Personalmangel
Das einzige Kaffeehaus von Kößlarn steht vor dem Aus

Betreiber-Geschwister finden kein Personal – Bürgermeister will Domino-Effekt am frisch sanierten Marktplatz verhindern

16.11.2022 | Stand 19.09.2023, 5:11 Uhr |

Regale leer, Kaffeehaus nachmittags zu: Bei Regina (rechts) und Maritta Brummer herrscht Untergangsstimmung. Sie haben sich so auf ihre neue Filiale in Kößlarn gefreut, viel Arbeit und Herzblut hineingesteckt. Doch nun droht die frühzeitige Schließung. −Foto: Brandl

Von Stephan Brandl

Wenn nicht noch vor dem ersten Advent ein vorzeitiges Weihnachtswunder geschieht, ist für das einzige Kaffeehaus in Kößlarn Schicht im Schacht: Weil sie kein Personal finden, müssen die Betreiberinnen Maritta (34) und Regina Brummer (38) noch in diesem Winter das Café schließen. Für Bürgermeister Willi Lindner eine Hiobsbotschaft. Denn nachdem seit Frühsommer bereits das Gasthaus „Zur Post“ verwaist ist, würde mit dem „Café Brummer“ der nächste Dominostein am frisch sanierten Marktplatz fallen.


„Wir haben einen Haufen Geld in die Marktplatzsanierung gesteckt, um die Lebens- und Aufenthaltsqualität in Kößlarn zu steigern“, sagt Bürgermeister Lindner. Aber statt des erhofften Aufschwungs, droht es nun eher rückwärts zu laufen. Das treibt den Ortschef gehörig um. Nahversorgung sichern und Lebensqualität steigern waren wichtige Aspekte dafür, dass der Markt sein historisches Zentrum mit Millionen an Euro schmuck herausgeputzt hat. Bürgermeister Lindner: „Wir wären eigentlich gut aufgestellt, das darf jetzt nicht bröckeln!“

„Lebensqualität darf nicht bröckeln“

Tut es aber, wenn das „Café Brummer“ samt seiner Bäcker- und Konditorei am Eingang zum Marktplatz dicht machen muss. „Dabei wäre heuer das erste normale Jahr gewesen“, sagt Bäckermeisterin Regina Brummer. Sie und ihre Schwester, Konditormeisterin Maritta Brummer, haben 2020 in siebter Generation die Bäckerei mit Hauptsitz in Hirschbach von ihren Eltern übernommen. Neben Filialen in Bad Griesbach und Karpfham ist die Kößlarner Zweigstelle in dem ehrwürdigen, denkmalgeschützten Haus am Marktplatz 4 die jüngste Filiale – und in diese haben die Schwestern viel Geld, Zeit, Arbeit und noch mehr Herzblut gesteckt, um in den historischen Gewölberäumen einen gemütlichen Wohnzimmer-Kulinarik-Treff mit an die 30 Plätzen und 15 Plätzen draußen im selbst gebauten Schanigarten einzurichten.

2019 eröffneten Bäckerei und Kaffeehaus – und erwiesen sich als Renner am Ort. „Wir stellen Brot, Backwaren und Gebäck aus der Region für die Region her, alles nach eigenen Rezepturen und ohne Fertigmischungen“, sagt Maritta Brummer. Das schmeckt! Die Spezialität „Dafeida Erdapfe“ (zwiegebackener Krapfenteig mit Pflaumenmus im Ei gewälzt) sind ein Traum, und die Schaumrollen sind schneller weg, als die warmen Semmeln – „schauen’S mich an“, schmunzelt da der Bürgermeister.

Personalmangel in Gast- und Lebensmittelbereich

2019 hatte die Kößlarner Brummer-Filiale noch fünf Angestellte. Aber dann ging‘s los: Erst kam die Marktplatzsanierung, trotzdem lief das neue Kößlarner Café gut an. Die Gäste kamen zum Frühstück und zum Mittagstisch, am Sonntag war dort Vor-Kirchen-Stammtisch. Der Frauenbund kam, im Winter spielte die Bauermarkt-Musi – das „Café Brummer“ brummte! Trotz der Bauarbeiten am Marktplatz.

Doch dann kam Corona. Und mit jedem Jahr bröckelte das Personal immer weiter ab. Und heuer, ausgerechnet in ihrem ersten „normalen“ Geschäftsjahr, sind drei weitere Angestellte abgewandert. Personalmangel ist typisch für das Gast- und Lebensmittelgewerbe. „Im Gastgewerbe und auch bei Lebensmittelberufen haben wir die Situation im Landkreis, dass es mehr gemeldete Stellen als Bewerber gibt“, sagt die Sprecherin der Passauer Agentur für Arbeit, Andrea Bayer. Während der Pandemie sei das Gastgewerbe eines der am stärksten betroffenen Branchen gewesen. Aufgrund der starken Einschränkungen hätten sich Mitarbeiter nach neuen Beschäftigungsmöglichkeiten umgesehen. Dass sie nicht mehr in ihren alten Job zurückkehren, könnte laut Arbeitsagentur unter anderem an den Arbeitszeiten (höhere Wochenarbeitszeit und Wochenendarbeit oder Teil-/ Schichtdienst) und dem oft geringeren Verdienst als in anderen Branchen liegen. Was laut Arbeitsagentur-Sprecherin Andrea Bayer in abgelegenen Orten wie Kößlarn noch erschwerend hinzukommt: „Im Gastgewerbe wird in der Regel eine hohe Flexibilität und Mobilität vorausgesetzt. Dies stellt besonders im ländlichen Raum ein Problem dar.“

Café läuft bereits auf Sparflamme

Diese Erfahrung machen jetzt eben die Geschwister Brummer. Denn während es beispielsweise in der Bad Griesbacher Filiale flutscht (obwohl man auch dort jemanden gebrauchen könnte), stehen die Flaggen vor ihrem Kößlarner Café auf Halbmast: Nur noch eine Teilzeitkraft ist ihnen mittlerweile geblieben. Schon seit drei Monaten haben Bäckerei und Café daher nachmittags geschlossen, ab nächster Woche könnte diese Öffnungszeit auf nur noch Freitag bis Sonntag reduziert werden. Händeringend suchen Maritta und Regina Brummer nach Personal, vor allem nach einer erfahrenen Kraft, die die Kößlarner Filiale samt Café managt – bislang ohne Erfolg. Trotz übertariflicher Bezahlung, 30 Tagen Urlaub sowie Sonn- und Feiertagszuschlägen für diese Mitarbeiter.

Bei Bürgermeister schrillen Alarmglocken

3000 Semmeln müssten die Geschwister Brummer verkaufen, um zumindest die Pacht für Laden und Café herinnen zu haben. Eigentlich kein Problem – wenn sie denn jemanden hätten, der diese Semmeln auch an den Mann bringt. So aber steigen ihnen langsam die laufenden Kosten über den Kopf. „Wenn nicht bald etwas passiert, müssen wir unsere Kößlarner Filiale nach dem Winter zusperren“, fürchten Maritta und Regina Brummer das Schlimmste.

Bei Bürgermeister Willi Lindner jedenfalls schrillen da die Alarmglocken. Denn er fürchtet, dass dadurch dann nicht nur ein Stück Nahversorgung und Lebensqualität im Ort verschwinden würde, sondern auch, dass der gesellschaftliche und soziale Zusammenhalt ein Stück weit auseinanderbrechen könnte, falls Kößlarns einziger Kaffeehaus-Treff zu macht. Diesen Anfängen, die ausgerechnet bereits im Jahr eins der Marktplatzsanierungs-Einweihung drohen, will er unbedingt wehren und sie im Keim ersticken. „Denn sonst“, so Bürgermeister Lindner, „hätten wir den Marktplatz gleich gar nicht erst herrichten brauchen.“

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