Vilshofen
Radfahren – oh weh!

Nach Unfall Kritik an den Zuständen der Wege

11.11.2022 | Stand 19.09.2023, 4:28 Uhr

Günther Koll mit seinem Rennrad, das einen Alurahmen hat. Dass dieser gebrochen ist, lässt sich nur aus der Nähe erkennen. Beide Arme sind lädiert. −Foto: privat

Günther Koll, ein leidenschaftlicher Radfahrer, wurde in dieser Woche unsanft vom Fahrrad gestoßen: Als er am Dienstagnachmittag den Allinger Kreisverkehr in Vilshofen passierte, hat ihn eine Autofahrerin offensichtlich wegen der tief stehenden Sonne übersehen und gerammt. So sehr ihn die Verletzungen schmerzen, so sehr ärgert sich der 53-Jährige aus Sammarei, dass im Straßenbau so wenig für die Radfahrer getan wird. Seine Forderung an die Politik: "Es muss mehr passieren."

Koll hat sich bei dem Unfall schwer verletzt. Er erlitt nach eigenen Angaben auf der linken Seite eine offene Unterarmfraktur, die noch am selben Tag im Vilshofener Krankenhaus operiert wurde. Unklar ist, ob er noch an der rechten Schulter operiert werden muss. "Das wird sich die Tage zeigen", berichtet seine Frau Christina. Entsprechend seiner Fitness geht es ihm, der auch schon wieder nach Hause durfte, relativ gut.

Seine Frau war gleich nach dem Anruf ihres Mannes an den Unfallort geeilt. Da nicht gleich klar war, ob er mit dem Sanka ins Krankenhaus nach Passau oder Vilshofen gefahren werden sollte, wurde an der Unfallstelle über die Situation diskutiert. "Ein Passant sprach mich und die Polizei an und meinte, dass dieser Ort für Fahrradfahren gefährlich sei und er selbst schon oft Ängste ausgestanden habe, wenn er diesen Kreisverkehr genutzt habe", erzählt Christina Koll. Dabei sei der Kreisverkehr relativ neu. Es sei klar erkennbar: Er wurde für Autos und Laster gebaut, Fußgänger und Radfahrer kämen zu kurz.

"Ich denke, es ist notwendig, alle Verkehrsteilnehmer immer wieder daran zu erinnern, dass gegenseitige Rücksichtnahme wichtig ist. Unfälle passieren, manche lassen sich aber durch mehr Sensibilität und gegenseitige Rücksichtnahme vermeiden", sagt Christina Koll. So müsse jeder Autofahrer wissen, dass bei schönem Wetter vermehrt mit Radfahrern gerechnet werden muss, "nur um einen Punkt zu nennen".

Die Leidenschaft fürs Radfahren wurde bei Günther Koll spät entfacht. Bei Ausflügen mit der Familie spürte er zusehends, wie er Gefallen am sportlichen Treten in die Pedale fand. Vor vier Jahren legte er sich ein Rennrad zu, bald folgte ein zweites. Koll: "Da ich viel im Homeoffice arbeite, kann ich mir die Zeit gut einteilen." Um den Kopf frei zu bekommen, steigt er bevorzugt mittags aufs Rad. Er genieße die hügelige niederbayerische Landschaft, die er beim Radfahren ganz anders wahrnehme, als wenn er mit dem Auto auf der gleichen Strecke unterwegs sei.

Dabei macht er seine Erfahrungen. "Ich werde oft trotz Gegenverkehrs an gefährlichen Stellen überholt", berichtet er. Selbst in Kurven. "Wenn da jemand entgegenkommt, ist ja wohl klar, wer von den Dreien den Kürzeren zieht." Was ihn, den Vielfahrer, ärgert: "Die autofahrende Gesellschaft erweckt den Eindruck, als ob Radwege nur deswegen gebaut werden, damit Autofahrer freie Bahn haben." Radfahrer am rechten Fahrbahnrand würden als Hindernis wahrgenommen.

Günther Koll hatte schon einmal einen Unfall mit dem Rad. Beim Sturz hatte er sich zwei Schneidezähne abgebrochen. Auf einem Radweg hatte sich eine Familie aufgeteilt, um ihn in der Mitte durchfahren zu lassen. Die Tochter überlegte es sich kurzfristig anders und wechselte die Seiten. Günther Koll stürzte. "Es müssen immer zwei aufpassen, dass nichts passiert", sagt er.

Ihn ärgert, dass die Kommunen die Pflege der Autostraßen viel wichtiger nehmen als die der Radwege. Sein Beispiel: Der Radweg bei Zeitlarn im Stadtbereich Vilshofen sei oft verschmutzt und mit Steinchen übersät. Der Weg werde so gut wie nie gekehrt – zuverlässig aber zum Zeitlarner Frühlingsfest. Schlecht gepflegte Radwege würden sich für Rennradler nicht eignen. Also weichen sie auf die Autostraße aus.

Hoffnung im Bereich Vilshofen gibt es, weil sich die Stadt um das Zertifikat "Fahrradfreundliche Kommune" bewirbt. Eine Kommission hatte die Radwege geprüft und Verbesserungsvorschläge gemacht – und wenn es nur um unübersehbare Markierungen auf der Fahrbahn ging. Zudem hat die Stadt ein Radwegekonzept erstellen lassen, das aufzeigt, wo dringender Handlungsbedarf herrscht.

Für Günther Koll, der der Autofahrerin keinerlei Vorwürfe macht, ihn übersehen zu haben, steht trotz der schmerzhaften Verletzungen und des kaputten Fahrrades (Schaden rund 3000 Euro) fest: Er wird, sobald er genesen ist, wieder auf Fahrrad steigen.