Büchlberg
Im Streitfall gefragt – die erste Fahrradsachverständige Deutschlands

Büchlbergerin Michaela Werner ist die einzige in ganz Deutschland

05.03.2023 | Stand 17.09.2023, 1:29 Uhr

Sie ist Fahrradsachverständige: Michaela Werner aus Büchlberg. Bei der Begutachtung des Rads und Erstellung eines Gutachtens arbeitet sei höchst konzentriert. −Foto: privat

Bei Streitfragen nach Unfällen sind Sachverständige gefragt – das gilt auch bei Fahrradunfällen. Michaela Werner ist die erste und bis jetzt einzige weibliche Fahrradsachverständige deutschlandweit. Dazu gibt es eine richtige Ausbildung, die Michaela Werner in Kellberg (Gemeinde Thyrnau, Landkreis Passau) absolvierte, bei Anton Kriszt, ehemaligem Inhaber des Sachverständigenbüros Kriszt. Seit Beginn ihrer Ausbildung besuchte sie verschiedene Fachseminare in München und Ludwigsburg, absolvierte einen Online-Kurs und sammelte etliche praktische Erfahrungen bei der Ausarbeitung von über 180 Fahrradgutachten. Ende März 2023 wird sie ihre Ausbildung beenden. Wie sie zu diesem Beruf kam und aus wie vielen Schritten ein Fahrrad-Gutachten besteht, erklärt sie im Interview.

Wie wird man Fahrradsachverständige?
Michaela Werner: 2019 fing alles mit einem Minijob im Sachverständigenbüro Kriszt in Kellberg an. Hier unterstützte ich Anton Kriszt bei der Ausarbeitung der Kfz-Gutachten. Als die ersten Fahrräder dazukamen, wuchs die Neugier und das Interesse in diesem Bereich. So kam es bei mir dann im April 2021 zu dem Entschluss, die Ausbildung zur Fahrradsachverständigen zu absolvieren. Diese besteht aus einem theoretischen Teil, in dem ich unter anderem ein Rechtsseminar besucht habe, und einem praktischen Teil. Dort habe ich Bremsanlagen umgebaut, Lenker und Federgabel getauscht sowie Räder im Detail zerlegt, einfach um ein Gefühl für die Fahrradtechnik zu bekommen. Zusätzlich habe ich an einem Online-Werkstattkurs, der über 100 Videos beinhaltet, teilgenommen und mit einer Prüfung beendet. Zudem wurden auch noch verschiedene Prüfmethoden, wie zum Beispiel die Klopftechnik, Rahmenvermessung und Felgenschlagvermessung praktiziert.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Werner: Ich nehme die Schäden auf, indem ich das komplette Fahrrad auf jedes Einzelteil begutachte. Ich frage nach dem Unfallhergang und überprüfe dann, ob dieser mit den Schäden am Fahrrad kompatibel ist. Das Ganze wird mit Bildern dokumentiert. Das ist ein wichtiger Bestandteil für das Gutachten. Danach geht es an das Ersatzteile-Suchen und Vergleichen. Hierbei versuche ich, die Originalteile oder vergleichbare Teile zu finden, was je nach Alter des Rades nicht immer möglich ist. Dann wird der Preis kalkuliert und nach bestehender Garantie des Herstellers vom Fahrrad geschaut. Jeder Fall ist individuell und sehr zeitintensiv, da momentan die Lieferung mancher Bauteile nicht möglich ist. Pro Fahrrad dauert es gut drei bis vier Stunden, bis das Gutachten fertiggestellt ist.

Wie viele Aufträge bekommen Sie pro Monat?
Werner: Wie viele Fahrräder zur Begutachtung kommen, ist ganz unterschiedlich, in manchen Monaten kommen zwei Räder zu mir, in anderen acht oder mehr. Am meisten zu tun habe ich im Frühjahr und im Herbst.

Rennräder, E-Bikes oder Pedelecs, womit passieren die meisten Unfälle?
Werner: Die häufigsten Unfälle passieren bei uns mit Rennrädern, selbst zu dieser Jahreszeit. Sobald der Schnee weg ist und die Straßen frei sind, sind die Rennradfahrer unterwegs. Leider werden gerade Rennradfahrer oft von Autofahrern übersehen, was zu schweren Unfällen mit Stürzen führt. Der Trend zu Pedelecs kommt immer mehr, Lastenfahrräder sind hier noch selten zu sehen, die werden bis jetzt eher in größeren Städten genutzt. Auch vielen älteren Menschen passieren Fahrradunfälle, vor allem mit E-Bikes oder Pedelecs. Die Geschwindigkeit wird oft unterschätzt, die Leute sind die schnelle Beschleunigung nicht gewohnt.

Wie gehen Sie bei so einem Unfall vor?
Werner: Wir prüfen, was genau wie passiert ist. Im Zweifelsfall wird der Unfallhergang so genau wie möglich rekonstruiert und durch Videos aufgezeichnet sowie analysiert. Die Schadenfeststellung an Carbon-Rahmen ist sehr kompliziert, da diese keine offensichtlichen Verformungen aufweisen und trotzdem eine Laminatablösung im Inneren stattgefunden hat. Alle bekannten Prüfmethoden sind nur bedingt tauglich, um eine garantierte Schadensfreiheit des Rahmens zu bestätigen. In meiner ersten alleinigen Schadenaufnahme war ich sehr nervös. Jetzt gehe ich mittlerweile sicher an jedes Fahrrad und begutachte es mit geschultem Auge.


Die Fragen stellte Luisa Theis.