Trainer zieht nach drei Jahren weiter
Ex-Schalding-Spieler Fabian Träger: Er machte Talente zu Profis – doch nun endet das Abenteuer in Kolumbien

11.10.2023 | Stand 11.10.2023, 10:04 Uhr

Mit Stoppuhr und Notizblock: An der Disziplin seiner Jungs muss Fabian Träger neben Technik und Taktik oft arbeiten.  − Foto: privat

Alles beginnt mit einer ungewöhnlichen Stellenanzeige. „Begeisterungsfähiger Nachwuchstrainer für spannendes Projekt in Kolumbien gesucht.“ So steht es auf der Internetseite des Deutschen Fußball-Bundes. „Klingt interessant“, denkt sich der Passauer Fabian Träger (33) und schickt seine Bewerbung ab.

Ein paar Wochen später hat er den Job. Nachwuchstrainer bei der Academia Alemana de Futbol, Talententwickler in Popayán, einer Universitätsstadt mit rund 300000 Einwohnern im Westen Kolumbiens. Drei Jahre sind seither vergangen und Fabian Träger sagt: „Es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens.“ Dennoch wird seine Zeit in Südamerika bald vorbei sein.

Das Vormittags-Training ist gerade beendet, als sich Träger am Telefon im über 9000 Kilometer entfernten Popayán meldet. „Nos veremos mañana“, sagt er schnell noch zu einem seiner Jungs, „wir sehen uns morgen“. Die spanische Sprache beherrscht Träger mittlerweile ganz gut. Und auch in sportlicher Sicht kann er viele Erfolgsmeldungen verkünden. Die Fußballschule, die die beiden Niederbayern Daniel Neumüller und Ingomar Weiß vor ein paar Jahren ins Leben riefen, hat sich bestens entwickelt. Neben der U17, die Träger coacht, gibt es mittlerweile eine U15, eine U13 ist in Planung.

Schon mehrere Spieler leben jetzt den Profi-Traum



„Die Akademie wächst und wächst, das Ganze hat nichts mehr mit dem zu tun, als ich hier angefangen haben. Es soll demnächst ein eigenes Leistungszentrum gebaut werden mit Fußballplatz, Kraftraum und einem Internat mit 50 Plätzen“, erzählt Träger. Ziel des ziemlich einzigartigen Projekts ist es, kolumbianische Talente zu fördern und sie fit zu machen für einen Wechsel ins finanzstarke Ausland, bestenfalls nach Europa. Und damit raus aus meist ärmlichsten Verhältnissen.

Weil das bereits mehrfach geklappt hat, genießt die Akademie mittlerweile einen hervorragenden Ruf, bekommt oft Spieler von kleineren Vereinen aus dem ganzen Land angeboten. „Pena Ocoro ist zu Al Jazira gewechselt und wird jetzt von Frank de Boer trainiert. Juan Gutierrez hat den Sprung zu Red Bull New York geschafft“, erzählt Träger von zwei seiner ehemaligen Schützlingen, die seit kurzem den Traum Profifußballer leben. Mit Red Bull Salzburg, die mit Lucho Vásquez ebenfalls einen Spieler aus der Popayáner Fußballschule geholt haben, „gibt es einen engen Kontakt und regelmäßigen Austausch“, berichtet Träger, der als Trainer keinen geringen Anteil am Erfolg des Projekts hat.

Gute sportliche Entwicklung

Seit der junge Passauer die sportliche Verantwortung trägt, haben fünf Spieler einen Profivertrag erhalten, bei zwei Talenten steht die Unterschrift unmittelbar bevor. Zudem hat sich die Academia Alemana de Futbol immer für die Playoffs qualifiziert − und schafft in allen drei Jahren als einziger Nicht-Profi-Klub den Sprung unter die besten acht Teams des Landes. Im Viertelfinale heißt der Gegner jüngst Atletico Nacional, der größte Verein Kolumbiens, dessen erste Mannschaft 2016 sogar die Copa Libertadores, das Pendant zur Champions League, gewonnen hat. „Sie sind so etwas wie hierzulande der FC Bayern. Leider hatten wir viele Ausfälle und mussten mit einigen U15-Spielern antreten. Dennoch haben wir uns teuer verkauft und am Ende nur knapp verloren.“ 1:2 und 2:3 enden die Partien.

Für Fabian Träger sind es die letzten Pflichtspiele mit der Academia Alemana de Futbol. Ende des Jahres wird er seine Zelte in Kolumbien abbrechen, seinen Vertrag nicht mehr verlängern. Warum? „Es waren drei wunderbare Jahre. Aber jetzt ist einfach der Zeitpunkt für eine neue Herausforderung gekommen. Ich will auch als Trainer den nächsten Schritt machen.“

„Fair Play gibt es praktisch nicht“

Was der 33-Jährige mitnimmt aus seiner Zeit in Kolumbien? In allererster Linie eine Frau an seiner Seite. In Popayán lernt Träger Any kennen, mittlerweile sind beide verheiratet. Zudem habe er sich als Mensch extrem weiterentwickelt, meint der frühere Außenverteidiger des Regionalligisten SV Schalding. Und auch sportlich habe er viel gelernt, wenngleich sich der Fußball in Kolumbien doch in vielerlei Hinsicht anders darstellt als in Deutschland. „Fair Play gibt es da praktisch nicht. In Kolumbien wird auch kaum Wert auf die Ausbildung der Jungs gelegt. Es geht selbst im Nachwuchsbereich rein um den Sieg, egal wie dieser zustande kommt“, erzählt Träger und nennt ein Beispiel. „Wenn du in der 15. Minute in Führung gehst, dann wird ab diesem Zeitpunkt auf Zeit gespielt.“ Insgesamt werde wenig Rücksicht genommen, oft mit Ellenbogen gearbeitet, „vieles läuft nach dem Motto: Der Stärkere gewinnt. Aber das ist hier nicht nur auf dem Fußballplatz so“.

Viel Dynamik, hohe Geschwindigkeit

Auch in Sachen Disziplin gibt es häufig Defizite. „Die jungen Leute kommen nicht selten von der Straße, da geht es einfach viel rauer zu“, sagt Träger. Dafür würden Talente, vor allem die von der Pazifikküste stammenden, oft eine enorme Athletik mitbringen. „Dynamik und Geschwindigkeit sind immens. Auch die Intensität in den Aktionen ist eine viel höhere, als ich sie aus Deutschland gewohnt bin. In diesen Bereich sind die Spieler oft schon weiter als bei uns“, erzählt Träger. Umso mehr müssen dafür technische und taktische Feinheiten gefördert werden. Und die Fähigkeit, auch mit Niederlagen umgehen zu können.

„Es war manchmal nicht einfach – aber ich habe den Job hier immer sehr, sehr gerne gemacht“, sagt Träger. Wohin seine Reise nun geht, ist noch offen. In Amerika gibt’s vielleicht eine Option, aber auch ein Engagement in der Nähe der Heimat scheint denkbar. „Ich werde auf jeden Fall weiter im Jugendbereich arbeiten“, sagt Träger, der zuvor schon in den Nachwuchsleistungszentren von 1860 München und Ingolstadt tätig war und die Trainer A-Lizenz besitzt. Und wer weiß: Vielleicht entdeckt er ja auch zufällig wieder eine ungewöhnliche Stellenanzeige. Erfahrung mit besonderen Fußballprojekten hat er ja jetzt genug.