„Und es gab sie doch“
Mit Talent und Willenskraft den Erfolg erkämpfen: Konzert-und Leseabend gibt brillanten Frauen eine Stimme

10.03.2024 | Stand 10.03.2024, 20:00 Uhr

Sie lassen vergessene Künstlerinnen und ihre Werke wieder aufleben: (v.l.) Erika Schwitulla, Setareh Shafii Tabatabai (Klavier), Heike Schlierf (Querflöte), Brigitte Pollok-Will und Veronika Sagstetter sowie 4. Bürgermeisterin Silvia Ragaller. − Foto: Gesine Hirtler-Rieger

Beeindruckende Frauen waren das, die bahnbrechende Musik komponierten, in Europa als Komponistinnen Erfolge feierten, berührende Gedichte schrieben oder die unvorstellbare Not der Arbeiter in der Fabrik mit Hunger, Elend und Kinderarbeit thematisierten.

Massiv wurden sie in der Ausübung ihrer Talente behindert, weil sich dies als Frau „nicht schickte“. Mit Willenskraft bahnten sie sich mühsam einen Weg in die Öffentlichkeit, wurden gepriesen und genauso schnell wieder vergessen.

Am internationalen Welttag der Frauen schenkte man Frauen aus drei Jahrhunderten in der Pleintinger Alten Kirche Gehör und war verblüfft über die Schätze, die die Veranstalterinnen des Kultur- und Geschichtsvereins ausgegraben hatten. Der Abend bestach durch die Kombination von Musik und Lesung.

Heike Schlierf (Querflöte) und Setareh Shafii Tabatabai (Klavier) ließen beeindruckende Sonaten und Serenaden von Komponistinnen wie Ethel Smyth, Melanie Bonis und Germaine Tailleferre erklingen.

Für den literarischen Teil zeichneten Brigitte Pollok-Will und Gudrun Eckl verantwortlich. Pollok-Will stellte zusammen mit Veronika Sagstetter große Literatinnen vor und gab einen Einblick in ihr Werk. Gleich zu Beginn spielten die beiden Musikerinnen die Hymne der Frauenbewegung von 1910: den „March of the Women“ von Ethel Smyth. Diese saß, wie Pollok-Will erzählte, zwei Monate lang mit anderen Frauenrechtskämpferinnen im Gefängnis und dirigierte den Takt der begeistert singenden Frauen beim Hofgang mit einer Zahnbürste.

Der unterhaltsame Wechsel zwischen Dichtung und Anekdoten, Historie und zugleich hervorragend interpretierter Musik bescherte den zahlreich erschienenen Besuchern – darunter auch Männer – einen höchst unterhaltsamen Abend.

Man erfuhr viel über Häme und Spott, über prügelnde Gouvernanten, Auftrittsverbote und beharrliche Verleugnung weiblicher Talente. Und man staunte über die Willenskraft von Luise Gottsched (Mitte 18. Jahrhundert), die immer im Schatten ihres Mannes stand und dennoch einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung leistete.

Beeindruckt war man auch von der bekennenden Sozialistin und Atheistin Louise Aston (Mitte 19. Jahrhundert), die die Ehe verwarf „weil sie zum Eigentum macht, was nimmer Eigentum sein kann: die freie Persönlichkeit“. In ihrem autobiografischen Roman thematisierte sie die Zwangsverheiratung mit einem deutlich älteren Industriellen. Insgesamt präsentierten Brigitte Pollok-Will und Veronika Sagstetter acht Frauen aus drei Jahrhunderten, darunter die berühmte Rilke-Freundin und Psychoanalytikerin Lou Andreas-Salomé und die bedeutendste Lyrikerin des 20. Jahrhundert Else Lasker-Schüler.

Gekrönt wurde der Abend durch die hervorragende musikalische Darbietung von Heike Schlierf (Querflöte) und Setareh Shafii Tabatabai, die Kompositionen von acht Komponistinnen lebendig werden ließen.

Die impressionistische Träumerei von Lili Boulanger, die Musik der genialen Wilhelmine von Bayreuth wie auch Anna Bons Sonate mit atemberaubenden Läufen brachte den beiden Musikerinnen viel Applaus ein. Besonders berührend war das Wechselspiel zwischen dem vorgetragenen Märchen „Die Lerche“ und der zeitgenössischen Musik von Felicitas Kukuck dazu mit tirilierendem Lerchengesang.

Ein Grußwort gab es von der 4. Bürgermeisterin Silvia Ragaller. Vorsitzende Erika Schwitulla bedankte sich bei den vortragenden Frauen dafür, dass sie die überragenden Kompetenzen der Künstlerinnen ins rechte Licht gerückt hatten.

Sie hob hervor, dass der Frauentag wichtig sei, denn auch in Deutschland würden Frauen und Männer weiterhin bei gleicher Arbeit ungleich bezahlt. Frauen hätten viel erkämpft, doch sie seien gut beraten, wachsam zu bleiben, denn Rechte könnten auch wieder entzogen werden.