Über hundert Konzertbesucher machen sich am stürmischen und nasskalten Samstagabend auf, um ein Konzert in der Heiliggeist-Kapelle im Passauer Spectrum Kirche zu erleben. „Wie hat der Sturm zerrissen des Himmels graues Kleid!“, so beschreibt der Dichter Wilhelm Müller in seiner Winterreise den stürmischen Morgen. Franz Schubert hat ihm mit seinem 24-teiligen Liedzyklus ein Denkmal gesetzt.
Der ehemalige Regensburger Domspatz, der junger Bariton Benjamin Appl, nimmt sich seiner bei diesem Liederabend an und demonstriert so wunderbar und frisch die Aktualität dieses Werks. Appl erzählt und fasziniert vom ersten Ton an! Uneitel, ohne Allüren interpretiert er die abwechslungsreichen Stimmungen der Lieder. Von spannend gehauchten Piano bis zum leidenschaftlichem Forte beherrscht er alle Register seiner warmen Baritonstimme. So gelingt ihm z.B. beim „Lindenbaum“ mit berührend langsamem Tempo und perfektem Stimmsitz eine unglaubliche Bühnenpräsenz, bei der er jeden Ton auskostet.
Seine beeindruckende Tiefe demonstriert er unter anderem im „Irrlicht“, wo Schubert den Text „In die tiefsten Felsengründe lockte mich ein Irrlicht hin“ lautmalerisch in Musik umsetzt. Appls unglaublich langer Atem ermöglicht bewegende Übergänge und lässt Raum für spannende Pausen. Die Zuhörer schmelzen dahin, wenn er den „Frühlingstraum“ so schön langsam träumt, mit kaum wahrnehmbarem Falsett. Intensiv und konzentriert meistert er die 90 Minuten. Die dynamischen Gegensätze und die intensive, ja elektrisierende Performance werden möglich durch den absolut professionellen Partner am Klavier, James Baillieu.
Der Pianist verbindet Schuberts Kompositionen mit Appls Interpretation, beherrscht die schwierigsten Läufe und Verzierungen und gleicht sich rhythmisch perfekt dem Sänger an. Sie können sich auf einander verlassen und vertrauen einander. Baillieu ist ein international gefragter Liedbegleiter, ein Glück für den jungen Sänger. Auch die Räumlichkeit, die Kapelle des Exerzitienhauses, die Rundung in blaues Licht gehüllt, und die passend stürmische Wandbemalung spiegeln gut die Stimmung der Winterreise wider.
Als Appl im letzten Lied singt „Wunderlicher Alter, soll ich mit dir gehen?“, verlässt er seinen Platz und geht vor, haucht den letzten Ton und verstummt. Atemlose Stille und dann stürmischer Applaus eines kundigen Publikums mit Standing Ovations – was für ein wunderbares, besonderes Konzert.
Dass die beiden Künstler im Anschluss ihre neue CD signieren, spricht für die unglaubliche Disziplin und Stärke der beiden. Künstlerseelsorger Bernhard Kirchgessner kann man einmal mehr danken für sein unermüdliches Engagement in der Kultur.
Carola Baumann-Moritz
