg gehen. Ob man mich nun Mini-Neuer oder Langer, wie ich auch gerufen werde, nennt, ist mir dabei eigentlich egal.
Was genau haben Sie sich von Manuel Neuer abgeschaut?
Früchtl: Alles. Wenn man meine Bewegungsabläufe betrachtet, sind die schon ziemlich ähnlich zu seinen. Wenn du tagtäglich zusammen trainierst, ist es klar, dass du Dinge übernimmst. Auch was die Kommunikation mit den Vorderleuten betrifft, Ausstrahlung am Platz – du versuchst so viel aufzusaugen wie möglich, er ist schließlich der weltbeste Torwart.
... der schon sehr lange verletzt ist...
Früchtl: Er wird es aber wieder werden. Ich glaube, er wird es nochmal allen zeigen und die ganzen Kritiker Lügen strafen.
Haben Sie noch Kontakt?
Früchtl: Ja, wir telefonieren ab und zu.
Im Sommer stand Bayern plötzlich nur mehr mit einem Torwart da. Als es um Neuverpflichtungen ging, wurde auch immer wieder Ihr Name genannt. Gab es konkrete Anfragen aus München?
Früchtl: Man kriegt das natürlich mit durch die Medien. Aber es war nichts, was mich unbedingt beschäftigt hat. Denn letztendlich geht es um die Fakten. Liegt etwas Konkretes auf dem Tisch oder nicht. Und das war nicht der Fall. Es hat zwar ein paar Gespräche gegeben, aber nichts, um das ich mir ernsthaft Gedanken hätte machen müssen.
Nachfolge von Neuer? Es muss mein Ziel sein Neuer-Nachfolger in München – ist das noch Ihr Ziel?
Früchtl (lacht): Man wird immer darauf angesprochen. Natürlich will ich das, es muss mein Ziel sein – denn wenn ich es schaffe, wäre ich einer der besten Torhüter der Welt. Für dieses Ziel werde ich alles geben, aber es hängt von so vielen Faktoren ab. Ich denke, du kannst jeden Torwart fragen, es wird wohl niemand sagen, dass er nicht bei Bayern im Tor stehen möchte.
Mit 23 Jahren sind Sie nun Stammspieler in Wien, bekommen sehr gute Kritiken, der Marktwert ist hoch wie nie. Es war zu hören, der Verein könnte Sie bei einem guten Angebot ziehen lassen. Wie sieht Ihr Karriere-Plan aus?
Früchtl: Mein Ziel ist es, dieses Jahr in Wien fertig zu spielen, gut zu spielen, um den nächsten Schritt zu machen. Mit Austria ist klar vereinbart, wenn Angebote kommen, die für beide Seiten lukrativ sind, für mich sportlich, für Austria finanziell, dann werden wir uns zusammensetzen. Es bedarf immer eines guten Miteinanders – und das haben wir.
Ihr Trainer Michael Wimmer stammt wie Sie aus Niederbayern. Verraten Sie uns, wie er so tickt?
Früchtl: Er ist ein sehr angenehmer Typ. Man kann sehr viel Spaß haben mit ihm. Auf dem Fußballplatz hat er aber ganz klare Vorstellungen und zieht diese auch durch – er hat auch daran festgehalten, als es zuletzt nicht so gut gelaufen ist. In solchen Phasen ist es wichtig, an die eigene Idee zu glauben, nicht den Kopf zu verlieren – das hat er absolut nicht gemacht. Für mich ist er ein sehr guter Trainer.
Torhüter gelten oft als spezielle Typen. Wie sieht’s bei Ihnen aus?
Früchtl: Das sollen andere beurteilen. Aber wenn man sich ins Tor stellt und täglich mit 100 km/h abschießen lässt, dann muss man wohl schon ein bisschen speziell sein (lacht).
Mit Maxi Bauer (FC Augsburg) hat ein weiterer Niederbayer den Sprung in den Profifußball geschafft. Sie beide verbindet eine lange Freundschaft.
Früchtl: Ja, wir haben in der U13 der Spvgg GW Deggendorf erstmals gemeinsam gespielt, sind sogar niederbayerischer Hallenmeister geworden. Wir sind seither immer wieder in Kontakt. Wir waren im Sommer auch gemeinsam bei der U21-EM. Das ist natürlich schon eine tolle Sache und auch selten, wenn du jemanden hast, mit dem du seit der Jugend den gleichen Weg gehst, dich gut verstehst und auch immer wieder austauschen kannst. Auch für unsere Region ist es super und ein gutes Signal, dass man es auch aus Niederbayern in den Profifußball schaffen kann.
Freundschaft zu Maxi Bauer und Marco Pledl
Den neuen Bundestrainer kennen Sie ja auch aus Ihrer Zeit in München.
Früchtl: Ich habe sehr gute Erinnerungen an Julian Nagelsmann. Ich durfte bei ihm mein erstes Bundesligaspiel für Bayern machen, auch wenn es nur ein paar Minuten waren. Aber das zeigt seine menschlichen Stärken, denn er hätte mich als jungen Torwart ja nicht einwechseln müssen. Er kennt viele Spieler noch von Bayern – und eine gute bayerische Achse war bei der Nationalmannschaft schon immer sehr wichtig.
Warum lief es zuletzt nicht mehr für die deutschen Auswahlteams?
Früchtl: Das ist schwer zu sagen. Ich denke, dass man sich in der Vergangenheit vielleicht auch zu sehr fokussiert hat auf das von Pep Guardiola geprägte Kurzpassspiel und dabei die Grundtugenden, die Deutschland lange ausgemacht haben, etwas aus den Augen verloren hat. Aber es soll sich ja jetzt vieles ändern mit den ganzen Reformen.
Zum Abschluss nochmals zurück in Ihre Heimat. Verfolgen Sie denn den Fußball in Niederbayern noch?
Früchtl: Ja, meinen Heimatverein SV Bischofsmais habe ich im Blick. Und Marco Pledl ist ein guter Freund, daher verfolge ich gespannt den Weg der DJK Vilzing, die ja richtig gut drauf ist. Für Marco freut es mich besonders. Er kam aus der Kreisklasse und erschießt jetzt mit seiner Mannschaft gefühlt die Regionalliga – eine tolle Geschichte.
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