Das Ereignis im Video
Passauer Neujahrskonzert: Ein Hauch von Wien und viel Liebe

02.01.2023 | Stand 17.09.2023, 6:21 Uhr

Ausverkauft ist der Große Rathaussaal zum Neujahrskonzert der Stadt Passau mit dem Orchester des Passauer Konzertvereins unter der Leitung von Markus Eberhardt. −Foto: Meisenberger

Nichts ist belebender als die Liebe, selbst wenn der Liebhaber selten zu Besuch kommt. Zwei lange Jahre lang war er verhindert, jetzt, am 1. Januar 2023, hatte er wieder Gelegenheit für ein romantisch-beschwingtes Neujahrstreffen: Der Passauer Konzertverein, Mitglied im Bund Deutscher Liebhaberorchester, hat vor gut 100 Jahren begonnen mit dieser Tradition, seit 2010 spielt das ambitionierte Laienorchester das offizielle Neujahrskonzert der Stadt Passau im Großen Rathaussaal unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters. Prunkvolle Musik in Prunkräumen, und – in der Post-Corona-Zeit alles andere als selbstverständlich – komplett ausverkauft. Die Sehnsucht des Publikums war offensichtlich groß.



Ein Hauch von Wiener Neujahrskonzert liegt in der Luft, wie dort stehen Walzer und Polkas und Märsche auf dem Programm, „Leichtes Blut“, „Kaiserwalzer“ und „An der schönen blauen Donau“ von Johann Strauss Sohn sowie vier Kompositionen mit historischem Passau-Bezug. Stünde der Name der Stadt nicht in dem 1922 komponierten „Passauer Konzertvereins-Marsch“ des Konzertverein-Mitbegründers Willy Pöll, das Werk könnte ebenso gut aus dem Goldenen Saal in Wien in die Welt hinaus klingen: Blechbläser intonieren das militärisch anmutende Eingangsmotiv (schließlich war der Konzertverein nach dem Ersten Weltkrieg ab 1919 Wirkungsstätte für viele Musiker der arbeitslos gewordenen Kapelle des 16. königlich-bayerischen Infanterieregiments), die Streicher üben sich in zuckerig-romantischem Legato, die Piano-Forte-Wechsel folgen Johann Strauss’ Beispiel.

Von Willys Vater Blasius, der ab 1888 die Regimentsmusik in Passau leitete, erklingen die „Liebesgedanken-Gavotte“ und die „Klänge aus dem Bayerischen Wald“, wobei in dieser Zeit auch die Liebe mit der Marschtrommel daherkommt, und der Bayerwald nach einem Vogelsang-Sonnenaufgangs-Idyll direkt in die Wiener Mode springt, ohne sich weiter um niederbayerische Musiksprache zu bemühen. Und schließlich hat der Dirigent, promovierte Historiker und leidenschaftliche Heimatforscher Markus Eberhardt Johann Valentin Hamms „Großen Triumphmarsch“ aufs Programm gesetzt, der wohl nur in der Fassung des Passauer Arrangeurs Johann Mader und nur im Archiv des Konzertvereins erhalten ist – eine Art bayerisches „Pomp & Circum-stance“ mit wiederkehrenden Blechbläserfanfaren und mächtig Wumms, wie der Kanzler sagen würde.

Gelassenheit, Freude und Zuversicht wünscht Vereinsvorsitzender Ludwig Propstmeier den Neujahrsgästen, und Markus Eberhardt sagt: „Eines hat Corona gelehrt: Die digitale Welt kann die reale nicht ersetzen, Musik kann man nur real erleben.“ Die Sache mit dem Liebhaber ist mehr als ein billiger Kalauer, es spricht einiges dafür, den Passauer Konzertverein nicht Laien- und nicht Amateur-, sondern Liebhaberochester zu nennen. Die Mitglieder spielen weder für Geld noch für den politisch-kulturellen Auftrag, sie proben aus Liebe zur Musik – und es ist ein Glück, dass man das hören kann. Dirigent Markus Eberhard gibt mit großer Autorität und Klarheit Orientierung und Sicherheit, der Trumpf dieses Klangkörpers aber ist das tiefe Eintauchen in die mannigfaltigen Emotionen der Musik: Wie da im Kaiserwalzer die Hörner sich zeitlos verströmen, wie dasselbe Motiv hier mit Macht, dort mit Tanzparkett-Eleganz variiert wird, wie Übergänge aus- und eingeatmet werden, wie viele Nuancen da genau definiert und gestaltet werden, das ist nicht „laienhaft“, das ist Liebe.

Raimund Meisenberger


Nächster Termin beim Passauer Konzertverein: Liederabend mit Heidelinde Schmid und Mario Eckmüller am 25.3. im Gotischen Langhaus der Passauer Niedernburg-Schulen