Burgenfestspiele am Landestheater Niederbayern
Grandioser Einstand für neuen Chefdirigenten: Ektoras Tartanis auf Veste Oberhaus

16.07.2023 | Stand 14.09.2023, 21:13 Uhr
Carola Baumann-Moritz

Ektoras Tartanis hat die Niederbayerische Philharmonie zu einer Einheit geformt. Hier dankt er dem Solisten Boris Brovtsyn. −Foto: cbm

Was für ein Abend: „Klassik unter Sternen“ macht seinem Namen alle Ehre. Im vollbesetzten Burghof der Passauer Veste Oberhaus greift die Niederbayerische Philharmonie bei den Burgenfestspielen des Landestheaters Niederbayern nach den Sternen. Der Grund ist das Antrittsdirigat von Ektoras Tartanis, dem neuen Chefdirigenten des Orchesters.

Ganz in Schwarz mit stylischem Outfit nimmt Tartanis den Raum ein und begeistert von Beginn an. Sein Dirigat wirkt mit seiner Körpersprache wie eine Choreografie zur Musik, die sein Orchester verzaubert. Er führt das erstaunlich jung besetzte Orchester zu einer grandiosen Einheit, das exakt und beherzt musiziert – ein Qualitätssprung. Mit sensationell präzisen Einsätzen treibt er die Musiker zu Höchstleistungen. Bedingungslos und voll engagiert folgen sie dem Dirigenten.

Auch die Programmauswahl ist ein Grund zum Jubeln: Ernst von Dohnánys Violinkonzert Nr. 1 in d-Moll wird zur beglückenden Überraschung. Mit dem Wiener Boris Brovtsyn hat man einen Geiger von Weltformat eingeladen, der scheinbar mühelos, aber voll Hingabe und Innigkeit das zu Unrecht selten gehörte Werk spielt. Das 1915 komponierte Konzert gilt als das „letzte romantische Violinkonzert“. Die vier Sätze sind sinfonisch formklar aufgebaut mit enormer Virtuosität und lyrischer Stimmung.

Brovtsyn spielt intensiv, korrespondiert ganz uneitel mit dem Orchester und übernimmt die überraschenden Tempo- und Dynamikwechsel mit traumhafter Sicherheit. Betörend schön gespielte Melodien wechseln mit mächtigen Bläserpassagen, bis zum wuchtigen Tutti. Wunderbar romantisch umspielt die Harfe die Melodien der Geige. Im dritten Satz geht er den ungarisch-wienerischen Dreivierteltakt mit seinen vertrackten Rhythmen beherzt an. Doppelgriffe oder rasante Solokadenzen mit witzigen Staccato-Einlagen im vierten Satz gelingen dem Geiger mühelos. Die große Steigerung am Schluss hat Tiefgang und überzeugt durch das vertrauenvolle Zusammenwirken von Solist und Orchester.

Tartanis schafft Platz zwischen den Sätzen, was Spannung und Andacht erzeugt. Nach einer langen Pause im wunderbaren Burghof steht Anton Bruckners Sinfonie Nr. 1 auf dem Programm. „So kühn und keck bin ich nie mehr gewesen“, sagte Bruckner über seine „Erste“. Sie zeigt bereits die wesentlichen Merkmale seines Stils: extreme dynamische Gegensätze, kühne Harmonik und zur Regel werdende Wiederkehr von Themen und Motiven. Im Scherzo begegnen wir dem Naturburschen aus Oberösterreich mit unbekümmerten Tanzweisen. Herrlich auch das famos gespielte Hornsolo, das von den Streichern lustig mit Zupfen umspielt wird. Im vierten Satz beeindrucken die Streicher mit exakten Sechzehntelkaskaden und die Bläser mit bestechend sauberen Einsätzen. Tartanis und „sein“ Orchester haben volle Probenarbeit geleistet, dafür verehren ihn die Musiker, und das Publikum hat ihn ins Herz geschlossen. Jubelnder Applaus für ein starkes Konzert und einen hoffnungsvollen Chefdirigenten!

Carola Baumann-Moritz