Professur für Kunstpädagogik Uni Passau
Warum ist Kunst so wichtig, Prof. Barbara Lutz-Sterzenbach?

09.02.2023 | Stand 17.09.2023, 3:27 Uhr

Albrecht Altdorfers „Alexanderschlacht“ – der Punkt, wo Himmel und Erde sich berühren – war Inspiration für Barbara Lutz-Sterzenbachs Ölgemälde (2019), das in ihrem Büro an der Uni Passau hängt. −F.: Meisenberger

Das war nicht gut besucht, das war eher ein Massenandrang bei der Eröffnung der jüngsten Ausstellung der Universität Passau in der Altstadt, der jugendliche Altersschnitt sprengte jede Statistik über Vernissagebesucher. Beides ist genau im Sinne der Erfinderin: Die Schau „Marrakech“ in der Höllgasse wurde kuratiert von Barbara Lutz-Sterzenbach – seit 2021 Professorin für Kunstpädagogik und Visual Literacy an der Universität Passau – sowie von ihren Mitarbeitern Andreas Fries und Thomas Scharrenbroich.

13 junge Künstler und Künstlerinnen treten heraus aus dem Kosmos ihres Unistudiums und präsentieren sich. „Es ist wichtig, dass nicht nur an der Uni ausgestellt wird, sondern in der Stadt! Unbedingt!“, sagt Lutz-Sterzenbach. Seit sie 2021 vom Kompetenzzentrum für Hochbegabte am Gymnasium in Gauting als Professorin nach Passau kam, hat Lutz-Sterzenbach bereits fünf Ausstellungen für die Studierenden ermöglicht. „Eine Ausstellung ist immer auch ein kommunikativer Austausch. Die Künstler kommen ins Gespräch, was das Publikum versteht – und was es nicht versteht.“

Verstehe ich, was ich sehe? Diese Frage beschreibt, was „Visual Literacy“ bedeutet, neben Lehrerausbildung der zweite Auftrag der Professur. „Wir sind heute mit einer Bilderflut konfrontiert. Umso wichtiger ist es zu verstehen, wie Bilder konstruiert sind“, sagt Lutz-Sterzenbach. Nur mit dieser „Bildlesefähigkeit“ lasse sich eine kritische Distanz zu Bildern entwickeln. Dabei geht es bei Weitem nicht nur um Bilder im Museum, sondern etwa auch um Werbung und Alltagsphänomene. Die Professorin ist überzeugt: „Man muss aus dem Elfenbeinturm raus und sich auch anderes ansehen: Mangas, Computerspiele, Tätowierungen“. In den Lehrbüchern „Fundamente der Kunst“, die sie herausgibt, finden schon Fünftklässler „Bildende Kunst“, „Architektur und Design“ und als drittes Feld „Szenische Darstellung und Kommunikation“. Es gehe darum, in Schule und Studium „Bildvorstellungen aufzubrechen“.

Apropos: Eine Vorstellung, die Barbara Lutz-Sterzenbach auch liebend gern aufbricht, lautet: „Ich kann nicht zeichnen – ich mag keine Kunst“. Es sei irrelevant, ob jemand „richtig“ zeichne, entscheidend sei, dass jeder das Recht habe, sich in dem Medium auszuprobieren und die inneren Prozesse zu erleben, die sich dabei abspielen. Mit etwas Übung kann Magisches geschehen: „Einen Strich aufs Papier setzen ist die erste Möglichkeit des Denkens – noch vor dem klaren Gedanken“, sagt Lutz-Sterzenbach. „Im Bild kann ich Klarheit gewinnen über etwas, das noch nicht greifbar, und lesbar ist, das Denken materialisiert sich im Bild.“ Genau dies war Thema ihrer Dissertation: „Zeichnen als Erkenntnis“.

Ihr eigenes Schaffen als Künstlerin sieht sie als maßgeblich für die Lehre. Als Vorsitzende im Verband für Kunstpädagogik kämpft sie seit 2007 für mehr Kunststunden an den Schulen und für mehr Lehrer. Als Professorin initiiert sie Exkursionen zur Kunstbiennale Venedig und nach Marrakech, die der jüngsten Ausstellung zugrunde lag. Wenn alles gut geht, wächst eine Generation von Kunstlehrern heran, die gewohnt ist, Vorstellungsgrenzen zu überwinden und sich selbst zur Debatte zu stellen. Lutz-Sterzenbachs Studierende werden das spätestens in der Passauer Kunstnacht am 7. Juli wieder tun.

Raimund Meisenberger


•Finissage „Marrakech“ Freitag, 10. Februar, 17 Uhr, geöffnet 14-19 Uhr, WGP-Gewölbe Passau, Höllgasse