71. Europäischen Wochen Passau
Mit Video: Festspiel-Publikum tanzt und singt mit Max Mutzke und SWR Big Band zur Ouvertüre

02.07.2023 | Stand 14.09.2023, 22:10 Uhr

Erfolg braucht immer auch Glück: Die Vorhersage war eher trübe, doch das Wetter hat gehalten am Freitagabend am Zusammenfluss von Donau, Inn und Ilz an der Ortspitze in Passau, die 900 Besucher blieben trocken.

Alles eine Frage von Image: Beim Wort „Festspiele“ denken die meisten an „festlich“ und „Festkonzert“, an Anzug und Sinfonieorchester – und das ist durchaus schwierig, wenn es darum geht, neue Besucher zu locken, zu begeistern und dauerhaft zu binden. Darum bemühen sich die Festspiele Europäische Wochen Passau unter ihrem Intendanten Carsten Gerhard seit 2019 sichtlich, ihr Profil zu öffnen, zum Beispiel mit hochklassiger Popkultur statt nur Klassik, zum Beispiel mit einer Ouvertüre unter freiem Himmel – letztes Jahr mit Musik von Elvis, am Freitagabend nun mit Max Mutzke und der weltweit gefeierten SWR Big Band. Der Plan sollte wunderbar aufgehen.



Das Problem mit lauen Sommernächten ist nur, dass es mitunter regnet. Die Vorhersage sah nicht gut aus, das Landestheater Niederbayern verlegte seine Shakespeare-Premiere nach der düsteren Vorhersage von der Burg ins Theater, die Festspiele Europäische Wochen hatten gar nicht erst einen Ersatzspielort ausgerufen: Das Auftakt-Open-Air zu den 71. Festspielen sollte genau hier stattfinden, am Zusammenfluss von Donau, Inn und Ilz. Vorsichtshalber hatten manche der rund 900 Gäste Regenschirm, Friesennerz und gar Wintermantel im Gepäck. Unnötigerweise, denn wie schon am Donnerstag beim EW-Uni-Fest mit rund 1000 Besuchern: Das Wetter hielt, erst in den Zugaben um 21.15 Uhr kamen wenige erfrischende Tropfen vom Himmel. Zum Erfolg braucht es immer auch Glück.

Das Konzert funktioniert vom ersten Takt an. Das groovt und tanzt und macht leichte Sommerlaune. Die SWR Big Band ist allein schon ein Ereignis – gerade haben die Herren für ihr Album „Bird Lives“ einen Grammy gewonnen. Ihr Klang ist von einer Energie, ihr Spiel von einer Perfektion, ihr Feeling ist von einer feinen Qualität, die ihresgleichen suchen und kaum sonstwo finden. Ein Haufen Jazzkönner, die zwischen treibender und Laid-Back-Rhythmik alle Finessen bieten, die Musik sofort in die Beine gehen lässt.

Max Mutzke, von dem man aus dem Radio auch den Eindruck eines flockig-seichten Schmusepoeten gewinnen könnte, ist ein Klangwunder, Könner und live ein Ereignis für sich. Seine samtig-warme Soulstimme klingt in Bariton- und Tenorlage so gut wie im hohen Falsett, im Crooner-Sound so betörend wie im cineastisch-dramatischen Vibrato. Die SWR Big Band unter der Leitung von Pianist Klaus Wagenleiter hüllt Max Mutzkes Songs wie „Welt hinter Glas“, „Gute Geschichten, „So viel mehr“ und natürlich „Can’t Wait Until Tonight“ mit Drums, Percussion, Bass, Klavier, Saxofonen, Posaunen, Trompeten und zwei Backgroundsängern quasi in Festgarderobe, garniert mit Coverversionen von Jazz- und Soul-Funk-Nummern wie „Me & Mrs. Jones“ und „Men in Black“.

Obendrein ist Max Mutzke ein begnadeter Entertainer und Kommunikator: „Leute, habt ihr Bock?!“, „Wir brauchen eure Hände“, „Singt mit uns, erst nur die Männer“, „Wir können froh sein, dass wir so einer großartigen Band bei so großartigem Wetter auf so einem großartigen Fleck Erde spielen dürfen“, „Was sagt ihr zu meinem neuen Hut?“ (von Elisabeth Spatz-Distler aus Passau), „Ich fänd’s sehr gut, wenn Leute hier tanzen“ – und das tun sie denn auch in der letzten halben Stunde. Und statt Anzug und Distinktion herrschen jetzt auch Trägershirt, Turnschuh und Lässigkeit bei den EW.

„Festspiele“, das kommt an diesem Abend nicht von „festlich“, das kommt von „Fest“, von Feiern und Tanzen und Party im Freudentaumel. Das nimmt den Europäischen Wochen nichts von ihrer Seriosität. Und fügt ihnen viel Gutes hinzu.